1969 bezeichnete Martin Broszat die Organisation Todt (OT) als „eine der bedeutendsten Sonderorganisationen des Hitler-Staates“.1 Gegründet 1938 von Fritz Todt als Leitstelle für den Bau des Westwalls gegen Frankreich mauserte sich die Organisation während des Weltkrieges rasch zur Hauptinstitution, die im Auftrag der Wehrmacht Infrastruktur und Militäranlagen im besetzten Europa reparierte, ausbaute bzw. errichtete. Für die OT arbeiteten tausende deutsche und andere Unternehmen mit mehr als 1,5 Millionen Menschen, darunter viele Zwangsarbeiter.
Die Autoren beider hier zu besprechenden Bücher unterstreichen die Bedeutung der Erforschung der OT. Sie reicht weit über Technik- und Militärgeschichte hinaus, denn sie umfasst die ökonomische Ausbeutung besetzter Länder, die Vielfalt von Zwangsarbeitsformen, die oft harschen Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten, die Frage nach dem Diktat von Politik gegenüber der Freiheit der Wirtschaft, sowie Kollaboration, Kooperation und Widerstand, kurz die komplexe Geschichte des vom NS-Staat besetzten Europa. Dessen ungeachtet hat jedoch die Geschichtswissenschaft die Organisation Todt bisher kaum tiefergehend untersucht. Quellenmangel infolge des 1943 ausgebombten OT-Hauptquartieres in Berlin kann nicht als ausreichende Erklärung herhalten, wie beide Bücher hier mit der Nutzung vieler Regionalquellen und einiger Firmenarchive beweisen. Vielmehr lag das bisherige Hauptproblem wohl darin, dass die Geschichte der OT am Schnittpunkt mehrerer Forschungsfelder angesiedelt ist: der Zwangsarbeits-, der Okkupations- und der Unternehmensgeschichte, die alle in den letzten Dekaden zwar intensiver als je zuvor, aber separat voneinander untersucht wurden. Wie oft in der Geschichtswissenschaft schlagen Doktorarbeiten neue Schneisen in die Forschungslandschaft. Die hier zu besprechenden Bücher gehen beide auf Dissertationen zurück, interessanterweise jedoch nicht an deutschen Hochschulen. Während Lemmes' Verteidigung bereits 2009 am Europäischen Hochschulinstitut Florenz stattfand, das Buch nach Überarbeitung aber erst jetzt vorliegt, erhielt Gogl seinen Doktortitel 2019 in Norwegen.
Lemmes will mit seiner Arbeit die Ausbeutung der Wirtschaft und des Arbeitskräftepotentials im vom NS-Staat besetzten Europa am Beispiel der Organisation Todt in Frankreich (1940–1944) und Italien (1943–1945) untersuchen. Er möchte damit einen Beitrag zu drei Forschungsfeldern leisten, der vergleichenden Okkupationsforschung, der Gesellschaftsgeschichte Frankreichs und Italiens sowie der Geschichte der Arbeit im Nationalsozialismus (S. 15f.). Es geht ihm nicht um eine OT-Gesamtdarstellung, sondern darum, Arbeitsbeziehungen, Ausbeutung sowie das Verhältnis von Staat und Unternehmen zu durchleuchten.
Das Buch beginnt mit einer detaillierten Analyse der Geschichte und Entwicklung der Organisation Todt. Fragen nach Steuerung und Zwang wie nach den Handlungsspielräumen und -strategien der Akteure stehen dabei im Vordergrund (S. 18). Dann analysiert der Autor in zwei Parallelsträngen die OT-Unternehmungen in den zwei besetzten Ländern. Die Besatzungsgeschichte verlief sehr unterschiedlich. Seit der deutschen Invasion 1940 sah sich Frankreich zu drei Fünfteln unter direkter deutscher Militärverwaltung, der Rest unter der kooperierenden Vichy-Regierung. Als früherer Partner wurde Italien erst nach der alliierten Landung im Herbst 1943 zu zwei Dritteln besetzt.
Ein Wirtschaftsraum für ganz Europa stellte ein Ziel des NS dar – trotzdem gab es wohl keine zentrale Planung für die Ausbeutung des Kontinents. Die Praxis gestaltete sich aber ähnlich: Auferlegung hoher Besatzungskosten, Ausbeutung von Ressourcen, Wirtschaftsausrichtung auf Kriegsproduktion und Ausnutzung des Arbeitskräftereservoirs besonders ab 1942. Bei OT-Bauten arbeiteten in Frankreich etwa 600.000 Menschen, in Italien ca. 300.000–400.000, fast ausschließlich Männer. Die OT-Zentrale gab Richtlinien für die Bauprojekte vor, die regionalen OT-Einsatzgruppen übernahmen die operative Planung und übertrugen die Ausführung den Bauleitungen. Geld war für die OT kein Problem, denn Frankreich und Italien finanzierten die Bauten fast vollständig aus den ihnen auferlegten Besatzungskosten, daher lagen die Löhne generell über dem Branchendurchschnitt.
