Cover
Titel
Fasti sacerdotum. Die Mitglieder der Priesterschaften und das sakrale Funktionspersonal römischer, griechischer, orientalischer und jüdisch-christlicher Kulte in der Stadt Rom von 300 v.Chr. bis 499 n.Chr.


Autor(en)
Rüpke, Jörg
Reihe
Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge 12
Erschienen
Stuttgart 2005: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
Bd. 1: 646 S.; Bd. 2: S. 656–1388; Bd. 3: S. 1396-1860, CD-ROM
Preis
€ 140,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Klingenberg, Institut für Geschichte und Kunstgeschichte, Technische Universität Berlin

Religion wird von Menschen getragen. Menschen sind es auch, die religiöse Handlungen vollziehen und kultische Funktionen übernehmen. Die antiken Religionen kannten eine Menge solcher Aufgaben, die von besonderem Kultpersonal ausgeübt wurden, und dieses steht in dem hier vorzustellenden prosopographischen Nachschlagewerk im Zentrum. Dessen Zielsetzung ist es, mit der Sammlung und Ordnung der bekannten Personalien als Baustein für eine umfassendere Sozial- und Organisationsgeschichte der Religion in Rom zu dienen. Insgesamt ist der Gegenstand das Kultleben der Stadt Rom 1, damit wird zwar die Religion im Römischen Reich nicht vollständig abgedeckt, dennoch handelt es sich um eine weitgehend sinnvolle Einschränkung, da die Aufnahme aller Kulte bzw. ihres Funktionspersonals den Rahmen gesprengt hätte. Den Begriff ‚Priester‘ sucht Rüpke dabei zu vermeiden. Er zieht stattdessen den Terminus des ‚religiösen Spezialisten‘ bzw. ‚Kultspezialisten‘ vor, um einerseits neuzeitlich geprägten Assoziationen zu entgehen, andererseits der arbeitsteiligen Organisation, die für spezielle kultische Aufgaben besonderes Personal vorsieht, auch begrifflich Tribut zu zollen (dazu S. 1399f., 1655, vor allem aber Kap. 9.1: S. 1405-1418).2 Inwieweit aber der Begriff des ‚Spezialisten‘ der wirklichen Rolle der jeweiligen Funktionäre gerecht wird, bleibt etwas dunkel, wiewohl im Gegenzug der Begriff des ‚Priesters‘ etwa für die Aufgabe des fossor unpassend ist.

Das Werk teilt sich in drei Bände mit jeweils unterschiedlichem Inhalt, die Seitenzählung läuft jedoch durch. Der erste Band setzt ein mit der Darlegung der Zielsetzung (S. 9-11). Der zeitliche Rahmen wird weit gesteckt, von 300 v.Chr. bis 499 n.Chr., eine klare Begründung, warum gerade diese Daten gewählt wurden, unterbleibt aber leider.3 Dagegen werden nach einer gründlichen Aufarbeitung der Forschungsgeschichte (S. 13-18) die erfassten Kultfunktionen erläutert (S. 19-38). Darunter befinden sich auch solche, die auf einem einzigen Beleg beruhen.4 Grundsätzliche Entscheidungen, die Aufbau und Aufnahmekriterien des Werkes betreffen, sind mit einigen Hinweisen zur Benutzung vorneweg dargelegt (S. 39-48).

Den Kern des ersten Bandes stellen jedoch die Fasten dar, die für jedes Jahr das Kultpersonal und ihre jeweilige Funktion präsentieren, soweit sie bekannt sind (S. 53-572). Personen, die nicht ganz genau einzuordnen sind, werden in Sammeleinträgen, etwa zur augusteischen Zeit (S. 143), zusammengefasst. Ein solches Unterfangen hat freilich mit einem Überlieferungsproblem zu kämpfen, da unsere Kenntnis der personellen Zusammensetzung der Priesterschaften notorisch lückenhaft ist.5 Schon aus diesem Grund ist es sinnvoll, alle bekannten Personen an einem Ort gesammelt zu publizieren, um so einen Überblick über das bislang bekannte Material zu erhalten. Dem schließen sich Kollegienlisten (S. 575-646) an, die für jeden Kult das bekannte Personal auflisten. Darunter sind auch vergebliche Kandidaturen (S. 632) 6 und irrtümlich in anderen Studien für bestimmte Personen erschlossene oder postulierte Priesterschaften (S. 641-646) verzeichnet.

Der zweite Teil enthält eine umfassende Prosopographie, in denen unter Angabe der maßgeblichen Belege und Literatur gemäß den im ersten Band skizzierten Aufnahmekriterien die Personen aufgeführt sind, die im Rahmen von Kulten eine Funktion ausgeübt haben. Unter anderem sind auch jüdische und vor allem christliche Funktionsträger berücksichtigt, für letztere zeichnet Anne Glock verantwortlich. Insgesamt umfasst dieser Katalog 3590 Nummern; zieht man in Betracht, dass zweifelhafte und eindeutig fiktive Personen ebenfalls aufgenommen sind, erhöht sich die Anzahl der Biographien noch einmal deutlich. Gerade für letzteres ist den Bearbeitern zu danken, da im Zweifelsfall zu den Gründen für eine solche Einordnung Stellung genommen wird. Allerdings findet sich darunter auch eine Skurrilität wie das Pferd Caligulas (S. 959), das Caligula angeblich zum Priester für den ihm selbst geltenden Kult ernannt hat.7

