: Berufliche Orientierung im Fach Geschichte lehren. . Schwalbach am Taunus 2016 : Wochenschau-Verlag, ISBN 978-3-7344-0359-0 55 S. € 9,80

: Geschichte als Wissenschaft lehren. Theorieorientierung im Studieneinstieg. Schwalbach am Taunus 2016 : Wochenschau-Verlag, ISBN 978-3-7344-0357-6 54 S. € 9,80

: Studienfachberatung im Fach Geschichte. . Schwalbach am Taunus 2017 : Wochenschau-Verlag, ISBN 978-3-7344-0355-2 53 S. € 9,80

: Geschichtswissenschaftliche Proseminare. Von der Lehrplanung zur Durchführung. Schwalbach am Taunus 2016 : Wochenschau-Verlag, ISBN 978-3-7344-0346-0 55 S. € 9,80

: Geschichtswissenschaftliches Schreiben lehren. . Schwalbach am Taunus 2016 : Wochenschau-Verlag, ISBN 978-3-7344-0353-8 54 S. € 9,80

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Claus Kröger, Abteilung Geschichtswissenschaft, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Universität Bielefeld

„Don’t judge a book by its cover“, heißt es mit gutem Grund. Aber gilt dies auch für den Umfang von Büchern? Nimmt man die ersten fünf schmalen Bände der Kleinen Reihe – Hochschuldidaktik Geschichte in die Hand (vier weitere erscheinen bis Ende 2017), so mag man daran zweifeln. Sind das überhaupt noch Bücher – mit jeweils gerade einmal 55 kleinformatigen Seiten inclusive Titelei und Literaturverzeichnis? Lassen sich auf solch knappem Raum hochschuldidaktische Themen des Studienfachs Geschichte angemessen behandeln? Zumal die hier besprochenen Bände thematisch durchaus breit angelegt sind: „Geschichte als Wissenschaft lehren“ von Andreas Frings setzt ganz grundsätzlich an, Rainer Pöppinghege rückt mit dem Proseminar den Klassiker geschichtswissenschaftlicher Einführungsveranstaltungen in den Blick. Die anderen drei Bände hingegen gehen auf die hochschuldidaktischen Debatten der letzten zweieinhalb Dekaden zurück. Dass geschichtswissenschaftliches Schreiben nicht nur gelernt werden kann, sondern dass es gelehrt werden muss, wie Heidrun Ochs argumentiert, ist eine Erkenntnis, die sich längst noch nicht allerorten durchgesetzt hat. Die Bände von Mareike Menne zur Berufsorientierung in der Lehre sowie von Freia Anders zur Studienfachberatung in der Geschichtswissenschaft schließlich greifen über die fachliche Lehre im engeren Sinne deutlich hinaus.

Zudem verfolgt die Kleine Reihe – Hochschuldidaktik Geschichte einen neuen Ansatz. Bislang ist die hochschuldidaktische Literatur zumeist fächerübergreifend angelegt; wo sie sich doch den Spezifika einzelner Fächer zuwendet, zielt sie zuallererst auf Studierende.1

Doch der Reihe nach und im Detail: „Mehr Theorie wagen“ könnte das Motto von Andreas Frings Überlegungen lauten. Er plädiert dafür, die Eingangsphase des Studiums der Geschichtswissenschaft als expliziten Bruch mit dem Schulfach Geschichte zu gestalten, da die schulischen Erfahrungen keine Hilfe für den wissenschaftlichen Zugang zur Geschichte seien, sondern ganz im Gegenteil ein erhebliches Hindernis darstellten. Frings orientiert sich hierbei an der Conceptual-Change-Forschung, die kognitive Konflikte und ein zumindest partielles Scheitern der von den Studienanfängern mitgebrachten Konzepte über Geschichte als unabdingbar für fachliche Lernprozesse ansieht. Nach Frings sollte es in der Studieneingangsphase deutlich weniger darum gehen, Wissen über historische Epochen zu vermitteln, sondern das Ziel müsse sein, die Studierenden zum „geschichtswissenschaftlichen Denken“ (S. 27) zu führen. Theorien und Methoden gewinnen dann bereits im ersten Semester eine zentrale Bedeutung.

