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Titel
Salus in manu feminae. Studien zur Herrschaftsteilhabe der Kaiserin Richenza (1087/89–1141)


Autor(en)
Conrad, Robert
Reihe
Historische Studien 512
Anzahl Seiten
651 S., zahlr. Abb.
Preis
€ 79,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Caspar Ehlers, Max Planck Institute for Legal History and Legal Theory Frankfurt am Main

In der Magdeburger Dissertation von 2016, die nun leicht überabeitet als umfangreiches Buch vorliegt, erfährt Kaiserin Richenza endlich die ihr gebührende Aufmerksamkeit, konzentrierte sich die Forschung doch zumeist auf ihren Mann, Kaiser Lothar III.

Robert Conrad gliedert seine über 600 Seiten starke Untersuchung, der eine Bearbeitungszeit von sechs Jahren (S. 5) zu Grunde liegt, nicht als Biographie, sondern beleuchtet das Leben und Wirken Richenzas aus unterschiedlichen, klar voneinander geschiedenen Perspektiven, was dem Buch sehr zugutekommt. Chronologisch aufgebaut ist selbstverständlich der ihrem Leben gewidmete Teil über Herkunft und Itinerar der Grafentochter, Herzogin, Königin und Kaiserin (S. 23–113). Dass sich dieses kaum von dem ihres Mannes unterscheidet, ist wenig überraschend und methodisch auch nicht auf tragbare Weise zu ändern (S. 110–113 mit einer instruktiven Karte).

Eng mit dem Itinerar sind die Interventionen Richenzas in den Urkunden Lothars III. verbunden. Mit Hilfe von Diagrammen zur zeitlichen und Karten zur räumlichen Verteilung sowie einer sorgfältigen Analyse der Interventionsformeln gelingt es Conrad, die Tiefenwirkung ihrer Herrschaftsbeteiligung zu ermitteln (S. 115–163). Ein eigener Diskurs ist dabei den Kontakten zur Kurie gewidmet (S. 154–161 mit zwei Tabellen der Diplome Lothars und der Rolle Richenzas). Insgesamt gesehen stellt Robert Conrad fest, dass die Königin/Kaiserin „die wichtigste Ansprechpartnerin für Bittsteller am Hof“ gewesen sei (S. 161) und dass anhand der verwendeten Titulaturen weniger ihre Position als Herrscherin als ihr Sein als Gemahlin und Verwandte zu beobachten sei (S. 162f.). Hier wird ein wichtiger „Anfangsverdacht“ zu den sozial-hierarchischen Systemen an Königshöfen deutlich erhärtet.

In einem umfangreichen sechsten Teil des Buches wird Richenzas „Herrschaftsteilhabe im Reich“ untersucht. Es geht um die Beteiligung an der Vergabe von Lehen (S. 165–193), an der Reichskirchenpolitik (S. 193–225), der schismatischen Papstwahl des Jahres 1130 (S. 225–243) und ihrer Rolle als Friedensstifterin (S. 243–268). Der anschließende Teil 7 widmet sich entsprechenden Funktionen in Reichsitalien (S. 269–324), der sich mit den „Herausforderungen der lotharischen Italienpolitik“ auseinandersetzt, Richenzas italische Verwandtschaft anspricht, die Mathildischen Güter sowie ihre Rolle bei Gerichtsverhandlungen und Auseinandersetzungen, etwa in Benevent und Montecassino.

Hiermit wäre vom Umfang des Werkes her gesehen die Hälfte erreicht und zugleich auch das Ableben Lothars III. Anfang Dezember 1137. Damit tritt auch die Untersuchung Conrads in neues Terrain, denn die bisherige „Rückversicherung“ durch die linearen Forschungen zu ihrem Gemahl, etwa von Wolfgang Petke, liegt nun zurück.

