M. Horster: Landbesitz griechischer Heiligtümer

Cover
Titel
Landbesitz griechischer Heiligtümer in archaischer und klassischer Zeit.


Autor(en)
Horster, Marietta
Reihe
Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 53
Erschienen
Berlin u.a. 2004: de Gruyter
Anzahl Seiten
IX, 263 S.
Preis
€ 84,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Charlotte Schubert, Historisches Seminar, Universität Leipzig

Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung der Habilitationsschrift von Marietta Horster, die 2003 an der Universität Rostock angenommen wurde. Die Studie untersucht den Landbesitz der griechischen Götter, Gottheiten und Heroen in archaischer und klassischer Zeit, wobei als Grundkategorie 'heiliges Land' angenommen wird, das entweder der Nutzung und Benutzung durch Menschen entzogen war oder das ebenso wie Land in menschlichem Besitz genutzt und verpachtet wurde. Im ersten Kapitel betrachtet die Verfasserin - ausgehend von der These ,Heiliges Land oder Gemeindeland, das heilig ist?’ - die archäologischen Zeugnisse für das 8./7. Jahrhundert v. Chr., Grenzsteine und literarische Quellen. Im Ergebnis kommt sie zu dem Schluß, dass es von der frühesten Nachweisstufe an ,heiliges Land’, also Land im Besitz der Götter gegeben habe. Den Entstehungsprozess beleuchtet sie im zweiten Kapitel näher anhand verschiedener Kategorien wie der Neugründung von Städten, der Eroberung, der Einführung neuer Götter in Verbindung mit der Errichtung neuer Heiligtümer, der Konfiskation und der Schenkung. In diesen Zusammenhang fügt sie auch einen kleinen Exkurs zu den Vorstellungen der Landaufteilung bei Hippodamos von Milet, Platon und Aristoteles ein. Nutzungsverbote und Restriktionen in Bezug auf heiliges Land werden ebenso ausführlich anhand der literarischen wie epigrafischen Überlieferung (3. Kapitel) untersucht wie die Verpachtungsbedingungen mit den dazugehörigen Auflagen für die Nutzung und Bewirtschaftung und den Zuständigkeiten (4. Kapitel).

Die Fragen, wie viel Einnahmen ein Heiligtum für den Unterhalt benötigt (5. Kapitel), welche Einnahmen nach den vorliegenden Quellen zur Verfügung standen und welche Ausgaben demgegenüber für Opfer, Feste und Priester notwendig waren, führen zu dem Ergebnis, "daß die Landverpachtung in klassischer Zeit den Unterhalt von Heiligtümern und die Finanzierung der Kulte offenbar nicht gewährleisten konnte" (S. 216). Dies ist nicht unbedingt überraschend angesichts der vielen Belege dafür, dass die Haine und zahlreichen anderen heiligen Orte und Ländereien der Nutzung durch Menschen in der Regel verschlossen waren. Insofern schließt sich hier der Kreis: Heiliges Land ist der "Ort, der den Göttern vorbehalten war. Menschen konnten dort den Göttern ihre Opfer bringen und die Götter gebührend feiern. Menschen stand dieser Ort nicht zur Verfügung. Sie durften ihn lediglich verwalten und hatten für dessen Heiligkeit und Unverletzlichkeit Sorge zu tragen" (S. 217).

Vom Grundsatz her ist jede Auseinandersetzung mit der Frage, wie Land geteilt und verteilt wird und wie diese Strukturen wahrgenommen werden, sehr komplex. Ein ganz anderer methodischer Ansatz geht beispielsweise hierbei von der Raumwahrnehmung aus, die auf der Grundlage der modernen Entwicklungs- und Wahrnehmungspsychologie die entsprechende gesellschaftliche Verankerung und die dabei in der historischen Perspektive zutage tretenden Differenzen beleuchtet.1 Auch die neueren kultur- und medientheoretischen Ansätze zum Verhältnis von Raum-, Macht- und Wissensbegriff, die ja insbesondere den Gegensatz zwischen dem ,glatten’ und dem ,gekerbten’ Raum hervorheben, bieten interessante Ansatzpunkte, um die spezifisch griechische Entwicklung von Begrenzung, Parzellierung, Konturierung und die damit eben auch in spezifischer Weise vorgenommene Strukturierung von Raum zu betrachten.2

Demgegenüber hat sich die Verfasserin ganz auf den von der ,Heiligkeit’ des Landes her gedachten Ansatz für die Bearbeitung des Themas beschränkt. Dabei ist sie sehr konsequent geblieben. Hervorzuheben ist an der auf diese Weise aber in sich sehr schlüssigen und interessanten Arbeit vor allem die umfassende Zusammenstellung des epigrafischen Materials, die für die weitere Bearbeitung sehr empfehlenswert ist.

Anmerkungen:
1 Vgl. hierzu Brodersen, Kai, Terra cognita, Hildesheim 1995.
2 Vgl. Deleuze, Gilles; Guattari, Félix, Mille Plateaux, Paris 1980.

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