D. Götte: Die Siegelpraxis der Fuldaer Stiftspfleger

Cover
Titel
Die Siegelpraxis der Fuldaer Stiftspfleger (1011–1531).


Autor(en)
Götte, Daniel
Reihe
Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte
Anzahl Seiten
IX, 517 S.
Preis
€ 34,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Katharina Kemmer, Lehrstuhl für Fränkische Landesgeschichte, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Nur wenige Jahre nach dem Jahrtausendwechsel attestierten zunächst Eckart Henning1 und wenig später Toni Diederich mit Joachim Oepen2 den Historischen Grundwissenschaften eine in der universitären Wissenschafts- und Lehrlandschaft äußerst prekäre Situation. Diese sei durch eine zunehmende Spezialisierung einzelner historischer Fachbereiche bedingt, so dass eine Beschäftigung mit den Quellen, welche unabdingbar für die historische Forschungsarbeit ist, zunehmend erschwert werden würde. Erfreulicherweise zeigen allerdings verschiedene Publikationen der letzten Jahre, dass sich die Situation mitnichten so fatal entwickelte, wie es sich in den Jahren 2004 und 2005 noch dargestellt haben mag. Einen entsprechenden Beleg hierfür liefert die vorliegende, sehr umfangreiche und bereits 2023 im Druck erschienene Dissertation Daniel Göttes, welche sich mit der Siegelpraxis der Fuldaer Stiftspfleger auseinandersetzt. Aufgabe der Pfleger war es grundsätzlich, jenes Kloster in wirtschaftlich und politisch unsicheren Zeiten zu verwalten und damit seine Herrschaft zu stabilisieren.

Mittels einer umfangreichen Einleitung legt Götte zunächst seine Fragestellung, den zum Thema bisher vorherrschenden Forschungsstand, die herangezogenen Quellen sowie sein methodisches Vorgehen offen. Bereits hier unterlegt er die einzelnen Teilbereiche mit zahlreichen Beispielen, die der Leserschaft ein Folgen seiner Argumentation deutlich erleichtern. Bei der Bearbeitung eines Siegel-Corpus gibt es natürlich unterschiedliche Vorgehensweisen, zum Beispiel eine zunächst rein chronologische Darstellung. Um das umfangreiche Siegel-Corpus bzw. die darauf beruhende Untersuchung verständlich darstellen zu können, wählte der Autor für den Hauptteil seiner Arbeit allerdings eine (thematische) Unterteilung nach Pflegern, die sowohl mit persönlichen als auch klostereigenen Siegeln oder personalen Amtssiegeln tätig wurden. Hinzu kommen die von den jeweiligen Äbten und Pflegern gemeinsam genutzten Siegel, die Wappensiegel der einzelnen Funktionsträger und zuletzt korporative und persönliche Siegel der Pfleger. Diese Methode ist insofern sehr viel zielführender, als sogleich die verschiedenen Siegelarten eine gute Orientierungsmöglichkeit für eine zielgerichtete Beschäftigung mit beispielsweise Gemeinschafts- oder Wappensiegeln bieten. Die soeben benannten Teilkapitel, welche zugleich auch den Hauptteil der Untersuchung ausmachen, sind nochmals in verschiedene Unterkategorien aufgeteilt, die sich an den jeweiligen Siegelführern orientieren. So werden unter anderem die Siegel der Mainzer Erzbischöfe, Klostersiegel, Koadjutor- und Administratorsiegel oder auch Gemeinschaftssiegel hervorgehoben und in ihrer Funktion und Gebrauch erläutert, um nur einige Beispiele zu nennen. Hierdurch wird nicht nur die enorme Bandbreite jener Funktionäre gut sichtbar, sondern auch eine mögliche gemeinsame Besiegelung unterschiedlicher Rechtsgeschäfte. Jedes der kurz angesprochenen Kapitel wird durch eine eigene Zusammenfassung abgeschlossen. Dies hat zumindest zwei Vorteile: Zum einen, dass bei lediglich punktuellem Lesen einzelner Abschnitte die wichtigsten Ergebnisse problemlos erfasst werden können, ohne diese aus der eigentlichen Schlussbetrachtung herausfiltern zu müssen. Zum anderen können diese Zwischenresümees dazu beitragen, eine weiterführende Ausgangsbasis für die nachfolgenden Erkenntnisse zu liefern. Allerdings nimmt man sich dadurch auch die Möglichkeit einer umfangreichen Zusammenfassung, da die Gefahr der Wiederholung besteht. Dennoch gelingt dem Autor in seiner abschließenden Bewertung der Forschungsergebnisse eine zielgerichtete Analyse, an deren Beginn die Erkenntnis steht, dass die Siegel jener Pfleger oftmals gemeinsam mit den Siegeln des jeweiligen Abtes oder auch der Stände zur Besiegelung von Rechtsvorgängen herangezogen wurden. Dadurch wird eine gegenseitige Abhängigkeit in der Verwaltung des Stifts mehr als deutlich. Daneben fand jedoch auch eine separate Anwendung statt, die in verschiedenen Fällen sogar (weit) über die in deren „Tätigkeitsbeschreibung“ aufgeführten Kompetenzen hinausging.

Das anschließend aufgeführte Quellenverzeichnis macht mit 19 genannten Archiven die Streuung der zugrundeliegenden Archivalien deutlich; hinzu kommen noch zahlreiche Sammlungen sowie gedruckte Quellenwerke. Ab Seite 423 beginnt ein sehr umfangreicher Siegelkatalog, dem zunächst ein separates Inhaltsverzeichnis vorangestellt ist, sodass auch hier die zielgerichtete Suche nach einem bestimmten Siegel problemlos ermöglicht wird. Der eigentliche Katalogteil enthält verschiedene, in Bezug auf die Sphragistik bzw. die einzelnen aufgeführten Objekte relevante Informationen wie zunächst die Entzifferung der Siegellegende, den zeitlichen Nachweis der Nutzung eines jeden Siegels, der zugehörigen Abbildung sowie Form und Größe der Objekte. Ergänzend findet sich zudem stets eine Prozentangabe, welche über das Größenverhältnis der entsprechenden Abbildung zum Original informiert. Jedem Siegel ist des Weiteren ein kurzer Text zur Seite gestellt, in dem Siegelbild und -umschrift definiert sowie die Signaturen der Archive genannt werden, in denen das einzelne Objekt zu finden ist. Die Kombination aus erläuterndem Text mit den sphragistischen Angaben unter Hinzunahme einer entsprechenden Abbildung werten nicht nur den Katalogteil an sich, sondern die vollständige Publikation erheblich auf, da hierüber dem Leser ein möglichst vollumfänglicher Eindruck zu den jeweiligen Objekten vermittelt werden kann. Den Abschluss dieser Arbeit bildet ein kurzer Index, der nach siegelnden Korporationen und Personen gegliedert ist. Aufgrund der angewandten Methode, der Akribie des Verfassers und des Umfangs der Untersuchung kann die vorliegende Publikation zu Recht als Grundlagenforschung bezeichnet werden, die als Vorbild für weitere sphragistische Forschungen dienen kann.

Anmerkungen:
1 Eckart Henning, Auxilia Historica. Beiträge zu den Historischen Hilfswissenschaften und ihren Wechselbeziehungen, 2. Aufl., Köln 2004 (1. Aufl. 2000).
2 Toni Diederich / Joachim Oepen (Hrsg.), Historische Hilfswissenschaften. Stand und Perspektiven der Forschung, Köln 2005.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension