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Title
1652. The Cardinal, the Prince, and the Crisis of the 'Fronde'


Author(s)
Parrott, David
Published
Extent
336 S.
Price
£ 65.00
Reviewed for H-Soz-Kult by
Lars Behrisch, Universität Utrecht

Der Titel ist ein wenig reißerisch zugespitzt, doch zum Bestseller taugt diese ebenso akribische wie analytisch fundierte Darstellung des bei Weitem dramatischsten Jahrs im Bürgerkrieg der Fronde (1648–1653) nicht. David Parrott, bester Kenner der französischen Militärgeschichte des 17. Jahrhunderts, unternimmt hier eine Neubewertung der Ereignisse in dreierlei Hinsicht: Erstens legt er den Akzent auf den bisher weniger untersuchten späteren Abschnitt der Fronde, die oft als fronde des princes bezeichnet wird (er gebraucht den Ausdruck allerdings nicht) – im Gegensatz zur fronde parlementaire von 1648–1649. Zweitens, damit verbunden, möchte er die Fronde stärker im Hinblick auf ihre Folgen als von ihrer Vorgeschichte her interpretieren. Drittens und vor allem geht es ihm – wiederum mit der Frage nach ihren Wirkungen verknüpft – um eine grundsätzliche Neubewertung: Entgegen der dominierenden Interpretation als eines letzten Aufbäumens traditionaler, vor allem (hoch-)aristokratischer Kräfte gegen den letztlich siegreichen zentralistischen Absolutismus zeichnet Parrot eine Konfrontation nach, die zum einen auf allen Seiten ausschließlich persönlichen und faktionalen Interessen gehorchte und deren Folge zum anderen nicht eine Konsolidierung königlicher Macht war, sondern im Gegenteil eine weitere Verfestigung jener egoistisch-klientelären Machtstrukturen und damit – für das Land als Ganzes – der gewissenlosen, ja brutalen Ausbeutung seiner Ressourcen und Bewohner/innen. An die Stelle von Staatsbildungsszenarien, aber auch von Adels- und Ritterromantik tritt das Bild eines zutiefst korrupten, ja skrupellosen (überwiegend hochadligen) Machtkartells, dessen Mitglieder um Gewinn und Prestige kämpften – wenn nötig, bis aufs Blut.

Dieses Verdikt betrifft zuvörderst die knapp zwei Jahrzehnte (1643–1661), in denen anstelle des minderjährigen bzw. jugendlichen Ludwig XIV. die Regierung maßgeblich von Kardinal Mazarin, dem Favoriten der spanischen Königinmutter Anna von Österreich, geleitet wurde. Der tiefe Abscheu, den Parrott für diesen Mann hegt, der mit allen erdenklichen Mitteln an seiner Macht festhielt und zugleich das größte Privatvermögen zusammenraffte, das es im frühneuzeitlichen Frankreich (wenn nicht: Europa) jemals gab, und ebenso die Eloquenz, mit der er seinen Abscheu ausdrückt, stehen den zeitgenössischen Mazarinades in nichts nach, deren hasserfüllte Polemik bis zur Revolution ihresgleichen suchte. Diese waren zunächst der Begleittext der „parlamentarischen“ Fronde von Mai 1648 bis März 1649, in der sich das parlement von Paris und weitere oberste Gerichtshöfe des Landes den Steuerdekreten des Kardinals widersetzten und sich zugleich mit den Stadtbewohner/innen solidarisierten. Dies endete mit der militärischen Blockade von Paris sowie anschließend der zumindest vordergründig gütlichen Einigung zwischen den Parteien.