Zunächst weist Robert Conrad mit Recht darauf hin, dass vor Richenza nur zwei Herrscherinnen ihren Gemahl überlebten, Kunigunde und Mathilde, die Witwen Heinrichs II. beziehungsweise Heinrichs V., ohne dass jeweils männliche Erben die Dynastien der Ottonen und Salier (und in Bezug auf den vorliegenden Fall: die direkte familiäre Nachfolge Lothars III.) hätten sichern können. Richenzas Chance bestand allein in einem Herrschaftsübergang auf den Welfen Heinrich den Stolzen, ihren Schwiegersohn, in einer Phase des staufischen Vordrängens gegen ihren Mann seit dessen Herrschaftsantritt. So sei sie „von Anfang Partei und nicht (oder nicht nur) ordnende Hand“ gewesen (S. 328). Im Grunde ist der Ablauf der Ereignisse nach dem Tode Lothars III. im nordalpinen Reich bekannt, aber Robert Conrad versteht es, auch in diesem Abschnitt mittels tiefgreifender Analysen erhellende Lichter zu setzen, vor allem in Bezug auf Richenzas Handlungen in Sachsen gegen Albrecht den Bären und zugunsten Heinrichs des Löwen (Teil 8: „Die Kaiserinwitwe, Sachsen und das Reich“, S. 325–395).

Am 10. Juni 1141 starb Kaiserin Richenza, der Staufer Konrad III. amtierte seit dem Frühjahr 1138, Heinrich der Stolze hatte sich nicht durchsetzen können, wobei vermutlich intrigierendes Handeln einiger Reichsfürsten eine entscheidende Rolle gespielt hatte. Doch darum geht es hier nicht, vielmehr breitet Conrad nun anhand detaillierter Studien die Memoria Richenzas aus (Teil 9: „Memorialüberlieferung um Kaiserin Richenza“, S. 397–503). Dabei erörtert es dieses ehrwürdige Thema der Mediävistik nicht nur sachkundig anhand von 19 Orten (S. 401–470) sowie mit Hilfe der Königsurkunden (S. 470–475), der Memorialbilder (S. 475–486) und „Sonstige[r] Memorialzeugnisse“ (S. 486–495), sondern zeigt auch auf mehreren Karten die Memorialüberlieferung Richenzas und vergleicht diese mit derjenigen der Kaiserin Agnes1, Gemahlin Heinrichs III. (S. 500–503), was ihm die Grundlage für eine auch in diesem Teil gelungene Zusammenfassung (S. 496–499) liefert.

Im Gegensatz zu manch anderen vergleichbaren Arbeiten liefert Conrad kein Résumé seiner Ergebnisse auf wenigen Seiten, sondern nimmt sich den angemessen Raum von fast sieben Prozent Textanteil (Teil 10: „Ergebnisse“, S. 505–534), anhand derer auch diese Rezension abschließend bewertet werden soll.

„Richenza war die wichtigste Beraterin ihres Gemahls“, was sich aus ihren Interventionen in seinen Diplomen ablesen ließe (S. 505). Unterstützt wird dieser Befund durch die intensive Quellenlektüre Conrads, die Richenza auch anderenorts als teilnehmende Herrscherin und Integrationsfigur im weltlichen wie im kirchlichen Bereich erkennen lässt (S. 506–514). Besonders deutlich wird ihr Anspruch an der Teilhabe der Herrschaft nach dem Tode Lothars III., der nicht nur der Sicherung ihrer Memoria (S. 514f.), sondern auch der Untermauerung der Herrschaftsansprüche ihres Schwiegersohnes, mithin den Welfen, dienen sollte (S. 515–518). In einem Spannungsfeld reichsweiter Konflikte spielte sich ihr gesamtes Leben ab – erst in demjenigen mit den Saliern als Northeimerin (Enkelin Ottos von Northeim, des Gegners Heinrichs IV. in Sachsen) und seit etwa 1100 als Gemahlin Lothars von Süpplingenburg (des führenden Gegners Heinrichs V.), dann im staufisch-welfischen Kronstreit ab 1125.