Der dritte Band versammelt neben bereits andernorts erschienenen auch einige neue, dezidiert für dieses Werk verfasste Beiträge Jörg Rüpkes, die in drei Schwerpunkte gegliedert sind. Er widmet sich zunächst der „Kontextualisierung“ (S. 1403-1471); dabei stehen organisatorische Aspekte im Vordergrund, so wirft Rüpke etwa ein Licht auf bisher weniger berücksichtigte Dinge wie die ökonomischen Aspekte von Religion (S. 1457-1471). Einen weiteren Schwerpunkt bilden „Selbstbeschreibung und Quellenproduktion“ (S. 1473-1566), dabei geht es vornehmlich um eine quellenkritische Aufarbeitung der Überlieferung, vor allem Livius und den inschriftlich erhaltenen Kollegienlisten, aber auch um die Frage nach den Aufzeichnungen der Priester. Das Sakralrecht und die diesbezügliche Gesetzgebung bilden den dritten Kernpunkt (S. 1567-1653); untersucht werden einerseits die innere Organisation der Kulte, andererseits politische Eingriffe, um diese zu verändern.

Zu einem Fazit konnte sich Rüpke nicht entschließen, stattdessen streicht er im letzten Abschnitt (Kapitel 12, S. 1655-1657) die religionswissenschaftliche Relevanz des hier besprochenen Projektes heraus, was er mithin als Appell, in der „universitären Religionswissenschaft“ die Beschäftigung mit der mediterranen Antike nicht „einem Interesse an Exotik und aktuellen Entwicklungen“ zu opfern (S. 1402), verstanden wissen möchte. Eine mit über 50 Seiten recht ausführliche Bibliographie und Register, die Quellen, Personen, Ämter sowie allgemeine Schlüsselbegriffe erschließen, runden den dritten Band ab.

Dem Werk beigelegt ist eine CD-ROM, auf der die Daten der Bände I und II sowie ein nach Funktionen gegliedertes Register gespeichert sind, die über den Webbrowser abgefragt werden können. Leider sorgt offenbar ein Softwarefehler dieser mit TUSTEP (Tübinger System von Textverarbeitungs-Programmen) produzierten Datenbank regelmäßig nach kurzer Zeit für einen Absturz des Programms.8 Wer nicht über ausreichende TUSTEP-Kenntnisse verfügt, um die Daten mit diesem Programm von Hand auszulesen, wird daher bei der Papiervariante bleiben müssen. Hier wäre eine Nachbesserung angebracht. Bei eigentlich allen prosopographischen Nachschlagewerken können bereits zum Zeitpunkt des Erscheinens Ergänzungen vorgenommen werden, zumal Inschriftenneufunde regelmäßig die Kenntnis antiker Personen erweitern, die Forschung indes nicht stillsteht.9 Alles in allem bleibt jedoch festzuhalten, dass mit den Fasti Sacerdotum ein äußerst nützliches Instrumentarium zur Erforschung der römischen Religion und ihrer Organisationsgeschichte auf dem Markt ist, an dem kein Weg vorbeiführt.

Anmerkungen:
1 Ausnahmen sind diejenigen externen Kulte bzw. Priesterschaften, die eine Relevanz für die Stadt Rom besitzen (S. 25f.).
2 Vgl. auch Rüpke, Jörg, Art. „Spezialisten, religiöse“, in: Auffarth, Christoph u.a. (Hrsg.), Metzler-Lexikon Religion, Bd. 3, Stuttgart 2000, S. 345–350.
3 Ins Jahr 300 v.Chr. datiert freilich die lex Ogulnia (Liv. 10,63-69; 10,9,1-2), die die Priesterämter auch für Plebeier öffnete, vgl. hier S. 1421 und 1476 sowie 1481-1485 (zur Zeit vor 300 v.Chr.).
4 Z.B. die popae (S. 29 und Nr. 1419) oder die sacerdotes Ditis Patris (S. 31 und Nr. 1865).
5 So betont Jacques Scheid, „daß ohne außergewöhnliche Quellen der größte Teil der Priester unbekannt bleibt, und daß man in vielen Fällen die Gesamtzahl der Priester nicht einmal schätzen kann …“ (Grenzen und Probleme in der Auswertung von Priesterfasten, in: Eck, W., Hrsg., Prosopographie und Sozialgeschichte. Studien zur Methodik und Erkenntnismöglichkeit der kaiserzeitlichen Prosopographie, Köln u.a. 1993, S. 108).
6 Vgl. Broughton, Thomas Robert Shannon, Candidates Defeated in Roman Elections: Some Ancient ‚Also-Rans‘, Philadelphia 1991.
7 Cass. Dio 59,28,5-6. Es wurde auch erzählt, dass der Kaiser sein Pferd Incitatus zum Consul machen wollte, Suet. Cal. 55,3.
8 Stichproben auf drei verschiedenen Computern erbrachten leider immer dasselbe Ergebnis.
9 Vgl. z.B. Haack, Marie-Laurence, Prosopographie des haruspices romains, Pisa u.a. 2006 mit einigen Divergenzen zum hier vorgestellten Werk, das sie aber offenbar noch nicht kannte.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension