M. Sághy u.a. (Hrsg.): Pagans and Christians in the Late Roman Empire

Cover
Titel
Pagans and Christians in the Late Roman Empire. New Evidence, New Approaches (4th–8th centuries)


Herausgeber
Sághy, Marianne; Schoolman, Edward M.
Reihe
CAU MEDIEVALIA 18
Erschienen
Anzahl Seiten
X, 371 S.
Preis
€ 35,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Scholl, Institut für Frühmittelalterforschung / Centrum für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Die Auseinandersetzung mit religiöser Pluralität steht seit langem im Fokus der Forschung zum Epochenübergang von der Spätantike ins frühe Mittelalter. Während ältere Darstellungen zumeist von der Vorstellung eines scharfen Gegensatzes zwischen „Christen“ und „Heiden“ geleitet wurden und sich demzufolge vorwiegend mit Konflikten zwischen beiden Gruppierungen beschäftigten, rücken neuere Arbeiten zunehmend von der Sichtweise ab, dass seit dem 4. Jahrhundert eine scharfe Dichotomie zwischen Christen und Heiden bestanden habe.1 Mit dem Verwischen der scheinbar klaren Grenzen zwischen beiden Gruppen geht auch eine Verschiebung der Forschungsgegenstände einher: So befassen sich viele neuere Arbeiten nicht mehr mit tatsächlichen oder vermeintlichen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Heiden, sondern vielmehr mit Fragen religiöser Identität oder mit friedlichen und kulturell fruchtbaren Austausch- bzw. Verflechtungsprozessen zwischen Angehörigen verschiedener Religionsgruppen in Spätantike und Frühmittelalter.

In diesen neueren Forschungskontext ist auch der vorliegende Sammelband einzuordnen, der aus einer international und interdisziplinär zusammengesetzten Tagung hervorgegangen ist, die im März 2013 an der Central European University Budapest in Kooperation mit der Universität von Pécs organisiert wurde. Dieser Tagung ging im Jahr 2012 ein internationales Kolloquium in Rom voraus, das sich mit den Beziehungen zwischen Christen und Heiden im Rom des 4. Jahrhunderts auseinandersetzte und aus dem ebenfalls ein Sammelband resultierte.2 Für den hier zu besprechenden Sammelband wurden also sowohl der geographische als auch der zeitliche Untersuchungsraum auf das Territorium des gesamten ehemaligen Römischen Reiches (zuzüglich Irland) zwischen dem 4. und 8. Jahrhundert ausgedehnt.

Neben einer Einleitung der Herausgeber umfasst der Band 19 Beiträge, die in die fünf Sektionen „Lives“, „Identities“, „Cults“, „Landscapes“ und „Tombs“ untergliedert sind. Im Folgenden werden einige Artikel aus jeder Sektion exemplarisch besprochen.

Der erste Beitrag des Buches von Maël Goarzin vergleicht zwei Viten miteinander, die des heidnischen Autors Porphyrios über seinen neuplatonischen Lehrer Plotin und Gregor von Nyssas Lebensbeschreibung seiner Schwester Makrina. Obwohl sich beide Darstellungen im Detail natürlich voneinander unterscheiden, ist ihnen gemein, dass sich ihre Protagonisten sowohl dem kontemplativen als auch dem aktiven Handeln in der Welt widmen. Darin zeigt sich, dass heidnisch-neuplatonische Philosophie und frühes Christentum im Wesentlichen dieselbe Auffassung eines idealen Lebens vertraten, das neben der Kontemplation dem Handeln im Diesseits einen großen Stellenwert beimaß. Von einer scharfen Trennlinie zwischen beiden Richtungen kann diesbezüglich folglich nicht die Rede sein. Linda Honey untersucht am Beispiel der Lebensbeschreibung Theklas von Ikonium, wie sich einzelne religiöse Gruppierungen (Christen, Heiden, Juden) im spätantiken Kleinasien begrifflich voneinander abgrenzten. Dabei stellt sie heraus, dass die drei Begriffe tatsächlich in den Quellen Verwendung fanden und gemeinhin akzeptiert wurden, es sich dabei also nicht um spätere Zuschreibungen seitens der Forschung handelt. Außerdem lassen die von ihr untersuchten Texte eine Toleranz der Christen gegenüber Angehörigen anderer Religionsgruppen erkennen.

Den Auftakt zur zweiten Sektion „Identities“ bildet der Artikel von Monika Pesthy Simon, in dem sie sich mit den literarischen Vorbildern christlicher Märtyrerberichte auseinandersetzt. Dabei kann sie zeigen, dass sich christliche Autoren nicht nur am Vorbild der Kreuzigung Jesu orientierten, sondern darüber hinaus auch an Beispielen aus der jüdischen oder antik-paganen Geschichte bzw. Mythologie. Levente Nagy befasst sich mit dem innerchristlichen Bereich und zeigt am Beispiel der beiden im späten 4. Jahrhundert entstandenen Passionsgeschichten des Serenus von Sirmium sowie des Pollio von Cibalae, wie sich die thematischen Schwerpunkte in solchen Geschichten verschoben: Nach dem Ende der großen Christenverfolgungen im frühen 4. Jahrhundert stellten Passionsgeschichten nicht mehr wie zuvor allein das Martyrium ihrer Protagonisten in den Vordergrund, sondern priesen in mindestens ebensolchem Maße deren (vermeintlich) asketisch-mönchische Lebensweise. Wohl unter dem Einfluss der „asketischen Revolution“ (S. 97), die in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts den lateinischen Westen erreichte, projizierten die Verfasser der beiden oben genannten Passiones mönchisch-asketische Ideale auf die im frühen 4. Jahrhundert hingerichteten Märtyrer Serenus und Pollio zurück.