Als im Herbst 1940 Hitler anwies, U-Boote durch Bunkerbau im okkupierten Westeuropa zu schützen, reichten die Kapazitäten der deutschen Firmen nicht, daher wurden bald auch französische und andere Unternehmen in Form von Arbeitsgemeinschaften beschäftigt. Seit Frühjahr 1942 dominierten die Planung und Arbeit am Atlantikwall, dem größten Bauvorhaben zur Befestigung der Westküste Frankreichs. Nach der alliierten Invasion im Juni 1944 stellte die OT diese Arbeiten zugunsten von Verteidigungsstellungen und Infrastrukturreparaturen ein. In Italien handelte es sich nach der deutschen Invasion hauptsächlich um militärische Bauprojekte, die Befestigung der Küstenlinie und der Voralpenstellung sowie den Bauxitabbau. Bei der Realisierung solcher Großprojekte zeigte sich die OT, laut Lemmes, als ein selbstständiger Akteur in der Besatzungsgesellschaft (S. 678).
Obwohl Lemmes' Buch „Arbeiten in Hitlers Europa“ betitelt ist, nimmt Arbeit keinen großen Raum ein. Der Autor diskutiert zwar in der Einleitung und im Text, wie frei bzw. unfrei die OT-Arbeitsverhältnisse in Frankreich und Italien waren, und unterstreicht, dass sinkende Arbeitslosigkeit und totaler Krieg sich auf den Status und Freiraum der Arbeiter auswirkten. Da er sich aber auf die Unternehmen in beiden Ländern konzentriert, wird die Einsatzpolitik und -praxis nicht wirklich analysiert und die Zwangsarbeit von Juden und anderen Gruppen nur angesprochen. Möglicherweise ist das seinen Quellen geschuldet, die mehrheitlich aus der deutschen Militärverwaltung sowie aus Unternehmens- und Regionalarchiven stammen.
Das Buch handelt also vorrangig vom Verwalten der Arbeit im besetzten Europa. Daher spielen Lohn-, Arbeits- und Sozialpolitik der Okkupationsverwaltung, der OT und der besetzten Länder eine Rolle. Anfänglich zogen hohe OT-Löhne Freiwillige in Frankreich an, darunter viele Ausländer, 55 Prozent im Mai 1941. Der rasche Rückgang der Arbeitslosigkeit durch massive deutsche Aufträge für die französische Industrie führte zu ersten Zwangsmaßnahmen im Februar 1941. Die im Oktober 1940 reformierten Arbeitsämter drohten nun den Entzug der Arbeitslosenunterstützung bei Ablehnung von Arbeitsangeboten an. Nachdem Lohnsenkungen Mitte 1941 die Arbeit für die OT noch weniger attraktiv machten, kam es 1942 zur Einführung der Dienstpflicht und 1943 der Zwangspflicht. Arbeiter hatten nun oft nur die Wahl zwischen Zwangsarbeit für Vichy oder der OT. Letztere rekrutierte mit Hilfe der Vichy-Regierung Ausländer in Internierungslagern im Süden, z.B. 11.000 „Rotspanier“. Zwischen 1942 und 1944 kamen 3.000 belgische Juden in OT-Lager in Frankreich, außerdem 20.000 Polen sowie tausende Niederländer, Sowjetbürger und deutsch-jüdische „Mischlinge“. Seit Sommer 1943 verhandelten NS-Staat und Vichy-Regierung, in Frankreich lebende Juden als Zwangsarbeiter einzusetzen (S. 309). Vichy fand sich bereit, allen ab 1927 eingebürgerten Juden die Staatsangehörigkeit abzuerkennen und jene zusammen mit ausländischen Juden an die OT als Zwangsarbeiter auszuliefern. In der Folge kamen 10.000 Juden bei der OT als geschlossene Verbände zum Einsatz. Gleichzeitig wurden wegen zunehmender Zerstörungen Arbeitskräfte aus Frankreich nach Deutschland gebracht. Aus Furcht vor Verschickung verweigerten sich manche der im Februar 1944 auf Männer von 16 bis 60 Jahren und Frauen von 18 bis 45 Jahren ausgeweiteten Dienstpflicht. Nun fanden auch mehr Razzien statt.
