K Dussel: Deutsche Tagespresse im 19. u. 20. Jh.

Cover
Titel
Deutsche Tagespresse im 19. und 20. Jahrhundert.


Autor(en)
Dussel, Konrad
Reihe
Einführungen Kommunikationswissenschaft 1
Erschienen
Münster 2004: LIT Verlag
Anzahl Seiten
272 S.
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Rudolf Stöber, Lehrbereich für Kommunikationswissenschaft, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Konrad Dussel ist ein ausgewiesener Historiker. Seine Spezialgebiete sind die Zeit- und insbesondere die Rundfunkgeschichte. Dussels Urteile sind in der Regel abgewogen und fundiert, er schreibt lesbare und interessante Bücher und Aufsätze. Sein bisheriges Werk schätze ich sehr. Die „Deutsche Tagespresse im 19. und 20. Jahrhundert“ weist jedoch neben unstrittigen Verdiensten auch einige Schwachstellen auf.

Zunächst einmal das Positive: Die Darstellung ist angenehm lesbar geschrieben. Darüber hinaus ist sie instruktiv und anschaulich bebildert. Die Pressegeschichte der Weimarer Zeit, des Nationalsozialismus und der DDR ist gelungen. Man merkt hier, dass der Verfasser nicht nur Angelesenes zusammenfasst. Prinzipiell gilt das auch für die Darstellung der bundesrepublikanischen Pressegeschichte. Allerdings hätte der Autor angesichts des mit 30 Seiten knapp bemessenen Raums durchaus bei den Äußerlichkeiten kürzen können, um dafür die zentralen Aspekte der inhaltlichen Entwicklung ausführlicher zu behandeln.

Das Buch ist in 10 Kapitel unterteilt, die jeweils zwischen 15 und knapp 40 Seiten umfassen. Die Gliederung folgt weitgehend konventionell der Chronologie der politischen Geschichte. Zunächst behandelt Dussel die Vorgeschichte in der Frühen Neuzeit, dann folgt das frühe 19. Jahrhundert vor 1848, sodann die Revolution von 1848/49. Allein das folgende 4. Kapitel ist strukturellen Überlegungen gewidmet: „Der große Umbruch: Die Neuerungen im Druck-, Nachrichten- und Anzeigenwesen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“. Auch die Erfindung der Schnellpresse durch Koenig und Bauer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird hier behandelt. Chronologisch geht es weiter: Kaiserreich, Weimar, Nationalsozialismus, DDR, Bundesrepublik. Auf ein Resümee wird verzichtet.

Einige Details trüben jedoch den positiven Gesamteindruck: Die Geschichte der Tagespresse im 19. und frühen 20. Jahrhundert behandelt schwerpunktmäßig die der badischen Presse. Regionale Schwerpunktsetzungen sind zu begrüßen, allerdings ist hier der Verfasser sicherlich über das Ziel der Schwerpunktsetzung hinausgeschossen. Konzeptionell wäre auch zu fragen, ob eine Geschichte der Tagespresse ohne die Darstellung der Zeitschriften geschrieben werden kann. Denn der gesellschaftlich-politische Diskurs war und ist ein gattungsübergreifender, und die Betrachtung des sozialen Wandels bedarf unbedingt einer Würdigung der traditionell reichhaltigen deutschen Zeitschriftenlandschaft. Allerdings vermag der Rezensent nicht zu beurteilen, ob dieses Manko dem Verfasser oder dem Verlag anzulasten ist.

Neben überzeugenden Urteilen finden sich auch weniger überzeugende: Plausibel sind die wiederholten Hinweise darauf, dass deutsche Pressegeschichte sich nicht in Berliner Pressegeschichte erschöpft, sondern dass der Provinzpresse große Bedeutung zukommt. Ebenso nachvollziehbar sind Dussels eingestreute quellenkritische Bemerkungen, und auch die Betrachtung der Parteipresse als Teilmenge der Meinungspresse gefällt.

Unverständlich bleibt hingegen die Zurechnung der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ zur „Presse jenseits der Politik“ (S. 38). Hier hat Dussel „Über“-Parteilichkeit und Unpolitisches verwechselt. Die AAZ war quasi, um einen Schweizer Ausdruck zu gebrauchen, eine „Forums-Zeitung“: In ihren Spalten wurden politische Intrigen ausgefochten. Ihr politischer Informationsgehalt war für jene Zeit außergewöhnlich.

Die Bemerkungen zur Intelligenzpresse sind nicht Stand der Forschung. Nur einem bestimmten Typus fehlten in der Tat politische Nachrichten. Dussel stellt fest: „Die Forschung zu den Intelligenzblättern liegt weitgehend brach.“ (S. 81) Wenn Dussel auf diverse Abhandlungen von Holger Böning, Gerhardt Petrat oder Werner Greiling zurückgegriffen hätte, wäre sein Urteil anders ausgefallen.

Man könnte noch eine Reihe kleinerer Fehler notieren: Die „Frankfurter Zeitung“ wird zu einer Gründung in Preußen – im Gründungsjahr 1856 hingegen war Frankfurt am Main noch freie Stadt. 1934 wurde der „Ullstein-Verlag“ liquidiert – richtiger ist, die Ullsteins wurden vom nationalsozialistischen Unrechtsregime enteignet und der Verlag in „Deutscher Verlag“ umbenannt. Die „Süddeutsche Zeitung“ wird zur auflagenstärksten deutschen Tageszeitung erklärt – was ist mit „Bild“ und „WAZ“?

Eingangs entschuldigt sich Konrad Dussel mit der nachvollziehbaren Bemerkung: „Nur direkte Zitate wurden nachgewiesen. Darüber hinaus noch alle und jede Information mit allen möglichen Belegen abzusichern, entspräche nicht dem Ziel, in die gesamte Materie einzuführen.“ (S. 3) Die Selbstbeschränkung ist für eine Einführung begrüßenswert, doch die eine oder andere weitere Quelle seiner Darstellung hätte durchaus nachgewiesen werden können.

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