Mit Bedacht nähert sich Conrad der Frage nach dem Selbstverständnis der Kaiserin. Er trägt wenige, aber aussagefähige Zeugnisse aus ihrem Umfeld zusammen und stellt sie in Bezug zu den Passagen aus den Urkunden, die der „Person Richenza“ am nächsten kommen dürften, die demnach von Güte und Milde geprägt gewesen sei, was ihre prominenten Parteigänger hervorheben (S. 518-528); wie das diejenigen gesehen haben, die weniger von diesen Tugenden profitiert haben, erfahren wir nicht.

Den Schatten Richenzas verlässt der strikt monographisch ausgerichtete Band erst, als Robert Conrad ganz am Ende und ein wenig versteckt der Frage nachgeht, was nun eigentlich das Besondere an der Herrschaftsteilhabe der Protagonistin gewesen sei. Er ordnet dies in einen Zusammenhang von „Niedergang der konsoritalen Herrschaftsteilhabe in spätsalisch-staufischer Zeit“ (S. 528–534) und Aufstieg der „konsensualen Herrschaft“ der Reichfürsten im Sinne Bernd Schneidmüllers ein. Einerseits hebt er die ottonischen Traditionen hervor, denen Lothar und Richenza zweifelsohne verpflichtet waren, andererseits will er bei den salischen Königinnen eine Geringschätzung durch ihre Gemahle erkennen. Eine ebenso detaillierte Untersuchung, etwa zu Kaiserin Bertha, dürfte meines Erachtens diesen Punkt ein wenig abschwächen. Die Gemahlinnen der Staufer, so Conrad weiter, hätten nie die Schlüsselfunktion einnehmen können, die Richenza innehatte, selbst wenn Friedrichs I. zweite Frau Beatrix zumindest in Burgund und Reichsitalien eine wichtige Rolle gespielt hätte. Auch hier wäre zu fragen, inwieweit dieser Befund zutreffend ist, immerhin scheint doch Konstanze von Sizilien († 1198), der Frau Kaiser Heinrichs VI., eine äußerst wichtige Funktion zugekommen zu sein, die über den Kontext von „Haus- und Erbgut“ (S. 533 Anm. 166) deutlich hinausgeht. Dass „das Königinnenamt nach dem Tode Gertruds im Jahr 1146 vakant“ blieb (S. 531), sei als Stilblüte verbucht. Folgt man hingegen der These von der Ablösung der Herrschaftsbeteiligung der Königinnen durch die erstarkenden Fürsten, dann wäre es lohnend, nach der Funktion von deren Gemahlinnen zu fragen. Vielleicht hat das Beispiel Richenzas, die ihren Weg an der Seite Lothars schon als Herzogin begonnen hatte, auch Vorbildcharakter gehabt, etwa für ihren Enkel Heinrich den Löwen und seine Frau Mathilde. Diese Möglichkeit wird von Conrad angedeutet, wenn er die Verwurzelung Richenzas und Lothars im sächsischen Kontext an vielen Stellen betont.

Den Anhang (S. 535 f.) bildet eine Edition des Briefes von Papst Anaklet II. an Königin Richenza aus dem Jahr 1130. Ein umfangreiches Quellen- (S. 543–556) und Literaturverzeichnis (S. 557–609) sowie ein Register (S. 611–651), das „Personen und Personengruppen, geographische Namen [...] sowie Sachverhalte und Gegenstände“ einschließt, erleichtert die Nutzung des beeindruckend gründlich angelegten Buches von Robert Conrad, das nicht nur enggeführt zur Person Richenzas viel zu sagen hat, dem man jedoch etwas mehr Mut zu eigenen Thesen gewünscht hätte. In jedem Falle verdient der Band die entsprechende Rezeption der Forschung zu dieser Phase der deutschen Geschichte zwischen Saliern und Staufern.

Anmerkung:
1 Vgl. Mechthild Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes (1043–1077). Quellenkritische Studien, Köln 1995.

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