In Italien existierte seit 1940 eine Dienstpflicht. Obwohl seit 1942 Freiheiten weiter eingeschränkt wurden, um Industriearbeiter zu mobilisieren, setzte Italien die Dienstpflicht nie konsequent um. Nach der Besetzung 1943 trat die Freiwilligenwerbung hinter andere Rekrutierungsformen zurück. Italien schuf sich eine eigene Organisation „Paladino“, die Wehrpflichtige und Freiwillige für Baumaßnahmen erfasste. Die OT profitierte von Freiwilligen, die der Deportation nach Deutschland und der Wehrpflicht entgehen wollten. Kommunen nutzten oft befristete Dienstverpflichtungen für lokale OT-Arbeiten. Gleichzeitig kam es auch zu „Sklavenjagden“ sowie Verhaftungen bei Aktionen gegen Partisanen.
Die Kapitel 8 bis 10 widmet Lemmes den Arbeits- und Lebensbedingungen. Er behauptet im Schlusskapitel, „nicht nur sozial- und wirtschaftsgeschichtlich, sondern auch alltags- und erfahrungsgeschichtlich sind die Bauvorhaben der OT in den besetzten Gebieten höchst relevant“ (S. 663). Das kommt leider im Buch zu kurz. Jene Kapitel offerieren eine extensive Diskussion der Lohnpolitik, aber wenig zu den Erfahrungen der Arbeiter, die sich in den hauptsächlich zitierten Verwaltungsdokumenten kaum widerspiegeln. Interviews und Erinnerungen hätten hier mehr Material geliefert. Klagen über schlechtes Essen, Massenunterkünfte, Ungeziefer, ungenügende Sanitäranlagen, Kleidermangel, Erschöpfung und Schikanen werden so lediglich am Rande erwähnt (S. 443). Solche Bedingungen führten zum Anstieg von Krankheiten und Seuchen. Im Herbst 1943 kam es deshalb wie anderswo unter der NS-Herrschaft zu Nahrungsmittelverbesserungen für Zwangsarbeiter. All das bleibt allerdings kurz und oft abstrakt. Wenn einmal direkt die Arbeitsbedingungen aus der Perspektive der Arbeiter angesprochen werden, dann bringt Lemmes ein langes Zitat in Französisch, das nicht übersetzt wird (S. 521f.), ähnlich im Abschnitt zu Italien (S. 557). Dem jeweils sprachunkundigen Leser bleiben so wichtige Informationen verschlossen.
Lemmes unterstreicht, dass Freiwilligkeit und Zwang sich in der Realität sehr komplex gestalteten. Zwar konnten Italiener und Franzosen zumindest bis 1943 kündigen, doch die Bedingungen der bewachten Lagerunterbringung machte sie de facto zu Zwangsarbeitern. Der Autor spricht von Geld- und Essensentzug bzw. Gefängnis und Todesstrafe als Strafen für Arbeitsplatzflucht. Die OT unterhielt seit Oktober 1943 eigene Straflager. Hinsichtlich des Einsatzes von jüdischen Arbeitskräften betont der Autor, dass ökonomische Rationalität und Vernichtungswille keinen Gegensatz bildeten, sondern sich gegenseitig ergänzten (S. 104f.).