Der folgende Abschnitt des Bandes thematisiert christliche und verschiedene pagane Kulte, obgleich eine klare Trennung zwischen beiden zumeist schier unmöglich ist. Dies zeigt sich eindrucksvoll im Beitrag von Branka Migotti, die auf der Grundlage archäologischer Untersuchungen in Aqua Iasae im heutigen Kroatien die These vertritt, dass in der dortigen Kultstätte zur Zeit Konstantins des Großen zeitgleich sowohl Sol Invictus als auch der christliche Gott verehrt wurden, wobei die Übergänge zwischen beiden Kulten fließend waren. Miriam Adan Jones nimmt die Praktiken römischer Missionare im angelsächsischen England in den Blick, die von Papst Gregor dem Großen dazu aufgefordert wurden, christliche Feiern bei den Angelsachsen mit dem Bau von Hütten (tabernacula) aus Zweigen zu kombinieren. Adan Jones zufolge war diese Anweisung Gregors vom jüdischen Laubhüttenfest beeinflusst; in dieser Instruktion komme folglich die Auffassung Gregors zum Ausdruck, dass die Angelsachsen in Etappen an das Christentum herangeführt werden müssten, ebenso wie sich Gott zuvor nur schrittweise – und zuerst den Juden – offenbart habe. Als Zwischenschritt habe Gregor folglich den Einbau jüdischer Kultpraktiken für nötig befunden, was im angelsächsischen England zu einem zeitweisen Verschmelzen paganer, jüdischer und christlicher Praktiken geführt habe.

Als Beispiel aus der vierten Sektion „Landscapes“ sei hier auf den Beitrag von Hristo Preshlenov eingegangen, der die archäologische Sichtbarkeit des Christentums an der Südwestküste des Schwarzen Meeres behandelt. Während aus den ersten drei nachchristlichen Jahrhunderten kaum archäologische Zeugnisse des Christentums zu finden sind, steigt die Zahl archäologisch nachweisbarer Kirchen seit dem 4. Jahrhundert kontinuierlich an. Wie in zahlreichen anderen Fällen, wurden auch im nördlichen Kleinasien häufig vormals pagane Kultstätten in christliche Kirchen umgewandelt; seit dem 5. Jahrhundert sind überdies auch Überreste von Kirchen, die ex nihilo errichtet wurden, nachzuweisen. Bis ins 6./7. Jahrhundert hinein lassen sich jedoch auch Stätten und Objekte paganer Kulte finden, sodass von einer lange währenden Koexistenz von Christen und Heiden an der südwestlichen Schwarzmeerküste ausgegangen werden kann.

Der letzte, dem Thema Grabstätten („tombs“) gewidmete Teil des Bandes wird von Ivan Basić eröffnet, der sich mit der Umwandlung des Diokletian-Mausoleums in eine christliche Kirche befasst. In Abgrenzung zur älteren Forschung kann Basić überzeugend die lange vorherrschende Meinung revidieren, dass die Transformation in einem einmaligen, schnellen und triumphal inszenierten Akt erfolgt sei. Vielmehr gingen die Entfernung paganer Inhalte sowie die sukzessive Umwidmung zunächst in eine einfache Kirche und später in eine Kathedrale in mehreren Schritten vonstatten, die sich über mehrere Jahrhunderte erstreckten. Ähnliches gilt für Friedhöfe, die ebenfalls zumeist im Laufe eines langen Prozesses – und nicht in einem einmaligen Akt – umgewandelt wurden. Dies zeigt Zsolt Visy am Beispiel der Grabstätte von Sopianae/Pécs, die zunächst von Christen und Heiden zusammen genutzt wurde, bevor dort ausschließlich christliche Bestattungen erfolgten.

Inhaltlich ist der Sammelband kaum zu beanstanden, da sich sämtliche Beiträge auf der Grundlage neuester Forschungsergebnisse unterschiedlichen Aspekten des Zusammenlebens zwischen verschiedenen religiösen Gruppen in Spätantike und Frühmittelalter widmen. Er fügt sich somit ein in die eingangs genannte Reihe von Darstellungen, die die religiöse Pluralität am Übergang von der Antike ins Mittelalter betonen. Es sind insbesondere Arbeiten osteuropäischer ForscherInnen, die hier in englischer Sprache einem größeren wissenschaftlichen Publikum präsentiert werden. Anlass für Kritik bietet mitunter lediglich die redaktionelle Bearbeitung des Bandes: So finden sich beispielsweise mehrere einfache Fehler im Englischen (zum Beispiel S. 2: „Empire-wise“ statt „Empire-wide“; S. 5: „had receding“ statt „had been receding“; S. 13: „perfectioon“ statt „perfection“ etc.), die durch einen sorgfältigen Korrekturdurchgang sicherlich hätten behoben werden können. Dass es in der Einleitung heißt, der Band werde durch den Beitrag von Linda Honey eröffnet (S. 3), ist ebenfalls unglücklich, da es tatsächlich der Artikel von Maël Goarzin ist, der den Auftakt bildet. Solche Dinge sollten nicht passieren, stören den positiven Gesamteindruck des Bandes jedoch nicht.

Anmerkungen:
1 Grundlegend beigetragen zur Überwindung dieser dichotomen Vorstellung hat unter anderem Alan Cameron, The last Pagans of Rome, Oxford 2011.
2 Michele R. Salzman / Marianne Sághy / Rita L. Testa (Hrsg.), Pagans and Christians in Late Antique Rome. Conflict, Competition, and Coexistence in the Fourth Century, New York 2015.

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