C. Davenport: A History of the Roman Equestrian Order

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Titel
A History of the Roman Equestrian Order.


Autor(en)
Davenport, Caillan
Erschienen
Anzahl Seiten
XXV, 717 S.
Preis
£ 130,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthäus Heil, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin

Gelegentlich hat ein Rezensent das Vergnügen, ein Buch vorzustellen, das zu einem Meilenstein in der Forschung werden dürfte. Caillan Davenports Geschichte des römischen Ritterstands ist wohl solch ein Fall. Die Bedeutung des Themas ist offensichtlich: Der equester ordo war – zumindest in der späten Republik und in der Kaiserzeit – einer der konstituierenden Teile des römischen Gemeinwesens. Aber bislang gab es hierzu nur eine einzige Gesamtdarstellung: ein Buch von Arthur Stein aus dem Jahre 1927, das sich jedoch allzu sehr in prosopographischen Details verliert.1 Davenport leistet weit mehr als die längst überfällige Neubearbeitung: Er erzählt tatsächlich die Geschichte eines sozialen Standes über mehrere Jahrhunderte hinweg. Dabei ist sein Werk solide fundiert, wohlproportioniert und überdies auch für den Nichtspezialisten gut lesbar. Trotz aller anschaulichen Details verliert er nicht den roten Faden. Er präsentiert seinen Gegenstand auf eher konventionelle Art als chronologisch voranschreitende Erörterung mit vielen erzählenden Partien – ohne penetrantes Theoretisieren unter Rückgriff auf die allbekannten Meisterdenker.2 Doch behält er in unaufgeregter Weise eine kulturvergleichende Perspektive im Auge und weiß um die Bedeutung von Ritualen und symbolischer Kommunikation.

Als seinen Gegenstand versteht Davenport nicht einfach die diffuse Menge wohlhabender Nicht-Senatoren, sondern den equester ordo, soweit er als kohärente und klar abgrenzbare Gruppe in Erscheinung tritt. Formiert hat sich diese erst bemerkenswert spät, nämlich in der Zeit der ausgehenden Republik (wobei allerdings eine Kontinuität zu den Reitern des frühen Roms fingiert wurde). In der Kaiserzeit spielte der equester ordo eine zentrale Rolle, löste sich aber etwa seit der Zeit Constantins (306–337 n.Chr.) sehr rasch als Gruppe auf. Daraus ergeben sich folgerichtig die zeitlichen Grenzen und Schwerpunkte des Buches: Ein Hauptteil mit drei Kapiteln behandelt die Republik, zwei Hauptteile mit insgesamt sieben Kapiteln die Kaiserzeit und ein letzter Teil mit zwei Kapiteln die beginnende Spätantike.

Im einzelnen geht Davenport folgendermaßen vor: Nach einem kurzen Blick auf die Frühzeit (Kapitel 1) verfolgt er zunächst, wie sich seit der Gracchen-Zeit eine abgrenzbare soziale Körperschaft reicher Nicht-Senatoren formierte, die sich mit der Mehrung ihres Besitzes beschäftigte, aber bis in die Zeit Ciceros jenseits der Wahrung ihrer Interessen nicht unmittelbar in die große Politik eingriff (Kapitel 2–3). Dies änderte sich in der Kaiserzeit – Davenport nennt die Staatsform konsequent eine ‚monarchische res publica‘. Denn es lag nun in der Hand des Kaisers, wer den Status eines eques Romanus erhielt, und den Herrschern gelang es, mit dem Ritterstand die niedere Aristokratie an ihre eigene Person zu binden. Zugleich wurden im Laufe der Zeit die wohlhabenden städtischen Eliten fast des gesamten Reiches in den Ritterstand aufgenommen – ein Punkt, den man vielleicht noch stärker hätte herausarbeiten können. Davenport beginnt diesen Hauptteil mit einem Kapitel über die Änderungen in der augusteischen Zeit (Kapitel 4) und charakterisiert die neuen Rahmenbedingungen (Kapitel 5). Sodann zeigt er eingehend, wie die Kaiser von Augustus an immer mehr Angehörige des equester ordo für Aufgaben in Heer und Administration heranzogen (Kapitel 6–7). Diese Männer blieben allerdings eine herausgehobene Minderheit ihres Standes, und für ihre Karrieren bildete sich so etwas wie ein ritterlicher cursus honorum heraus. Parallel dazu stellt er vor Augen, wie der equester ordo besonders in der Stadt Rom bei der jährlichen Ritterparade und anderen öffentlichen Zeremonien als wichtiger Teil des Gemeinwesens in Erscheinung trat (Kapitel 8–10), was dem Stand Profil und Identität vermittelte, also die Kohäsion stärkte und der Auflösung in uferloser Unbestimmtheit entgegenwirkte. Im letzten Teil zeichnet Davenport dann nach, wie sich der equester ordo in der Krise des 3. Jahrhunderts durch den Aufstieg von Berufssoldaten stark veränderte (Kapitel 11) und wie dann die allermeisten ritterlichen Ehren rasch an Bedeutung verloren, seit Constantin fast allen wichtigen Personen im Reich den Senatoren-Rang verlieh (Kapitel 12). Der einst so hochstehende Ritterstand starb eines stillen Todes.