Im Kapitel zum Verhältnis der OT und der Privatwirtschaft stützt sich Lemmes vor allem auf Material aus Frankreich. Anstelle von Befehlen kamen, so der Autor, die Bauaufträge und -ausführungen im Ergebnis von Verhandlungen zustande. Die Interessen der OT und der Firmen gestalteten sich weitgehend kompatibel. Erst im Zuge des für Deutschland negativen Kriegsverlaufs entstanden mehr Konflikte und Interessendivergenzen. Alle wichtigen deutschen Bauunternehmen führten OT-Aufträge in Frankreich aus, u.a. Philipp Holzmann, Hochtief, Julius Berger, Polensky & Zöllner, Siemens Bauunion, Wayss & Freitag, Dyckerhoff & Widmann sowie Grün & Bilfinger. 50 Prozent der deutschen Aufträge gingen an über tausend französische Firmen. Die Besatzungsmacht agierte mit Restriktionen und Anreizen. Wachsender deutscher Druck verkleinerte allerdings zunehmend die Spielräume und provozierte mehr Widerstand. In Italien arbeiteten hingegen vorwiegend italienische Bauunternehmen für die deutsche Besatzung. Lemmes stellt heraus, dass entgegen früheren Annahmen Interessenkonflikte und Konkurrenz nicht zwangsläufig zu Ineffizienz führten (S. 679–681). Dies sind allerdings keineswegs neue Erkenntnisse. Die „Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus“ haben solche Thesen schon vor 15 Jahren auf breiter Grundlage diskutiert.2
Lemmes' oft kluge, kritische und multiperspektivische Darstellung ist letztendlich doch sehr von einer Top-down-Sicht geprägt, obwohl er viele lokale und regionale Quellen analysiert. Lemmes nutzt Tabellen und Karten, um dem Leser seine Argumente zu veranschaulichen. Seine Studie hätte jedoch mehr editorischen Kürzungsmutes bedurft. Sie ist mit detaillierten Erklärungen und historiographischen Abhandlungen überfrachtet. 15 Seiten zum Vergleich als historischem Instrument sind ehrenvoll für eine Dissertation, aber nicht notwendig für die Buchveröffentlichung. Allein die organisatorische Einleitung umfasst fast 200 Seiten. Zusätzlich erschweren unzählige Unterkapitel und viele Wiederholungen von Fragen, Fakten und Erklärungen den Lesefluss.
Im zweiten hier zu besprechenden Buch untersucht Simon Gogl die Geschichte der Beziehungen der Organisation Todt mit Baufirmen am Beispiel der Einsatzgruppe Wiking in Norwegen. Er diskutiert drei Hauptfragen: Was war die OT? Hatten private Firmen Spielraum, wenn sie für die OT Bauaufträge ausführten? Wie operierte die OT in Norwegen? Um die OT zu erklären, beschreibt er Struktur und Geschichte der Bauwirtschaft sowie die Entwicklung von Preisen, Löhnen und Arbeitsbeschaffungsprogrammen in Deutschland vor und nach 1933. Vieles ähnelt hier der Arbeit von Lemmes. Die Bauwirtschaft stellte im Juni 1938 mit zehn Prozent den größten Industriesektor in Deutschland. Mit der Beendigung der Westwallbauten ließ 1940 die Nachfrage in Deutschland deutlich nach, was mehr Druck auf die deutschen Firmen erzeugte, in den besetzten Gebieten nach Aufträgen zu suchen.
Gogl konzentriert sich auf Strukturen, Wirtschaftsentwicklung sowie dem Einsatz der OT in Norwegen (1940–1945); nur 70 Seiten handeln von den privaten Firmen und ihren Spielräumen. Seit einigen Jahren sind die Dokumente der OT-Einsatzgruppe Wiking öffentlich zugänglich. Dies führte zu Forschungsprojekten in Norwegen, die jedoch die Arbeit der 500 deutschen Firmen in Norwegen nicht berücksichtigten. Gogl nutzt zusätzlich einige deutsche Firmenarchive, um den Spielraum der Unternehmen auszuloten. Hauptgegenstand sind dabei die Bauverträge, um die Beziehungen zwischen der OT und den Baufirmen zu verstehen.
Nach 157 einführenden Seiten über die deutschen Baumaßnahmen im besetzten Europa kommt Gogl zu Norwegen. Seit 1940 kontrollierte die Wehrmacht alle Baumaßnahmen in Norwegen, wie den Bau von Militärbasen, Infrastruktur und Befestigungen. 1941 erhielt die OT-Oberste Bauleitung Trondheim einen Bauauftrag für zwei U-Bootbunker. Erst im April 1942 wurde die Einsatzgruppe Wiking gegründet. Speer ernannte Willi Henne, der die Westwallbauten geleitet hatte, zu deren Chef, denn Hitler hatte gerade gigantische Pläne zum Bau einer Eismeerstraße, von Flugplätzen, Bahnstrecken sowie Befestigungen in Norwegen verkündet. Im Auftrag der deutschen Wehrmacht arbeitete die OT zwischen 1942 und 1944 an 2.000 Bauten. Führten zunächst 200 Unternehmen in Norwegen OT-Bauten aus, so stieg deren Zahl am Ende des Krieges auf 350.
Wie Lemmes konstatiert auch Gogl, dass die OT ihre Bauprojekte eher mit Anreizen als mit Diktaten vorantrieb. Firmen konnten OT-Aufträge ablehnen, was deutsche und auch dänische Unternehmen taten. Laut Gogl gab es auch keinerlei Zwang und Strafen für die schwedischen Firmen, obwohl in der Nachkriegsdiskussion sowie in der Fachliteratur davon die Rede gewesen sei. Die reale Unabhängigkeit, insbesondere der deutschen Firmen, führte aber auch zum Problem schlechter Kontrollierbarkeit von Kosten und Löhnen für die OT. Die Firmen entwarfen im OT-Auftrag ihre eigenen Verträge (S. 266). Aus dem Informationsvorsprung, den die Unternehmen über die Preise für die Bauausführung hatten, resultierten oft Exzessprofite.
