J. Hüttmann u.a. (Hgg.): DDR-Geschichte vermitteln

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Titel
DDR-Geschichte vermitteln. Ansätze und Erfahrungen in Unterricht, Hochschullehre und politischer Bildung


Herausgeber
Hüttmann, Jens; Mählert, Ulrich; Pasternack, Peer
Erschienen
Berlin 2004: Metropol Verlag
Anzahl Seiten
320 S.
Preis
€ 21,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gerd Dietrich, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Und nun die DDR als Vermittlungsproblem. Nachdem Peer Pasternack 1 den massiven Rückgang der DDR-bezogenen Lehre an den Universitäten und Hochschulen konstatiert und nachdem Jens Hüttmann 2 die Akteure dieser schwindenden Lehre unter die Lupe genommen hatten, folgte im Rahmen des diesbezüglichen Forschungsprojekts zwangsläufig eine Tagung. Ihr Thema: Die Zukunft eines untergegangenen Staates. Forscher, Lehrer und Mittler tauschten Zugänge, Erkenntnisse und Weisheiten darüber aus, wie die DDR-Geschichte an die Frau/den Mann zu bringen sei. Die Ergebnisse dieser Veranstaltung im März 2003 sind hier dokumentiert. Der Band gliedert sich in drei Teile: Kontexte - Forschung & Lehre - Schule, Medien und Politische Bildung.

In die Kontexte leitet Reinhard Kreckel mit acht Thesen zum Stand historischer Reflexivität in Deutschland ein. Heinz Dieter Kittsteiner erklärt die geschichtstheoretischen Hintergründe des historischen Selbstverständnisses der DDR-Geschichtswissenschaft. Martin Sabrow gibt einen historischen Rückblick auf die DDR-Geschichtswissenschaft: Formung durch Forschung. Bernd Faulenbach spricht über die DDR als Gegenstand der (westdeutschen) Geschichtswissenschaft. Konrad H. Jarausch denkt über die Zukunft der ostdeutschen Vergangenheit nach und versucht die Frage zu beantworten, was aus der DDR-Geschichte wird. Wolfgang Küttler berichtet über zeitgeschichtliche und (ostdeutsche) geschichtswissenschaftliche Orientierungen. Und Thomas Ahbe geht dem Alltagsbewusstsein nach: Die Ostdeutschen als Produkt der DDR und als Produzenten von DDR-Erinnerungen.

In den zweiten Teil Forschung & Lehre führen Ulrich Mählert und Manfred Wilke durch eine Analyse der Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur seit 1989 ein und konstatieren das Ende der „alten DDR-Forschung“. Peer Pasternack fragt: Wozu die DDR lehren? Jens Hüttmann beschreibt die Deutungskonflikte aus der Akteursperspektive (beide siehe oben). Manuela Tesak sondiert die DDR als Gegenstand von Lehre und Forschung an den österreichischen Universitäten nach 1989. Katja Naumann und Christian Lotz machen Anmerkungen zur gegenwärtigen deutschen Zeitgeschichtsforschung aus der Sicht der jungen Generation. Ursula Heukenkamp entwickelt Probleme nachträglichen Verstehens: Warum und zu welchem Ende sollte man DDR-Literatur lehren? Und Hendrik Berth kundschaftet DDR und Wiedervereinigung in der psychologischen Lehre und Forschung aus.

Der dritte Komplex ist Schulen, Medien und politischer Bildung gewidmet: Dörte Hein eruiert DDR-Geschichte im Internet und die Konstruktion eines multimedialen Gedächtnisses. Rainer Eckert hinterfragt das Verhältnis von Museum und Zeitgeschichte am Beispiel des Leipziger zeitgeschichtlichen Forums. Martina Weyrauch teilt Ansätze und Konzepte politischer Bildung aus Brandenburg mit, wo die DDR im Geiste immer dabei ist. Und Marianne Birthler klärt uns darüber auf, dass ihre Behörde durch die Beiträge zur Hochschullehre und politischen Bildung mehr als nur ein Archiv ist.

Damit haben die Herausgeber eine Sammlung vorgelegt, die den Grundlagenwerken zur Geschichte der DDR von Hermann Weber, Beate Ihme-Tuchel und Rainer Eppelmann/ Bernd Faulenbach/Ulrich Mählert würdig zur Seite steht. Bilanzierten jene Forschungsergebnisse, Diskurse und Kontroversen, so wird nun auch etwas darüber bekannt, auf welche Weise die Geschichte der DDR vermittelt wird bzw. vermittelt werden kann. In dieser Hinsicht ist ein guter Anfang gemacht und gehört der Band in jeden Handapparat zur DDR-Geschichte, sofern die Bibliotheken noch Geld dafür haben. Freilich findet der „DDR-Forscher/Historiker“ hier auch recht viel Bekanntes von bekannten Autoren. Die gegenwärtigen, schulischen, wissenschaftlichen und geschichtspolitischen Vermittlungsprobleme machen nur einen Teil des Bandes aus. Ein erweiterter interdisziplinärer Ansatz wäre wünschenswert, der auch Medienökonomie und Unterhaltungsindustrie kritisch einbezieht. Selten hat ein „abgeschlossenes Sammelgebiet“, darin ist Peer Pasternack zuzustimmen, „so unmittelbar anschließend ein derart intensives Nachleben entfaltet“ wie die DDR. Sie „wirkt in vielerlei Hinsicht untot“ (S. 163). Und es stimmt zuversichtlich, dass sich über die Generationen von Historikern (vgl. Küttler und Naumann/Lotz) ein gemeinsames Anliegen entfaltet: eine Verbindung zwischen dem „Angekommensein im Neuen“ (S. 112), „einem offenen Dialog mit der Vergangenheit“ (S. 231) und einer kritischen Reflexion der Gegenwart.

Anmerkungen:
1 Gerd Dietrich: Rezension zu: Pasternack, Peer: Gelehrte DDR. Die DDR als Gegenstand der Lehre an deutschen Universitäten 1990-2000 (HoF-Arbeitsbericht). Wittenberg 2001. In: H-Soz-u-Kult, 09.04.2003, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2003-2-019>.
2 Ders.: Rezension zu: Hüttmann, Jens: Die 'Gelehrte DDR' und ihre Akteure. Inhalte, Motivationen, Strategien: Die DDR als Gegenstand von Lehre und Forschung. Wittenberg 2004.In: ebd., 18.10.2004, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-042>.

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