Angesichts der relativen Ereignislosigkeit zwischen Frühjahr 1649 und Herbst 1651 (und den anschließend anders gelagerten Frontlinien) ist es fraglich, ob man sinnvoll von „der“ Fronde reden kann. Entscheidend für die Gewalteruption des Jahres 1652 war während dieser Jahre, dass die sich schon 1648/49 abzeichnende Gegnerschaft auch von Mitgliedern des Hochadels gegen Kardinal Mazarin nun im ersten Prinzen von Geblüt, Louis II de Bourbon-Condé – dem Grand Condé – einen durch seine Geburt wie sein militärisches Talent erstklassigen Anführer erhielt. Hatte Condé Anfang 1649 noch die Blockade von Paris geleitet und damit Mazarins Macht wiederhergestellt, so überwarf er sich im Laufe desselben Jahres mit dem Kardinal und wurde sein erbittertster Gegner – der notorischste der vielen Seitenwechsel in der Fronde. Während des gesamten Folgejahrs zusammen mit seinem jüngeren Bruder, dem Prince de Conti, von Mazarin eingekerkert, wurde er im Februar 1651 unter dem massiven Druck des Pariser Parlaments sowie vieler Hochadliger entlassen – während nun umgekehrt Mazarin für knapp ein Jahr ins kurkölnische Exil gehen musste. Einer der Verteidiger des Prinzen – und eine zentrale Figur der weiteren Ereignisse – war Gaston d’Orléans, der Onkel des Königs, zu Lebzeiten seines Bruders Ludwig XIII. selbst ein notorischer Verschwörer und gewissermaßen Frondeur avant la lettre.

So wenig es verwundert, dass der allseits verhasste Mazarin gegen eine ebenso breite wie hoch- und höchstrangige Opposition außer Landes gehen musste, so sehr muss es erstaunen, dass der von ihr weitgehend als Anführer anerkannte Condé das entstandene politische Vakuum nicht ausfüllen konnte. Doch Parrotts Charakterisierung seines zweiten Protagonisten lässt an Deutlichkeit ebenso wenig zu wünschen übrig wie die des Kardinals – und auch für den Prinzen hegt er keinerlei Sympathie: Bewundert für sein militärisches Genie und Charisma, war Condé zugleich gefürchtet für seinen Jähzorn und seine Eitelkeit; zudem betrachtete er sich als durch Geburt allen Mitmenschen unendlich überlegen und ließ sie dies jederzeit wissen. Wo Mazarin größtes Geschick im Aufbauen von Netzwerken und Allianzen besaß – oft mittels gewaltiger Summen an Geld –, zerstörte Condé im Handumdrehen jede Sympathie, Gefolgschaft und Allianz. Er war nicht fähig oder willens, Loyalitäten zu belohnen, Konflikte zu schlichten oder gar Kompromisse einzugehen. So verspielte er sein riesiges politisches Kapital am Hof und in der Hauptstadt binnen eines halben Jahres. Kurz nachdem er der feierlichen Erklärung von Ludwigs Volljährigkeit ferngeblieben war, begab er sich im September 1651 in den Südwesten des Landes, um von hier aus – mit spanischer Unterstützung – für die ihm seiner Meinung nach zustehende Stellung am Hof und im Staat sowie gegen seine vermeintlichen (oder inzwischen auch wirklich existierenden) Gegner mit dem vom ihm bevorzugten und ihm am meisten liegenden Mittel vorzugehen: dem bewaffneten Kampf.

Ebenso minutiös wie spannend schildert Parrott die sich nun entfaltenden, überaus komplexen militärischen, politischen und diplomatischen Ereignisse zwischen Ende 1651, als Mazarins eigenmächtige Rückkehr aus dem Exil die zunächst wenig erfolgreiche Rebellion Condés zur landesweiten militärischen Auseinandersetzung eskalieren ließ, und Anfang 1653, als Condé sich nach ebenso vielen militärischen Erfolgen – die ihn für ein halbes Jahr in den Besitz der Hauptstadt brachten – wie politischen Fehlentscheidungen (und dem massacre de l’Hôtel de Ville, bei dem im Juli 1652 an die 100 Mitglieder der Pariser Führungsschicht ums Leben kamen) nun an die andere (nordöstliche) Peripherie des Landes sowie endgültig in spanische Waffenbrüderschaft brachte – und so Mazarin die Rückkehr nach Paris und in die Regierung bescherte.

