Der erste Eindruck: Ein liebevoll gemachtes Band, keine wissenschaftliche Monographie, sondern der geglueckte Transfer akademischer Erkenntnisse in ein populaeres, lesbares und interessantes Buch. Das Titelfoto zeigt vier markante Frauengestalten bei der Feldarbeit. Auf ihren Gesichtern spiegeln sich Last und Lust der Arbeit. Ueberhaupt ragt der Band durch die Qualitaet seiner Fotos hervor, die einzelne Frauenpersoenlichkeiten in ihrem Arbeitsumfeld sichtbar werden lassen.
Die Autorin setzt ein mit der Beschreibung der traditionellen Arbeitsteilung innerhalb des baeuerlichen Betriebes, unterschied doch die Landwirtschaft "wie kein anderer Beruf" (S. 7) zwischen maennlichen und weiblichen Aufgabenbereichen. Dabei differenziert sie wohltuenderweise stets nach den unterschiedlichen Gruppen der laendlichen Gesellschaft und geht wie selbstverstaendlich davon aus, dass die Bauern dem technischen Fortschritt durchaus nicht abhold waren.
Die Modernisierung der Betriebe und der Infrastruktur seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bescherte den baeuerlichen Betrieben Schleswig-Holsteins einen nie gekannten Wohlstand, mit ganz erheblichen Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Frauenarbeit. Zuvor in Eigenregie durchgefuehrte Arbeiten wurden nun ausser Haus gegeben: die Hausweberei, der Anbau von Flachs, die Garnspinnerei, das Brotbacken, Hausschlachtungen und die Milchverarbeitung. Zugleich revolutionierten moderne Techniken die Haushaltsfuehrung: Wohnen und Wirtschaften wurden getrennt, buergerliches Mobiliar zierte die baeuerliche Stube. Chemische Reinigungsmittel erleichterten die muehselige Prozedur der grossen Waesche, entsprechend hielten modischere Kleidung und aufwendige Handarbeiten ihren Einzug. Zukunftsweisend wirkte auch die Einfuehrung des geschlossenen eisernen Herdes anstelle des offenen Feuers, denn er ermoeglichte eine groessere Reinlichkeit und eine genauere Hitzeregulierung und erlaubte so die Zubereitung feinerer Speisen. Verschiedene Neuerungen bei der Vorratshaltung, namentlich der Einmachtechnik, fuehrten zum Anbau feinerer Gemuese im Garten und zur Anlage von Ziergaerten. Industrieerzeugnisse wie Bruehwuerfel, Speiseoel, Gelatine, Pudding- und Backpulver trugen dazu bei, dass das Kochen, besonders in wohlhabenden baeuerlichen Gegenden wie Dithmarschen, zu einer Kunst entwickelt wurde, bei der sich die Baeuerinnen an buergerlichen oder gutswirtschaftlichen Haushalten orientierten. Ihre Toechter wuchsen aus der Landarbeit hinaus und lernten die Prinzipien der gehobenen Haushaltsfuehrung in der Stadt oder auf Gutshoefen. Die harte, schmutzige Landarbeit, insbesondere das Melken, wurde zur ungeliebten Maegdearbeit degradiert.
Die Landflucht der Bauerntoechter fuehrte jedoch bald zu einem deutlichen Personalmangel auf dem Land - die Maedchenausbildung geriet in ein "Dilemma" (S. 47), dessen Loesung erst gefunden wurde, als nach dem Vorbild anderer Provinzen auch in Schleswig-Holstein laendliche Haushaltungsschulen errichtet wurden. An dem seit 1903 mit grossem Erfolg in Hademarschen existierenden Internat fuer Toechter aus "gehobenen baeuerlichen Kreisen" (S. 48) herrschte ein hoher Ausbildungs- und Ausstattungsstandard. Die Unterrichtsinhalte waren an den Beduerfnissen des baeuerlichen Betriebes orientiert und mit praktischen Uebungen verbunden: Ernaehrungslehre, Gesundheitslehre, Milchwirtschaft, Kaelberaufzucht, Schweinemast, Gefluegelzucht, Gartenbau, Deutsch und Rechnen standen auf dem Lehrplan, daneben spielte die Erziehung zu Sauberkeit, Ordnung, Puenklichkeit und Zuverlaessigkeit eine wichtige Rolle. Fuer Maedchen aus aermeren Verhaeltnissen wurden Wanderschulkurse eingerichtet, nicht zuletzt, um sie vom Einfluss der Sozialdemokratie fernzuhalten. Vor dem 1. Weltkrieg konnte sich dieses System jedoch noch nicht flaechendeckend durchsetzten: Auch die Unterschichtstoechter waren mehr an feinen Handarbeiten und gutbuergerlicher Kueche interessiert, wie von den Zeitgenossen haeufig kritisiert wurde.
