H-G. Golz: Verordnete Völkerfreundschaft

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Titel
Verordnete Völkerfreundschaft. Das Wirken der Freundschaftsgesellschaft DDR-Großbritannien und der Britain-GDR Society - Möglichkeiten und Grenzen


Autor(en)
Golz, Hans-Georg
Erschienen
Anzahl Seiten
309 S.
Preis
€ 39,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hermann Wentker, Institut für Zeitgeschichte, Abteilung Berlin

Die Beziehungen zwischen der DDR und Großbritannien haben in den letzten Jahren beachtliche Aufmerksamkeit gefunden, obwohl diese weder im Zentrum der britischen noch der ostdeutschen Außenpolitik standen.1 In der Studie von Hans-Georg Golz geht es mit den ostdeutsch-britischen Freundschaftsgesellschaften um einen Teilaspekt dieser Beziehungsgeschichte. Welche Relevanz besaßen diese für die bilateralen Beziehungen? Welche Arten von Kontakten wurden damit etabliert? Wo lagen die Möglichkeiten und Grenzen dieser Vereinigungen im Hinblick auf die verfolgten Ziele der DDR? Eröffneten sie schließlich die Möglichkeit zu einem weitergehenden ostdeutsch-britischen gesellschaftlichen Austausch? Diesen Fragen wird auf der Grundlage umfassender Presse- und selektiver Archivstudien nachgegangen. So liegen der Arbeit lediglich einige einschlägige Bestände im Bundesarchiv zugrunde; Akten des DDR-Außenministeriums oder des MfS wurden nicht herangezogen.

Die 1963 gegründete Deutsch-Britische Gesellschaft (DEBRIG) agierte von der DDR aus und sollte in Großbritannien Propaganda für den ostdeutschen Staat betreiben. Von Anfang an ging es den Verantwortlichen nicht um Kulturaustausch, sondern darum, in Großbritannien offensiv für die Belange der DDR einzutreten. Die DEBRIG versuchte, nach dem Muster der äußerst erfolgreichen Königswinter-Konferenzen der Deutsch-Englischen Gesellschaft der Bundesrepublik zwischen 1965 und 1967 vergleichbare Treffen in der DDR zu organisieren. Doch die so genannten „Potsdamer Gespräche“ in Schloss Cecilienhof waren Veranstaltungen, die nur britische DDR-Sympathisanten versammelten und nicht die Multiplikatoren erreichten, auf die man es abgesehen hatte.

Das Pendant der DEBRIG in Großbritannien war der 1965 gegründete Britain-Democratic Germany Information Exchange, dessen Kürzel BRIDGE keineswegs auf die wahren Absichten der Gesellschaft hinwies. Es handelte sich vielmehr um einen festen Bestandteil der westeuropäischen Anerkennungsbewegung, in der sich britische DDR-Freunde organisierten. Ihre Aktivitäten bestanden in der Organisation von Studienreisen in die DDR, in der Vermittlung von Sommerkursen für britische Lehrer und Schüler sowie in der Organisation öffentlicher Veranstaltungen in London. Die Sekretärin von BRIDGE assistierte zwar 1970/71 bei der Gründung des „British Committee for the Recognition of the GDR“. Dies änderte jedoch nichts daran, dass die Bedeutung der Freundschaftsgesellschaft in Großbritannien vor der britischen Anerkennung der DDR 1973 rapide zurückging.

Nach der Anerkennung der DDR durch Großbritannien - zu der die Freundschaftsgesellschaften kaum etwas beigetragen hatten - änderten sich nicht nur deren Namen, sondern auch deren Auftrag und Gewicht für die DDR-Außenpolitik. Die Freundschaftsgesellschaft DDR-Großbritannien und die Britain-GDR Society sollten nun mehr Breitenwirkung entfalten und im Vereinigten Königreich Imagepflege für die DDR betreiben. Eigenen Angaben zufolge konnte die Britain-GDR Society ihre Mitgliederzahl zwar von 500 (1975) auf 3.000 (1989) steigern; aber auch damit blieb sie ein absolutes Minderheitenphänomen. Dies hing, wie Golz darlegt, nicht nur mit dem schweren Stand der Gesellschaft in Großbritannien, sondern auch mit der DDR-Politik zusammen. Denn für die SED wurden nach der Anerkennung „die offiziellen Beziehungen wichtiger als die Sympathie der wenigen DDR-Lobbyisten“ (S. 220); der Stellenwert der „Society“ verringerte sich erheblich.

Gleichwohl kann Golz für die 1970er und 1980er-Jahre Tendenzen hin zu mehr Eigenständigkeit bei der Britain-GDR Society ausmachen. So traten Ortsgruppen und regionale Gruppierungen ins Leben, die vor Ort eigene Initiativen entwickelten. 1986 wurde gar die rührige „Scotland-GDR Society“ gegründet, die begrenzte Attraktivität entfalten konnte. Außerdem verzeichnete die Gesellschaft einen Mitgliederzulauf zu den Regionalorganisationen, vor allem aus dem akademischen Bereich (für den Golz keine rechte Erklärung findet). Doch nicht nur die regionalen Gruppierungen entwickelten ein Eigenleben, auch die Sekretärin der Gesellschaft Sheila Taylor ging Mitte der 1970er-Jahre von sich aus daran, Kontakt zu anderen kulturellen Einrichtungen wie dem British Council aufzunehmen. Zudem organisierte sie ein Seminar für britische Akademiker in der DDR, die im Gegenzug 1980 den ostdeutschen Schriftsteller Volker Braun an den DDR-Behörden vorbei zu einer Lesereise nach England einluden. All dies wurde von den Anleitungs- und Kontrollinstanzen, der Liga für Völkerfreundschaft und der DDR-Botschaft in London, nicht gern gesehen. Sheila Taylor musste gehen, die Regionalisierung der Gesellschaft wurde lediglich geduldet, aber trotz der damit erzielten begrenzten Erfolge nicht gefördert. Die Vorstellung, dass Kulturbeziehungen mehr sein konnten als eine propagandistische Einbahnstraße, war den DDR-Funktionären fremd. Zudem befürchteten sie, die Kontrolle über die Freundschaftsgesellschaft zu verlieren. „Die Misserfolge der verordneten ‚Völkerfreundschaft’“, so resümiert Golz zutreffend, „waren im Kern systembedingt“ (S. 272).

Die Arbeit ist nicht nur eine solide Untersuchung zu den ostdeutsch-britischen Freundschaftsgesellschaften. Sie zeigt auch, dass die Suche nach „transnationalen Beziehungen“ im Sinne von kulturellen Aneignungs- und Austauschprozessen im Verhältnis zwischen der DDR und demokratisch-pluralistischen Staaten wohl vergeblich bleiben wird.

Anmerkung:
1 Vgl. Becker, Bert, Die DDR und Großbritannien 1945/49 bis 1973. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Kontakte im Zeichen der Nichtanerkennungspolitik, Bochum 1991; Bauerkämper, Arnd (Hg.), Britain and the GDR. Relations and Perceptions in a Divided World, Berlin 2002; Hoff, Henning, Großbritannien und die DDR 1955-1973. Diplomatie auf Umwegen, München 2003.

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