Frings durchmisst ein weites Feld. Auf den Versuch, einen fachlichen Minimalkonsens zur Wissenschaftlichkeit der Geschichtswissenschaft zu skizzieren, folgt ein genauerer Blick auf die Zielgruppe. Bemerkenswert an Frings’ Buch ist der empirisch fundierte und zugleich empathische Blick auf die Studierenden. Auf der Grundlage einer Mainzer Befragung ergeben sich unter anderem die folgenden Befunde: Nur wenigen Erstsemestern ist die Kategorie „Kontroversität“ aus dem schulischen Geschichtsunterricht vertraut; zudem ist die Geschichtswissenschaft nicht zuletzt ein Studium für Bildungsaufsteiger. Zu akzeptieren, dass die historische Erkenntnis Konstruktcharakter besitzt, stellt dann aus beiden Gründen eine erhebliche Herausforderung dar. Der Rede von einer immer heterogener werdenden Studierendenschaft mag Frings nicht zustimmen, die Heterogenität „wächst nicht, sie verändert sich nur“ (S. 20). Die folgenden drei Kapitel sind sodann der Lehre gewidmet – von den Grundlagen eines gelingenden Conceptual Change über Lehrformate und curriculare Fragen bis hin zur Prüfungsgestaltung. Nähme man diese bedenkenswerten Überlegungen zum Maßstab, so könnte sich eine ganz andere Art von Einführungen in die Geschichtswissenschaft ergeben: wesentlich abstrakter und theorielastiger, für Studierende sicherlich weniger zugänglich, dafür eine zügige fachliche Sozialisation fördernd.

Auch Rainer Pöppinghege nimmt die ersten Semester geschichtswissenschaftlicher Studiengänge in den Blick. Er wendet sich den Einführungsveranstaltungen zu und will demonstrieren, „wie Lehre in einem geschichtswissenschaftlichen Proseminar aussehen und gelingen kann“ (S. 5). Zwar gibt es Berührungspunkte zu Frings’ Überlegungen; dessen Plädoyer für eine deutliche Theorieorientierung in der Studieneingangsphase macht sich Pöppinghege aber nicht zu eigen. Er setzt zwei Schwerpunkte, reflektiert zunächst über die Rolle des Dozenten im Proseminar und wendet sich dann den Inhaltsbereichen dieser Lehrveranstaltung zu. Kaum jemand wird bestreiten, dass in Proseminaren bzw. vergleichbaren Einführungsveranstaltungen die Grundlagen für ein erfolgreiches Studium gelegt werden können – in didaktischer Hinsicht handelt es sich also um ein besonders anspruchsvolles Lehrformat. Wie Pöppinghege anmerkt, steht die weit verbreitete Praxis, diese Veranstaltungen Nachwuchswissenschaftlern mit noch wenig Lehrpraxis zu überlassen, dazu in einem gewissen Spannungsverhältnis. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Proseminars leitet er aus dessen hochschuldidaktischer Funktion ab. Im Zentrum stehen vier Themenfelder: das Wissenschaftsverständnis der Geschichtswissenschaft, Recherchetechniken, sodann der Umgang mit Quellen und Forschungsliteratur, schließlich die Präsentation studentischer Arbeitsergebnisse, hier vor allem die schriftliche Hausarbeit. Für alle Bereiche bietet Pöppinghege eine Fülle an Tipps, Aufgaben und Übungen, die dem Grundsatz der aktivierenden Lehre verpflichtet sind.