Einige Punkte, die Parrott besonders wichtig sind, seien genannt. Zunächst handelte es sich nicht eindeutig um „Sieg“ und „Niederlage“, ja ist kaum auszumachen, ob und wann die Fronde überhaupt beendet war: Weder konnte sich Mazarin nun ohne Weiteres behaupten – alle Gefolgschaft musste er seither durch die Verleihung von Titeln und die Vergabe von Pfründen teuer erkaufen –, noch war Condé aus dem Feld geschlagen: Weit davon entfernt, aufzugeben, zog er es einem auch noch so ehrenhaften Kompromiss mit dem Gegner vor, als Condottiere durch die Lande zu ziehen. Seine Allianz mit Spanien trug dabei nicht wenig dazu bei, dass die aufgrund der Fronde 1652 wieder verlorenen militärischen Gewinne der 1640er-Jahre – darunter namentlich Dünkirchen, Barcelona und Casale di Monferrato – nicht mehr zurückerobert wurden und der Pyrenäenfrieden von 1659 hinter manchen der Gebietsgewinne zurückbleiben sollte, die bis 1648 erzielt worden waren (immerhin ermöglichte er nun die Aussöhnung Condés mit der Krone).

Weit schwerer aber wog die innere Ausblutung des Landes infolge der Fronde und insbesondere der Kämpfe von 1652. In einem Kapitel zu den Verheerungen dieses Kriegsjahres – dramaturgisch geschickt zwischen die Ereignisschilderungen eingeschoben – beschreibt Parrott die katastrophale Verquickung von klimatisch bedingten Wetterextremen und Ernteausfällen in den unmittelbar vorausgehenden Jahren mit der systematischen Ausplünderung, ja der teilweise gezielten Verheerung weiter Teile des Landes. Parrott zufolge glich die Kriegsführung von 1652 den Szenarien des späten Dreißigjährigen Krieges viel eher als dem englischen Bürgerkrieg; in primär betroffenen Regionen, insbesondere dem Pariser Becken, lag der Bevölkerungsverlust durch Krieg, Hunger und Seuchen mit bis zu einem Viertel kaum unter der Bilanz des deutschen Krieges – und dies nach einem einzigen Jahr! Nur wenige Regionen im Norden (Bretagne, Normandie) und im Osten (Burgund, Dauphiné) blieben von den Folgen des Bürgerkriegs weitgehend verschont.

Für die folgenden Jahre zeichnet Parrott im letzten Kapitel das Bild eines „vergifteten Jahrzehnts“ („cankered decade“) und einer politischen Kultur, aus der alle Wert- und Autoritätsvorstellungen entwichen waren: Nach dem Vorbild und unter Anleitung Mazarins verkam Politik zu einem ungenierten und aggressiven Geschacher um Titel und Einnahmen. Alle Unterstützung und jeden Verzicht auf Widerstand gegen ihn beglich der Kardinal durch den Ausverkauf der materiellen und symbolischen Ressourcen des Staates (sofern er sie nicht für sich selbst vereinnahmte). Selbst Inhaber subalterner Gouverneursposten drohten damit, sich Condé und Spanien anzuschließen, wenn ihren Forderungen nach Posten, Titeln und Geld nicht nachgegeben werde. Die Folge war – neben der Verrohung der politischen Umgangsformen und der materiellen Ausbeutung des Landes – eine Titelinflation, die die Ansprüche immer weiter in die Höhe trieb und eine „hyper-inflation of expectations“ erzeugte (S. 261), die je länger, desto weniger zu befriedigen waren und das Land zu Ende der 1650er-Jahre erneut an den Rand der Kriseneskalation brachten. Ludwig XIV. erbte 1661 ein vielfach ruiniertes Land: Parrott beschließt sein Werk mit Zitaten aus dessen Memoiren, die andeuten, wie sehr der nachmalige „Sonnenkönig“ unter Mazarins Herrschaft gelitten, es aber nicht gewagt hatte, ihn abzusetzen. Dieses Thema wird in Parrotts angekündigter Monographie zu jenem „vergifteten Jahrzehnt“ sicher noch gehörig vertieft werden.

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