Die Geschichtsschreibung zum Spanischen Bürgerkrieg scheint an das Ende eines Forschungszyklus gekommen zu sein. In jüngster Zeit haben gleich mehrere renommierte Historiker Gesamtdarstellungen vorgelegt, in denen sie ihre Deutungen des Krieges und der Vorkriegsjahre noch einmal entfalten und ausbauen.1 Zu diesen Forschern zählt auch Stanley Payne, der durch Werke zum spanischen Faschismus und zur Zweiten Republik (1931–1936) hervorgetreten ist. In seinem jüngsten Buch liefert er eine pointierte Zusammenschau der Forschung, die sich als grundlegende Kritik neomarxistischer und linksliberaler Darstellungen des Bürgerkriegs verstehen lässt. Diese stellen trotz aller Kritik doch die Modernisierungsleistungen der pro-republikanischen Kräfte während der Jahre der Zweiten Republik heraus, weisen die Hauptschuld am Kriegsausbruch den Republikgegnern zu und begreifen die Kriegsrepublik als – wenn auch defizitäre – Demokratie. Der britische Spanienforscher Paul Preston hat den Bürgerkrieg sogar jüngst in einer kontroversen Darstellung als eliminatorischen Kampf der nationalistischen Seite gegen die spanische Arbeiterschaft als Träger einer kulturellen und politischen Modernisierung beschrieben.2 Payne weist solche Deutungen vehement zurück. Er sieht die pro-republikanischen Kräfte deutlich kritischer und gibt ihnen einen wichtigen Teil der Schuld am Ausbruch des Krieges. Im Bürgerkrieg standen sich für ihn zwei antiliberale Regime gegenüber, von denen keines zur historischen Identifikation taugt.
Der Aufbau des Bandes folgt einer inzwischen etablierten Ordnung, wonach die Zeit der Zweiten Republik als wesentliche Vorgeschichte des Krieges mitbehandelt wird. In den ersten beiden Kapiteln des Buches rekapituliert Payne seine Forschungen zur Zweiten Republik. Er argumentiert, dass die intransigente Politik der linksliberalen Regierungen zwischen 1931 und 1933 und dann besonders der Volksfrontregierung seit Februar 1936 wesentlich eine demokratische Konsolidierung verhindert und die gemäßigt-katholischen Bevölkerungsteile der Republik entfremdet habe. Insbesondere die Sozialistische Partei habe durch ihre maßgebliche Beteiligung am revolutionären Oktoberaufstand von 1934 dazu beigetragen die demokratische Ordnung zu untergraben. Im Frühjahr 1936 sei es dann die Volksfrontregierung gewesen, die durch eine Politik der forcierten Ausgrenzung der rechten Opposition aus dem parlamentarischen Raum die demokratischen Spielregeln weitgehend außer Kraft gesetzt habe. In dieser Perspektive erscheinen die Politik der rechten und reaktionären Parteien seit 1931 sowie der Putsch Francos wesentlich stärker als defensive Verteidigungsmaßnahmen gegenüber den republikanischen Übergriffen als in anderen Synthesen.
Die Darstellung des Bürgerkriegs unterteilt Payne in eine Reihe von knapp gehaltenen Einzelkapiteln zu den etablierten Themen der Forschung. Seine Beschreibung der militärischen Entwicklung und der internationalen Dimension des Krieges, des Terrors und der inneren Dynamik in den beiden Kriegszonen ist zuverlässig, geht aber kaum über das aus vielen anderen Gesamtdarstellungen Bekannte hinaus. Eigene Akzente setzt Payne vor allem dadurch, dass er den Bürgerkrieg in eine gesamteuropäische, krisenhafte Transformationsphase hin zur industriellen Moderne einbettet. Der spanische Fall erscheint dabei einerseits als Episode des ideologischen „Weltbürgerkriegs“. Andererseits betont Payne aber auch die Besonderheiten des spanischen Krieges, die er besonders in der Intransigenz der republikanischen Linken und in der Heftigkeit, Breite und der Heterogenität der sozialen Revolution im Sommer 1936 sieht. Anders als andere jüngere Darstellungen, die die Kriegsrepublik als rudimentäre, wenn auch unvollständige Demokratie begreifen, sieht er das republikanische Regime als Revolutionsregime, das einen klaren Bruch mit der demokratischen Vorkriegsordnung vollzog.3
Insgesamt hat Payne ein gut lesbares und provokantes Buch geschrieben. Seine Einwände gegen linksliberale Narrative der Bürgerkriegsgeschichte sind anregend, auch wenn sie des Öfteren überzogen wirken. Der Leser vermisst immer wieder das Bemühen, die Handlungen der republikanischen Mittelschichten und der städtischen und ländlichen Arbeiterschaft in ihrer Zeitgebundenheit zu verstehen. Zu weiterer Forschung fordert seine These einer Aufgabe der Demokratie bereits im Frühjahr 1936 auf. Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass Payne die Bemühungen der Regierung, eine rechtsstaatliche Ordnung aufrecht zu erhalten, deutlich unterschätzt.4 Jenseits dieser Einzelfragen stellt jedoch das feststellbar fehlende Bemühen des Autors, die Bürgerkriegsforschung für neue Ansätze und Fragen zu öffnen, den wichtigsten Kritikpunkt dar. Es fällt ungünstig auf, dass sich der Verfasser in den spärlichen Fußnoten vor allem auf die ältere Forschung stützt, während neuere Studien zur Kultur- und Mikrogeschichte des Krieges kaum rezipiert werden. Je mehr die politisch-ideologischen Kontroversen der Bürgerkriegsära, die bei Payne ebenso wie bei seinen Gegenspielern weiterhin im Mittelpunkt des Interesses stehen, an Bedeutung für die Gegenwart verlieren, desto mehr muss die Bürgerkriegsforschung neue Fragen generieren, will sie nicht ihre Relevanz verlieren. Bei allen Verdiensten, die das Buch hat, liefert es doch wenig Argumente für eine neue, innovative Beschäftigung mit dem Bürgerkrieg.
Anmerkungen:
1 Julián Casanova, The Spanish Republic and Civil War, Cambridge 2010 (span. 2007); Paul Preston, The Spanish Holocaust. Inquisition and Extermination in Twentieth-Century Spain, London 2012; Ángel Viñas, La República en guerra. Contra Franco, Hitler, Mussolini y la hostilidad británica, Barcelona 2012.
2 Preston, Holocaust, insb. Teil 1.2 „Theorists of Extermination“, S. 34–52.
3 Gabriele Ranzato, El Ecplise de la Democracia. La Guerra Civil Española y sus Orígenes, 1931–1939, Madrid 2006.
4 Rafael Cruz, En el nombre del pueblo. República, rebelión y guerra en la España de 1936, Madrid 2006. Siehe auch: Manuel Álvarez Tardío / Fernando del Rey Reguillo (Hrsg.), The Spanish Second Republic Revisited. From Democratic Hopes to the Civil War (1931–1936), Brighton 2012.