Der 1. Weltkrieg beendete die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts anhaltende Phase der Prosperitaet auf dem Lande abrupt: In einer Zeit der Zwangsbewirtschaftung und der Lebensmittelverknappung lastete die koerperliche Schwerstarbeit auf den zu Betriebsleiterinnen gewordenen Frauen. Zugleich lebten traditionelle Formen der Selbstversorgung wieder auf. Der Kontakt mit den hungerleidenden staedtischen Hamsterern, die Lebensmittel gegen Luxuswaren zu tauschen suchten, rief Neid und Konflikte, aber auch eine deutliche Staerkung des Selbstbewusstseins der Baeuerinnen hervor.
Die Friedensjahre der Weimarer Republik brachten kein Zurueck zum Wohlstand der Vorkriegszeit: Zwangsbewirtschaftung, hohe Steuerschulden, Pfaendungen und Zwangsversteigerungen blieben an der Tagesordnung. Der Mangel wurde als existenzielle Bedrohung erfahren und fuehrte zur Rueckbesinnung auf traditionelle Strukturen baeuerlicher Wirtschaft wie Selbstversorgung und Familienarbeit, zur Abgrenzung vom staedtischen Lebenstil und damit zu einer neuen baeuerlichen Identitaet. Selbstdisziplin, Sparsamkeit und Fleiss wurden zu ihren tragenden Werten. Die opferbereite Teilnahme der Frauen an der landwirtschaftlichen Arbeit galt nun als Beitrag zum Aufbau des Vaterlandes. Trotz aller persoenlicher Haerten wertet die Autorin diesen Prozess "unter agrarwirtschaftlichen Gesichtspunkten" als "ausgesprochen fortschrittlich" (S. 112), da er mit einer enormen Leistungssteigerung der laendlichen Frauenarbeit einherging. Insbesondere die Gefluegelhaltung wurde zu einer lukrativen Einnahmequelle fuer die Landfrau, nachdem auf Betreiben der Landwirtschaftskammer eine moderne Gefluegellehranstalt in Kiel-Steenbek eingerichtet worden war. Eine aehnliche Entwicklung nahm die fachgerechte Erzeugung und der Handel mit Obst und Gemuese, was jedoch als Feldgemuese- und Obstplantagenbau bald in die Haende der Maenner ueberging.
Nicht zuletzt auf Anregung der Ernaehrungsaemter wurde nach dem Krieg zudem ein weitgespanntes Netz landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine gebildet. Zu den mitgliederstaerksten Frauenorganisationen in Deutschland gehoerend, forderten sie die berufliche Anerkennung des Landfrauenberufs. Durch die erfolgreiche Propagierung des Direktvertriebes gelang es ihnen, eine bedeutende Rolle bei der Versorgung der staedtischen Bevoelkerung zu spielen. Emanzipatorische Ansaetze zur Uebernahme traditioneller maennlicher Aufgabenfelder, wie sie die staedtischen Frauenrechtlerinnen zur gleichen Zeit verfolgten, blieben ihnen jedoch fremd.
Die landwirtschaftlichen Hausfrauenvereine und ihre Bildungseinrichtungen wurden auch zum Traeger der Rationalisierung der Hauswirtschaft, die waehrend der 1920er Jahre aus Amerika uebernommen wurde. Da es jedoch an Geld und auch an der Stromversorgung fuer technische Geraete mangelte, lag der Schwerpunkt bei einer verbesserten Zeiteinteilung und Ausnutzung der vorhandenen Betriebsmittel.
Die zur Ueberbrueckung der Jungmaedchenzeit und zur Vorbereitung auf das Ehe- und Berufsleben beliebten laendlichen Haushaltungsschulen erfreuten sich waehrend der 1920er Jahre bei den Toechtern grosser und mittlerer Bauern wieder grossen Zulaufs. Zum traditionellen Lehrplan kamen - nun auf der Grundlage vaterlaendischen Gedankenguts - Wohlfahrtspflege, Gesundheitspflege, Heimatkunde, Staatsbuergerkunde, Literatur, Berufs- und Lebenskunde, Turnen und Musik hinzu. Auch landwirtschaftliche Winterschulen, die zuvor nur von Maennern besucht wurden, standen nun den Frauen offen. Seit 1926 kontrollierte die Landwirtschaftskammer die Qualitaet und Einheitlichkeit der Unterrichtung der hauswirtschaftlichen Lehrlinge, die ihre Ausbildung bei besonders qualifizierten Landfrauen oder auch auf Gutshoefen erhielten, und trug damit zur Anerkennung des Landfrauenberufs nicht unwesentlich bei.
Den Weg in den Nationalsozialismus streift die Autorin nur kursorisch: Ein grosser Teil der zu einem neuen Bewusstsein der volkswirtschaftlichen Bedeutung ihrer Arbeit gekommenen Bauernschaft beteiligte sich an Protesten gegen die ungeliebte Republik und hiess die Machtergreifung - wenn auch nicht die Gleichschaltung ihrer Vereinigungen - willkommen.
Das Buch wird in diesem Jahr auf vielen Gabentischen im laendlichen Bereich liegen, zu Recht: Es stillt das Beduerfnis der noch immer von enormem Wandel betroffenen Landbevoelkerung nicht nur Schleswig-Holsteins nach Selbstvergewisserung und historischer Identitaet.