K. Keller: Die Kaiserin. Reich, Ritual und Dynastie

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Titel
Die Kaiserin. Reich, Ritual und Dynastie


Autor(en)
Keller, Katrin
Erschienen
Köln 2021: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
429 S., ca. 43 SW- und 4 Farb-Abb.
Preis
€ 45,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Laura Seithümmer, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

In einer weiterhin männlich dominierten Forschungslandschaft sind selbst die Kaiserinnen der Frühen Neuzeit unterrepräsentiert. Über wenige von ihnen existieren fundierte Arbeiten, meist erscheinen sie lediglich am Rande in den Werken über ihre Ehemänner, Väter, Brüder, kurz: Über ihre nahe männliche Verwandtschaft. Die bedeutendste Ausnahme bildet hier Maria Theresia, die nicht zuletzt anlässlich ihres 400. Geburtstages 2017 für eine erneute Flut von Publikationen sorgte, darunter die ausführliche Biographie Barbara Stollberg-Rilingers.1 Woran es bislang fehlte, war jedoch eine allgemeine Untersuchung des politischen Amtes der Kaiserin. Katrin Keller, die schon in zahlreichen Publikationen die Fragen nach dynastischer Herrschaft von Frauen in der Frühen Neuzeit und weiblichen politischen Handlungsfeldern gestellt hat, schafft nun einen wichtigen Grundstein für die Schließung dieser Forschungslücke.2 Auf der Suche „nach dem Platz der Kaiserin im Reich und für das Reich“ (S. 17) konzentriert sie sich nicht auf eine spezielle Kaiserin, sondern dekliniert die Rechtslage, die Aufgaben, die Krönungszeremonien und das Vorkommen der (nur) sechs im 17. und 18. Jahrhundert gekrönten Kaiserinnen in den zeitgenössischen Medien vergleichend durch. Maria Theresia, welche selbst nie gekrönt wurde und den Titel Kaiserin daher ausschließlich auf Basis ihrer Ehe mit dem Kaiser trug, spart Keller somit aus den Betrachtungen gänzlich aus.

Grundlage ihrer Untersuchungen bilden die von Keller im ersten Kapitel An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin zusammengefassten und kontextualisierten rechtlichen Rahmenbedingungen. Der Autorin gelingt es, die Divergenz zwischen den Rechten der Kaiserinnen einerseits und der geschlechterbasierten Einschränkung dieser Befugnisse andererseits darzulegen. Kaiserinnen waren durchaus befugt, als Beraterin in Erscheinung zu treten oder stellvertretend für ihre minderjährigen Söhne Urkunden und andere Dokumente auszustellen. In der Reichspublizistik wurden jedoch genau diese Punkte im 17. und 18. Jahrhundert immer deutlicher abgelehnt und beschränkt, indem ihre Rechte, aber besonders die Einschränkungen dieser Rechte, immer konkreter gefasst wurden. Obwohl die Kaiserin also keineswegs zentraler Bestandteil der Reichspublizistik war, wurde sie gleichwohl in verschiedensten rechtlichen Debatten immer wieder zur Sprache gebracht.

Darüber hinaus belegt Keller im zweiten Kapitel die Bedeutung und Funktionen der Herrscherinnen am Beispiel der Krönungszeremonien der sechs gekrönten Kaiserinnen Anna von Tirol (1585–1618), Eleonora Gonzaga (1597–1655), Maria Anna von Spanien (1606–1646), Eleonora Gonzaga-Nevers (1628–1686), Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg (1655–1720) und Maria Amalia von Österreich (1701–1756). Kaum überraschend, aber dennoch in solcher Form noch nicht vergleichend dargestellt, zeigen sich hier die ambivalenten, jedoch meist politischen Motive für die Krönungen, die als Akt alles andere als selbstverständlich waren; schließlich war die Kaiserin in den Augen Vieler eben einfach die Ehefrau des Kaisers. Eine solche Definition über ihre Ehemänner ist bis zu Maria Theresia auch ein konsistentes Merkmal des Selbstbildes und Auftretens der Kaiserinnen in der Öffentlichkeit.

Keller versteht es bei ihrer Betrachtung, auf Basis eines beeindruckenden und ausgiebigen Quellenkorpus verschiedenster Archive die politische Tragkraft und die Bedeutung der Krönungen für die Kaiserinnen selbst in Einklang zu bringen. Auffällig ist dabei die Beteiligung einiger bedeutender Fürstinnen an diesem Zeremoniell, welche nicht nur die politischen Ränge im Reich, sondern auch die Teilhabemöglichkeit dieser speziellen Frauen an der Herrschaft widerspiegelte. Gleichwohl zeigt sich auch hier der eindeutige Bezug der Frau auf den Mann bzw. die frühneuzeitliche Geschlechterhierarchie.

Die Krönungen spielen als Ereignis auch in der darauffolgenden Betrachtung der Kaiserinnen in den Medien eine Sonderrolle, da die Bedeutung der Frauen hier klar auf das Reich und nicht nur auf ihren Ehemann bezogen dargestellt wurde. Darüber hinaus finden die Kaiserinnen – und unterscheiden sich damit gar nicht so sehr von den Kaisern – natürlich ereignisbezogen in den Publikationen Erwähnung, wie bspw. zur Geburt der Kinder. Doch selbst hier zeigt sich eine deutliche Unterrepräsentation der Kaiserinnen. So führen Kellers Untersuchungen zu den Publikationen anlässlich der Geburt Erzherzog Leopold Johanns am 13. April 1716 zu der Erkenntnis, dass „[d]er Bezug auf die Kaiserin, deren direkte Beteiligung am Ereignis selbst ja unzweifelhaft feststeht, […] dessen ungeachtet in den einzelnen Textsorten unterschiedlich präsent, aber generell nicht sehr ausgeprägt“ (S. 230) war. Ungeachtet der Tatsache, dass die Nachfolge des Herrschers für das gesamte Reich von Bedeutung war, wurde die Rolle der Kaiserin in diesem Zusammenhang kaum ausreichend erwähnt.

Im vierten und letzten Kapitel stehen schließlich die aktiven Handlungsfelder der Kaiserinnen im Fokus. Neben Audienzen und Korrespondenzen werden auch die den Kaiserinnen vorgebrachten Fürbitten ins Auge gefasst sowie die Rolle der Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena bei der Kaiserwahl Karls VI. 1711. Besonders die Fürbitten machen deutlich, dass auch die Bevölkerung von einem nicht zu vernachlässigenden Einfluss der Kaiserin auf den Kaiser ausgegangen sein muss. Wie schon in den vorhergegangenen Betrachtungen stützen sich Kellers Erkenntnisse dabei auf ein weites Quellenrepertoire verschiedenster Formen, wie dem 50-seitigen Quellen- und Literaturverzeichnis zu entnehmen ist.

Keller schlussfolgert, „dass das Heilige Römische Reich und seine Institutionen in der Forschung eher nicht mit der Kaiserin in Verbindung gebracht werden […], dass die Kaiserin im Heiligen Römischen Reich dessen ungeachtet [jedoch] in deutlich größerem Maße präsent war, als das bisherige Darstellungen nahelegten.“ (S. 323) Die Bestätigung ihrer zu Beginn aufgestellten These unterstreicht gleichzeitig den Mehrwert ihrer Monographie, die durch die Benennung diverser Forschungslücken und die Zusammenstellung der Quellen über den reinen Erkenntnisgewinn hinausgeht und durch ihre exemplarischen Erörterungen besticht. Die beeindruckende Quellenarbeit, die hinter dem Werk steckt, bestärkt diesen zweiten Aspekt. Nicht nur fachkundige Leser*innen kommen hier auf ihre Kosten, auch für die – wie man so schön sagt – interessierte Öffentlichkeit ist der Band bestens geeignet. Einzig die Tatsache, dass die Autorin bei den französischen und lateinischen Zitaten auf eine Übersetzung verzichtet, erschwert das Lesen, wobei diese Quellenausschnitte jeweils durch eine kurze Inhaltszusammenfassung eingeleitet werden.

Für alle, die sich also mit Frauen, Herrschaft, Macht oder eben den Kaiserinnen der Frühen Neuzeit befassen, darf an diesem Band kein Weg vorbeiführen.

Anmerkungen:
1 Vgl. Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie, München 2017.
2 Vgl. u.a. Katrin Keller, Frauen und dynastische Herrschaft. Eine Einführung, in: Bettina Braun / Katrin Keller / Matthias Schnettger (Hrsg.), Nur die Frau des Kaisers? Kaiserinnen in der Frühen Neuzeit, Wien 2016, S. 13–26; Katrin Keller (Hrsg.), Gynäkokratie. Zu politischen Handlungsmöglichkeiten von Frauen in der höfischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: zeitenblicke 8 (2009), Heft 2, https://www.zeitenblicke.de/2009/2/ (18.03.2023).

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