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Titel
Signal. Eine deutsche Auslandsillustrierte als Propagandainstrument im Zweiten Weltkrieg


Autor(en)
Rutz, Rainer
Erschienen
Anzahl Seiten
446 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wigbert Benz

Die wissenschaftliche Aufarbeitung der NS-Auslandspropaganda in den Printmedien des Regimes findet bislang erst in Ansätzen statt. So hat die Propaganda-Illustrierte „Signal“ trotz millionenfacher Leserschaft und guter Quellenlage gerade mal eine Handvoll Veröffentlichungen evoziert, darunter als geschichtswissenschaftlich fundierte Pionierarbeit einen Aufsatz von Martin Moll sowie eine Buchveröffentlichung aus künstlerischer Sicht.1

Mit seiner 2005 an der Humboldt Universität Berlin angenommenen Dissertation legt Rainer Rutz nun eine umfassende Studie zur Entstehungsgeschichte dieser führenden NS-Illustrierten vor, die an zigtausenden von Kiosken im befreundeten und besetzten Ausland verkauft wurde. Er beleuchtet sowohl deren Protagonisten wie Inhalte. Die Idee zur Gründung ging Ende 1939 von einer Gruppe von Werbefachleuten, Abwehrspezialisten und Psychologen aus, die in der Abteilung für Wehrmachtpropaganda (WPr) im Oberkommando der Wehrmacht tätig waren. Rutz nennt hier neben dem Chef dieser Abteilung, Hasso von Wedel, in erster Linie den Spezialisten für psychologische Kriegsführung Albrecht Blau sowie den Werbefachmann Fritz Solm. In Kooperation mit der Presse- und Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes (AA), die von Paul Karl Schmidt geleitet wurde, setzten diese die Herausgabe des „Signal“ gegen heftigste Widerstände aus dem Goebbels-Ministerium innerhalb weniger Wochen durch. Zwischen April 1940 und März 1945 wurden im „Deutschen Verlag“ über einhundert reguläre Nummern und etliche Extra-Hefte produziert. Schon Ende 1940 überschritt die Auflage die Millionengrenze. Im April 1942 wurden zwei Millionen Hefte verkauft, so dass AA-Pressechef Schmidt feststellen konnte, „Signal“ habe „auflagenmäßig“ eine Entwicklung genommen, „wie es sich niemand gedacht hat und wie sie nur bei den großen USA-Zeitschriften besteht“ (S. 87). Der Höhepunkt dieser Entwicklung wurde im Juni 1943 mit 2.426.000 Exemplaren in zwei Dutzend Sprachen erreicht.

Rainer Rutz weist eine Reihe, auch in jüngeren wissenschaftlichen Publikationen immer wieder verbreiteter Aussagen als sachlich falsch zurück, so etwa Lu Seegers Behauptung, „Stern“-Gründer Henri Nannen und ARD-Moderator Werner Höfer hätten für „Signal“ gearbeitet 2 oder die Behauptung Klaus Jochen Arnolds, bei „Signal“ habe es sich um eine „Truppenzeitschrift“ der Wehrmacht zur „kontinuierlichen Beeinflussung der Truppe“ gehandelt, die einen wichtigen Beitrag zu deren Radikalisierung im Vernichtungskrieg geleistet habe.3 Den Einfluss der Presseabteilung des AA, aus der Schmidts Stellvertreter Günther Lohse regelmäßig an den Redaktionskonferenzen teilnahm, sieht er mit dessen Weggang 1942 deutlich verringert. Statt dessen wurde die Stellung des Goebbels-Ministeriums gestärkt. Diesen Prozess interpretiert Rutz auf dem Hintergrund einer Entwertung des „Führerbefehls“ vom 8. September 1939, der die Führungsrolle des AA bei der Auslandspropaganda, ja sogar eine Weisungsbefugnis in dieser Frage gegenüber dem Propagandaministerium vorsah. Im Herbst 1941 zwang Hitler die konkurrierenden Ministerien in ein „Arbeitsabkommen“, bei dem sie sich als gleichberechtigte Partner zu arrangieren hatten.

Die Schwerpunkte der Studie liegen in der Analyse der Kriegsberichterstattung, der Europapropaganda sowie der Sozial- und Kulturpropaganda der Zeitschrift. Unter ihren Herausgebern Harald Lechenperg (1940-1941), Heinz Medefind (1941), Wilhelm Reetz (1942-1944) und Giselher Wirsing (1945) wurde trotz gradueller Unterschiede doch ein Kontinuum an konzeptioneller und inhaltlicher Grundorientierung praktiziert. Die 14tägig erscheinenden Hefte umfassten circa 40 Seiten, davon acht Farbseiten. Sie waren von bester fotografischer Qualität, ein Korrespondent des britischen „Daily Express“ sprach schon am 25. April 1940 von „some of the best colour printing I have ever seen“ (S. 164). Im Normalfall wurde ein Heft mit einigen Beiträgen der Kriegsberichterstatter eingeleitet. Dem Leitartikel von zwei bis drei Seiten zu außenpolitischen oder militärischen Fragen folgten dann erneut Bildberichte der Propagandakompanien. Der zweite Teil der Hefte war mit Bildberichten über glückliche deutsche Familien, Lifestyle-Reportagen und anderen Meldungen einer angeblich heilen Welt bestückt. Bis hin zu ganzseitigen Fotografien flotter Blondinen im Bikini enthielt Signal all jene Ingredienzien, die Ablenkung, Unterhaltung und Kurzweil versprachen.

In seiner abwägenden, in weiten Teilen überzeugenden Studie gelingt es Rainer Rutz, die Verwobenheit dieser Heile-Welt-Idylle mit der Kriegs- und Europapropaganda aufzuzeigen. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 kämpfte in „Signal“ eine europäische Völkerfamilie, deren Kern die deutsche war, präventiv gegen die Gefahr der Versklavung Europas durch die bolschewistische Sowjetunion. „Ich will zu Lande für ein neues Europa kämpfen“, ließ Reporter Hanns Hubmann in einem Bildbericht zu „germanischen Freiwilligen der SS“ lachende und kampfbereite Flamen, Holländer, Dänen und Norweger verkünden (S. 203). Und der Mitarbeiter des AA Rudolf Fischer schrieb zusammen mit dem WPr-Hauptmann Harald Weberstedt den Eroberungs- und Vernichtungskrieg gegen die UdSSR zur vorbeugenden Befreiungstat um, ehe „der Kommunismus den Marsch um die Welt antreten konnte“ (S. 204).

Seit der Niederlage von Stalingrad wurde Giselher Wirsing zum starken Mann bei „Signal“. Es erschien fast keine Ausgabe mehr ohne einen großen Leitartikel aus seiner Feder. Schon 1938 hatte ihn ein Empfehlungsschreiben für den Posten eines SS-Offiziers folgendermaßen charakterisiert: „Dr. Wirsing hat sich im Laufe der Zusammenarbeit mit dem SD als williger, fleißiger und außerordentlich wertvoller Mitarbeiter erwiesen“ (S. 139). Später agierte er als Sonderführer in einer Propaganda-Kompanie an der Ostfront. Mitte 1943 übernahm er bei „Signal“ die inoffizielle Schriftleitung, im Februar 1945 auch offiziell die Redaktionsleitung. Da er zugleich als Berater für antibolschewistische Sprachregelungen für das AA arbeitete, war die Vertretung von dessen Interessen bei Wirsing in besten Händen. Den Ostkrieg propagierte er folglich als Feldzug gegen das „schlechthin Böse und Abgründige“ (S. 199).

Mit seinem kleinen Schlusskapitel „Brüche und Kontinuitäten nach Kriegsende“ leistet Rutz einen Beitrag zur Diskussion um die Elitenkontinuität nach dem Krieg. Leider gerät ihm dieser Schluss mehr oder weniger zu einer bloßen Aufzählung, welcher „Signal“-Akteur in der Bundesrepublik wo landete: Giselher Wirsing wurde Chefredakteur bei „Christ und Welt“, Rudolf Fischer Pressesprecher des Bundesverkehrsministers Hans-Christoph Seebohm, Hanns Hubmann und viele andere reüssierten bei der auflagenstärksten Zeitschrift „Quick“, Paul Karl Schmidt schrieb seine geschichtsrevisionistischen Serien zum Zweiten Weltkrieg in Axel Springers Zeitschrift „Kristall“. Dies und viele andere Einzelheiten listet Rutz auf. Personalgeschichtliche Kontinuitäten werden benannt. Allerdings fehlt es an gründlicher, zumindest exemplarisch auch vergleichender Analyse journalistischer Darstellungsformen und Inhalte vor und nach 1945, etwa der Kriegsdarstellungen in „Signal“ und „Kristall“. Zusammen mit dem fehlenden Personenregister ist dies das Manko einer ansonsten durchaus aufschlussreichen Publikation.

Anmerkungen:
1 Moll, Martin, „Signal“. Die NS-Auslandsillustrierte und ihre Propaganda für Hitlers “Neues Europa”, in: Publizistik 31. Jg., Heft 3-4 (1986), S. 357-400; Jussen, Bernhard (Hrsg.), Signal - Christian Boltanski, Von der künstlerischen Produktion der Geschichte, Göttingen 2004. Vgl. dazu die Rezension von Jan-Holger Kirsch: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-2-197.
2 Seegers, Lu, Hör zu! Eduard Rhein und die Rundfunkprogrammzeitschriften (1931-1965), Potsdam 2001, S. 68.
3 Arnold, Klaus Jochen, Die Wehrmacht und die Besatzungspolitik in den besetzten Gebieten der Sowjetunion. Kriegführung und Radikalisierung im „Unternehmen Barbarossa“, Berlin 2005, S. 73.

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