Im Band „Geschichtswissenschaftliches Schreiben lehren“ geht Heidrun Ochs von drei Postulaten aus: Erstens betrachtet sie Schreiben als zentralen Bestandteil der Geschichtswissenschaft. Zweitens hält sie Schreiben auch für den besten Weg, Geschichtswissenschaft zu lernen. Drittens stellt sie fest, dass Studierende das (geschichts)wissenschaftliche Schreiben erst erlernen müssen. Hiervon ausgehend konzipiert Ochs eine einsemestrige Lehrveranstaltung, die auf die Ansätze des Schreibdidaktikers Otto Kruse zurückgreift und über 15 Wochen hinweg die Phasen eines Schreibprojektes behandelt – vom Lesen selbst und der Verarbeitung des Gelesenen über die Themenfindung und das Gliedern hin zum Schreiben einer Rohfassung sowie schließlich zum Überarbeiten. Zu jeder Sitzung finden sich „Vorschläge zur Umsetzung“. Nicht nur schreibdidaktisch unerfahrene Dozenten werden hier nützliche Anregungen finden. Will man etwas kritisieren, so könnte man fragen, ob Ochs ihr zweites Postulat, „writing to learn“, ernst genug nimmt. Bleibt ihr Buch nicht letztlich doch dem „learning to write“ verhaftet? Für Lehrende, die sich erstmals mit der fachspezifischen Schreibdidaktik befassen, werden solche Erwägungen aber völlig unerheblich sein.

Sollte berufliche Orientierung einen Ort in der geschichtswissenschaftlichen Lehre haben? Bei aller nach wie vor vorhandenen Zurückhaltung wird kaum jemand diese Frage heute strikt verneinen. Doch noch immer gilt nach Mareike Menne, dass dieses Thema nur höchst selten „eine Herzensangelegenheit“ (S. 5) der geschichtswissenschaftlichen Fakultäten ist. Diesem Umstand mag es geschuldet sein, dass Menne eher eine Bestandsaufnahme bietet, als dass sie konkrete Vorschläge macht, wie berufliche Orientierung zu lehren sei. Eine etwaige Enttäuschung legt sich aber schnell, denn diese ‚Grundlagenforschung‘ bietet kluge Einsichten und erweist sich zudem als ‚Mythenkiller‘. Gleichsam nebenbei relativiert Menne die Bedeutung von Auslandserfahrung auf außeruniversitären Arbeitsmärkten und rät vom Wechsel ins Lehramt allein aufgrund der vermeintlich sichereren beruflichen Aussichten ab. Die Arbeitslosenstatistik stütze das nicht. Schließlich hält sie es für die vornehmste Pflicht einer berufsorientierten Lehre, den „Mythos der Perspektivlosigkeit“ (S. 25) eines geschichtswissenschaftlichen Studiums zu bekämpfen. Damit verknüpft ist eine große Herausforderung: Wie damit umgehen, dass ein hoher Prozentsatz der Absolventen ein Auskommen auf Arbeitsmärkten findet, die für universitäre Historiker eher ‚Neuland‘ sind? Mennes Anregungen sind pragmatisch, ohne sich im status quo zu erschöpfen. Sie rät unter anderem zum Austausch mit der regionalen Wirtschaft (und nicht allein mit den Institutionen der Geschichtskultur), zur Professionalisierung der in der beruflichen Orientierung tätigen Lehrenden, schließlich auch dazu, die Selbstständigkeit von Absolventen über eine Gründerkultur zu fördern.

Der Rezensent hat nur einen Vorschlag: Wäre es nicht angemessener, von Berufen für Absolventen geschichtswissenschaftlicher Studiengänge zu sprechen – anstatt von Berufen für Historiker bzw. Tätigkeitsfeldern von Historikern? Nicht jeder Geschichtsstudierende sieht sich als künftigen Historiker, wie viele Studienfachberater werden bestätigen können.