Man hätte sich wünschen können, dass das Thema etwas weiter gefasst und die Geschichte des equester ordo noch stärker in die Entwicklung der gesamten römischen Gesellschaft eingebettet wird. Denn auf weite Strecken ist sein Schicksal nur vor der Folie der Geschichte des Senats zu verstehen. Aber dafür – und für alle sonstigen Wünsche, die man formulieren kann – hätte der ohnehin große Umfang des Werkes noch beträchtlich erweitert werden müssen. Unter pragmatischen Gesichtspunkten ist die Beschränkung nachvollziehbar, zumal auch hier das bekannte Diktum gilt: The better is the enemy of the good.

Es ist keine Kritik zu vermerken, dass Davenport in großem Maß aus der vorliegenden Forschung gearbeitet hat (seine eigenen Publikationen konzentrieren sich auf das 3. Jahrhundert n.Chr.) und dass er in seinem Buch nur wenige neue Ideen und eigene Thesen entwickelt. Seine Leistung liegt in einer gut nachvollziehbaren Synthese dessen, was bisher weit verstreut publiziert war. Dabei schreibt er aus der vollen Kenntnis der Forschung; nur die Beiträge der letzten Jahre sind nicht mehr ganz systematisch erfasst. Nicht mehr selbstverständlich für eine englischsprachige Publikation ist es auch, dass die internationale Fachliteratur in großem Maß berücksichtigt wird. Bei diesem Thema war das allerdings unausweichlich, da ein Großteil der grundlegenden Publikationen in anderen Sprachen erschienen ist: Genannt seien nur die Arbeiten von Pflaum, Nicolet, Devijver, Demougin und Eck.3 Von den noch andauernden Diskussionen ist allerdings bei Davenport weniger zu hören und an Forschungskontroversen scheint er kein rechtes Interesse zu haben; sie werden eher heruntergespielt und die verschiedenen Meinungen harmonisiert. Offensichtlich ging es ihm vor allem darum, einem allgemeinen Publikum ein kohärentes Bild der Sache selbst vor Augen zu stellen, nicht um einen scharf konturierten Forschungsbericht. Dass dabei manches vielleicht zu glatt erscheint, muss man in Kauf nehmen.

Überhaupt legt Davenport sehr viel Wert auf Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit: Jedes Kapitel beginnt er mit einem exemplarischen Fall, von dem aus er dann die allgemeinen Aussagen entwickelt. Auch sonst flicht er viele Beispiele ein, und vor allem führt er immer wieder die Quellen an (mit Übersetzung im Text und dem Original in den Fußnoten). Außer der antiken Literatur und vielen Inschriften berücksichtigt er auch die archäologischen Monumente, und zwar mehr als es in der Fachliteratur üblich ist. Hier wird jeweils auch eine Abbildung beigegeben, sodass man sehr leicht folgen kann. Die leichte Zugänglichkeit geht hier aber nicht auf Kosten der Qualität.

Ein solches Buch, eine fundierte und gut lesbare Darstellung eines großen Gegenstandes schreibt sich nicht rasch nebenher. Davenport hat über zehn Jahre an seinem Werk gearbeitet, zusammen mit den Vorstudien sogar noch erheblich länger. Aber die Mühe hat sich gelohnt. Wahrscheinlich wird man den Band noch zur Hand nehmen, wenn Anderes, schneller Produziertes längst in den Magazinen verschwunden ist.

Kein Lob verdient indes der Verlag. Er hat das Buch trotz des hohen Preises mit einem Drucksatz erscheinen lassen, der oft störend große Wortabstände enthält, besonders an den Absatzenden. Eigentlich hätte es der Verfasser verdient, dass sein Buch ohne Satzfehler ausgeliefert wird.

Anmerkungen:
1 Arthur Stein, Der römische Ritterstand. Ein Beitrag zur Sozial- und Personengeschichte des römischen Reiches, München 1927. Der Autor bereitete damals zusammen mit Edmund Groag die zweite Auflage der Prosopographia Imperii Romani vor und bearbeitete dort vor allem die Artikel zu den Rittern. Der Zusammenhang ist evident.
2 Eine Ausnahme bilden einige begriffliche Anleihen bei Max Weber, die vielleicht noch hätten präzisiert werden können.
3 Hans-Georg Pflaum, Les procurateurs équestres sous le haut-empire romaine, Paris 1950; Les carrières procuratoriennes équestres sous le Haut-Empire romain, Paris 1960–1982; Claude Nicolet, L’ordre équestre à l’époque républicaine, Paris 1966–1974; Hubert Devijver, Prosopographia militiarum equestrium quae fuerunt ab Augusto ad Gallienum, Leuven 1976–2001; Ségolène Demougin, L’ordre équestre sous les Julio-Claudiens, Rome 1988; Prosopographie des chevaliers romains julio-claudiens (43 av. JC – 70 ap. JC), Rome 1992; bei Werner Eck wären Dutzende von Einzelstudien zu nennen. Aus unbekannten Gründen wird die Prosopographia Imperii Romani (1933–2015) an keiner Stelle zitiert, obwohl sie einschlägig wäre und inzwischen auch komplett vorliegt.

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