Es existierten zunächst zwei Vertragsformen für OT-Bauaufträge: jene, bei denen ohne Vorleistungen die Arbeitskosten erstattet wurden, was einen schnellen Auftragsbeginn ermöglichte, sowie Festpreisverträge, die eine effektive Bauausführung attraktiver machten. Mitte 1943 führte die OT Leistungsverträge ein, um die Produktivität der Firmen in einem Umfeld mit hohen Risiken und Zeitdruck im Krieg noch zu steigern. Wie in anderen besetzten Gebieten boten die Aufträge der OT-Einsatzgruppe Wiking im Kriege Zugang zu Maschinen und Know-how. Zudem schützten sie die Firmen davor, deutsche Arbeiter und Angestellte an die Wehrmacht abgeben zu müssen.
Die OT-Einsatzgruppe Wiking beschäftigte dienstverpflichtete Norweger, Zwangsarbeiter, andere „Ausländer“, Kriegsgefangene und Konzentrationslagerinsassen. Die OT-Bauvorhaben erschöpften rasch den Arbeitskräftepool in Norwegen, daher war es das einzige Land, das keine Arbeiter nach Deutschland abgab. Seit 1940 wurden arbeitslose Norweger für drei Monate verpflichtet, ab Juni 1941 konnten dann beschäftigte Norweger für sechs Monate zwangsverpflichtet werden, ab 1943 sogar unbefristet. Insgesamt arbeiteten 1941 165.000 Norweger auf deutschen Bauplätzen. 1944 waren es noch 145.000, inzwischen aber viele ausländische Arbeiter. Von 130.000 ausländischen Zwangsarbeitern in Norwegen arbeiteten 90.000 für die OT, von 90.000 sowjetische Kriegsgefangenen 45.000–50.000, von denen über 10.000 nicht überlebten. Außerdem schufteten für die Einsatzgruppe Wiking auch tausende Insassen der Emslandlager, das waren oft verurteilte Wehrmachtsdeserteure, und 4.000 serbische Widerstandskämpfer, von denen 60 Prozent nicht überlebten.
Gogl betont abschließend, dass seine Untersuchung keinen Nachweis für staatlichen Zwang gegenüber Privatfirmen ergeben habe (S. 309). Er unterstreicht, dass in dem regulierten Markt vielmehr die Firmen weitgehend unabhängig kooperierten und oft von ihrem Informationsvorsprung sowie ihrer Expertise profitierten, während der NS-Staat und die OT Mühe hatten, die Unternehmen zu kontrollieren. Eine enorme Anzahl Tabellen, die oft aus der Zusammenschau vieler Quellen basieren, veranschaulichen dem Leser die im Text erläuterten Befunde. Das Buch enthält einen Anhang mit extra Tabellen zum Gesamtbauvolumen, zum Volumen von Hoch- und Tiefbau, öffentlichen Arbeiten, zur norwegischen Bauproduktion und der Einsatzgruppe Wiking.
Im Gegensatz zur Nachkriegsmär vom Zwang durch die Organisation Todt unterstreichen beide Bücher, dass die Privatfirmen nicht von der Organisation Todt absorbiert wurden. Kooperation und gemeinsame Interessen überwogen. Konflikte waren selten. Die Unabhängigkeit der deutschen und nichtdeutschen Bauunternehmen sowie der enorme Baubedarf führten zu substantiellen Profiten. Interessanterweise finanzierten sich die deutschen Bauvorhaben in Frankreich und Italien hauptsächlich aus den diesen besetzten Ländern auferlegten „Besatzungskosten“, während in Norwegen viele Vorhaben extra aus dem NS-Kriegshaushalt bezahlt wurden. Beide Bücher, die eher in der Wirtschaftsgeschichte angesiedelt sind, beleuchten allerdings wenig das Leben der die Bauten ausführenden Arbeiter.
Anmerkungen:
1 Martin Broszat, Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung, Göttingen 1969, S. 332.
2 Rüdiger Hachtmann / Winfried Süß (Hrsg.), Hitlers Kommissare. Sondergewalten in der nationalsozialistischen Diktatur (Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus, Bd. 22), Göttingen 2006.