Damit ist der Bogen zum fünften Band geschlagen. Freia Anders widmet sich der „Studienfachberatung im Fach Geschichte“ – ebenfalls häufig ein randständiges Thema an den historischen Fakultäten. Auch dieses Buch ist kein „How-to“-Leitfaden, vielmehr steht – wie schon beim Thema berufliche Orientierung – die ‚Inventur‘ im Zentrum des Interesses. Freia Anders skizziert zunächst die politischen, rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen fachlicher Beratung in der Geschichtswissenschaft und wendet sich dann möglichen Themen der Beratungspraxis zu. Obgleich Fachberatung zu den Pflichtaufgaben der Hochschulen zählt, fallen die dafür bereitgestellten Ressourcen je nach Institution höchst unterschiedlich aus. Noch immer gibt es Einrichtungen, die sich der ‚Professionalisierung‘ hartnäckig verweigern und nach der Maxime „Jeder Lehrende zugleich ein Berater“ verfahren. Doch selbst wenn die Studienfachberatung als eigenständiger Service existiert, sitzt sie manches Mal gleichsam zwischen den Stühlen – an den Instituten nicht immer geschätzt, von den Zentralen Studienberatungen gelegentlich skeptisch beäugt. Freia Anders will gleichwohl kein Klagelied anstimmen, es geht ihr um einen nüchternen Blick auf die Realitäten und um pragmatische Lösungen. So schlägt sie vor, die Studienfachberaterinnen sollten „sich an der Entwicklung sinnvoller Qualitätskriterien […] beteiligen, die eigenen Kompetenzen […] reflektieren“ und für die „strukturelle Verankerung und Wertschätzung von Beratung“ (S. 46) streiten. Schließlich: Selbst wenn sich Anders dazu nicht explizit äußert, so lässt sie für den aufmerksamen Leser doch erkennen, dass sie einem ‚parteilichen‘, d.h., zugunsten der Studierenden agierenden Konzept von Studienfachberatung zuneigt. Das ist in der Fachberatung umstrittener als in der Zentralen Studienberatung, aber nach Ansicht des Rezensenten sollte man etwaigen Konflikten nicht ausweichen: Die Niedrigschwelligkeit der Fachberatung hängt nicht zuletzt an diesem Aspekt.

Was ist aus der anfänglichen Skepsis gegenüber der Reihe geworden? Um mit dem Positiven zu beginnen: Überzeugen kann die ausgeprägte Praxisorientierung der fünf Bände. Neben Impulsen für einzelne Seminarelemente sowie Ideen für die Gestaltung von kompletten Sitzungen finden sich Konzepte und Entwürfe für ganze Lehrveranstaltungen. Ergänzt wird das durch methodisch-theoretische Reflexionen und Bestandsaufnahmen, die jedoch stets den Anwendungsbezug wahren. Für Dozenten mit wenig Erfahrung in der universitären Lehre ist das fraglos ein Gewinn. Überzeugen kann auch der breite Ansatz, der Studienfachberatung und berufliche Orientierung mit einbezieht. Die Herausforderung, komplexe Themen auf wenig mehr als 40 Seiten Text zu behandeln, bewältigen die Autorinnen und Autoren sehr gut. So gilt: Junge Lehrende der Geschichtswissenschaft sind nicht mehr nur auf Nachahmung verwiesen, vielmehr können sie sich in ihrem fachdidaktischen Conceptual Change durch die Bände der Reihe inspirieren und unterstützen lassen.

Zu kritisieren ist die Preisgestaltung. Zwar sind 9,80 € pro Band auch für das schmale Portemonnaie erschwinglich; angesichts des Umfangs ist das aber kein geringer Preis; wer alle hier besprochenen Bände erwirbt, zahlt knapp 50 €. Schließlich, auch wenn das im Rahmen einer solchen Reihe kaum je zu gewährleisten ist: Wünschenswert wäre eine deutlichere Abstimmung der Themen untereinander gewesen. Letztlich stehen einige der Bände recht unverbunden nebeneinander. Es bleibt den Lesern überlassen, sich darauf einen Reim zu machen und Bezüge herzustellen.

Anmerkung:
1 Vgl. hier nur zwei Beispiele zum wissenschaftlichen Schreiben: Swantje Lahm, Schreiben in der Lehre. Handwerkszeug für Lehrende, Opladen 2016; Friederike Neumann, Schreiben im Geschichtsstudium, Opladen 2018.

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