Titel
Washingtons Söldner. Verdeckte US-Interventionen im Kalten Krieg


Autor(en)
Voß, Klaas
Erschienen
Anzahl Seiten
589 S.
Preis
€ 38,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Werner Bührer, München

Die Söldner sind zurück! So kommentierten viele Zeitungen die Aktivitäten privater militärischer „Dienstleistungsfirmen“ wie „Blackwater“1 im Irak nach dem Einmarsch der Amerikaner und Briten im Jahr 2003. Klaas Voß, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie Historiker am Hamburger Institut für Sozialforschung und mittlerweile in Den Haag lehrend, hält nichts von dieser Einschätzung, wie er gleich zu Beginn seiner höchst informativen, mit neuen Befunden aufwartenden und flott geschriebenen Arbeit betont: „Die Söldner waren weder neu, noch kehrten sie zurück“. Vielmehr sei bereits der Kalte Krieg eine „Blütezeit des modernen Söldnertums“ gewesen. Allerdings, und hier sieht er doch einen Unterschied zu den privaten Sicherheits- und Militärfirmen von heute, in den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren hatte man es mit deren „wenig organisierten Vorgängern“ zu tun. Söldner wurden damals meist ad hoc rekrutiert und mobilisiert, erhielten aber gleichwohl einen „festen Platz im Handlungsrepertoire des CIA“ (S. 8). Der mehr oder weniger verdeckte Einsatz von Söldnern – „externe Akteure in einem ausländischen Konflikt, an dem sie keine per Automatismus erwachsene Teilhabe besaßen“ (S. 16), so Voß’ Definitionsvorschlag – als wichtiger Bestandteil amerikanischer Interventionspolitik ist denn auch der Gegenstand des Buches, das aus einer von Bernd Greiner betreuten Dissertation an der Universität Hamburg hervorgegangen ist.

Die Untersuchung konzentriert sich auf drei Fallbeispiele: den Kongo in den 1960er-, Angola und Rhodesien in den 1970er- und Nicaragua in den 1980er-Jahren. Als „roten Faden“ dieser Söldnereinsätze identifiziert Voß zum einen das Dilemma, zwei „scheinbar unvereinbare Erfordernisse“ miteinander in Einklang bringen zu müssen: Während die Furcht vor einem „zweiten Kuba“ eine amerikanische Intervention geradezu zu erzwingen schien, bedingte die Furcht vor einem „neuen Vietnam“ verdeckte Operationen, wollte die Regierung sich nicht dem Vorwurf aussetzen, erneut das Leben amerikanischer Soldaten zu riskieren (S. 23). Zum anderen ließ das „Totalversagen“ der jeweiligen lokalen Verbündeten den Rückgriff auf Söldner als „probates Mittel zur Verschiebung der Kräfte im Gefüge eines spezifischen Konfliktes“ geraten erscheinen, zumal dafür vor Ort bereits Präzedenzfälle vorhanden waren. Voß schildert diese Einsätze sehr anschaulich und detailliert. Mitunter hat es allerdings den Anschein, als habe er sich in seiner Darstellung vom Jargon seiner Quellen anstecken lassen: einzelne Formulierungen – z.B. dass „über die Köpfe der Söldner hinwegheulende T-28 und B-26 […] ihre tödliche Ladung in die Rebellenstellungen pumpten“ und die „heißen Patronenhülsen auf die Söldner hinabregneten“ (S. 143) oder „Castros Schergen“ (S. 162) – wirken in einer wissenschaftlichen Untersuchung ebenso deplatziert wie der Seitenhieb gegen das „Gutmenschentum“ (S. 204) in der Afrikaabteilung des amerikanische Außenministeriums, von dem sich offenbar nicht nur Außenminister Kissinger provoziert fühlte.

Verdeckte, möglichst vollständiger Geheimhaltung unterliegende Operationen aus Regierungsquellen zu rekonstruieren, um die politischen Entscheidungsprozesse und die Geschichte der einzelnen Einsätze nachvollziehen zu können, stellt verständlicherweise eine enorme Herausforderung dar. Die Quellenbasis der Studie ist angesichts dieser Schwierigkeiten bemerkenswert breit und solide. So hat Voß u.a. die einschlägigen Bestände in den Presidential Libraries der Präsidenten Ford und Johnson, den National Archives and Records Administration und im National Security Archive ausgewertet, ferner die wichtigsten Tageszeitungen und publizierte Kongress- und Senats-Hearings. Ergänzt hat er diesen ohnehin schon beeindruckenden Quellenfundus um Interviews mit damaligen Akteuren, darunter auch Söldner, die sich insgesamt als eine „überraschend schreib- und auskunftsfreudige Gruppe von Personen“ erwiesen, wie Voß erfreut anmerkt (S. 29). Archivalien sowjetischer und anderer „gegnerischer“ Provenienz wurden nicht herangezogen. Ob die Verantwortlichen in Moskau in dem Bemühen, „das Schreckensbild des Söldners weiter zu amerikanisieren“ (S. 357), die Zahl vermeintlich amerikanischer Söldner etwa in Angola zu propagandistischen Zwecken maßlos übertrieben, obwohl sie über realistische Informationen verfügten, muss deshalb offenbleiben.

Wie fällt nun Voß’ Bilanz der Söldnereinsätze aus? Als eindeutigen Erfolg im Sinne der USA bewertet er lediglich die Intervention im Kongo. Gravierender als die finanziellen seien vor allem in Afrika jedenfalls die hohen politischen Kosten gewesen. Der von den amerikanischen Administrationen stets verfolgte Grundsatz der plausible deniability sei mehr und mehr ins Wanken geraten. Die Reagan-Administration habe daraus im Nicaragua-Konflikt den Schluss gezogen, dass eine „unglaubhafte“ Dementierbarkeit eines amerikanischen Engagements „vollkommen ausreichend“ sei. „Umfangreiche verdeckte Operationen ließen sich generell nicht vor der Öffentlichkeit verbergen“, so die intern formulierte Einsicht; entscheidend sei deshalb „nicht die Kenntnis, sondern das Bekenntnis“ (S. 538). Reagan hatte deshalb auch kein Problem damit, öffentlich seine Sympathien mit den amerikanischen Söldnern in den Reihen der Contras zu verkünden und sie als „Freiheitskämpfer“ zu adeln. Überhaupt scheint die ideologische, das heißt vor allem antikommunistische Motivation für manche Söldner etwa im Rhodesien-Konflikt wichtiger gewesen zu sein als die finanzielle. Im Kongo beispielsweise verdienten sie monatlich „550 bis 850 Dollar mit Gefahrenzulagen“ (S. 139) – nicht gerade ein Spitzengehalt. Ob die „kommunistische Propaganda“, wie Voß meint, angesichts der ideologischen Ausrichtung und den vielfältigen, im Buch ja ausführlich geschilderten verdeckten Aktivitäten wirklich so ohne Weiteres als eine „Mischung aus paranoiden Elementen, Übertreibung und spezifischen Details“ (S. 367) abgetan werden kann, erscheint eben deshalb zumindest zweifelhaft – und würde für die amerikanische Seite übrigens ebenso gelten, ohne dass der Autor das so explizit hervorhebt. Obwohl in den drei Fällen „nur einige Hundert“ Söldner involviert waren, unterstreicht Voß mit Recht, dass sie „als stiffeners und force multipliers überproportionalen Einfluss“ auf den jeweiligen Kriegsverlauf gehabt hätten und somit „weit mehr als eine Fußnote des Ost-West-Konfliktes“ darstellten (S. 9).

Aus der Sicht einer Historischen Friedens- und Konfliktforschung verdient insbesondere die breite, nicht ausschließlich auf im engeren Sinne militärische Aspekte begrenzte Anlage der Arbeit besondere Beachtung. So erwähnt Voß beispielsweise auch die Rolle, welche Aberglauben, Hexerei und magische Medizin auf Seiten der Rebellen im Kongo spielten, und umgekehrt den unter den Söldnern grassierenden latenten und expliziten Rassismus. Zu den Glanzstücken der Arbeit zählt in diesem Zusammenhang die präzise Analyse der Rolle der amerikanischen Söldnerzeitschrift „Soldier of Fortune“, die nicht nur als Plattform für ideologische Ertüchtigung, sondern auch als Jobbörse diente und innen- und außenpolitisch bestens vernetzt war. Alles in allem ein unbedingt lesenswertes Buch.

Anmerkung:
1 Vgl. dazu meine Sammelrezension zu: Jäger, Thomas; Kümmel, Gerhard (Hrsg.): Private Military and Security Companies. Chances, Problems, Pitfalls and Prospects. Wiesbaden 2007 / Scahill, Jeremy: Blackwater. The Rise of the World's Most Powerful Mercenary Army. London 2007, in: H-Soz-Kult, 04.02.2009, http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-10309 (10.11.2016).

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