S. R. Blanshei (Hrsg.): A Companion to Medieval and Renaissance Bologna

Cover
Titel
A Companion to Medieval and Renaissance Bologna.


Herausgeber
Blanshei, Sarah Rubin
Reihe
Brill's Companions to European History (14)
Erschienen
Anzahl Seiten
623 S.
Preis
€ 249,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christina Abel, Historisches Institut, Universität des Saarlandes

Der 2018 erschienene „Companion to Medieval and Renaissance Bologna“ beeindruckt bereits durch seinen Umfang. Auf 623 Seiten finden 22 Beiträge ihren Platz, die eine ebenso beeindruckende Bandbreite von Themen behandeln. Wie die Herausgeberin Sarah Rubin Blanshei in ihrer Einleitung (S. 1–25) ausführt, möchte der Band, den Anforderungen der Reihe entsprechend, in die „major themes, issues, and controversies“ (S. 1) der Geschichte und Geschichtsschreibung Bolognas einführen. In ihrem ausführlichen Forschungsüberblick über die Historiographie aus und zu Bologna vom Mittelalter bis in die jüngste Zeit benennt Blanshei verschiedene Ereignisse und Parameter, die viele Werke zu Bologna prägten: an erster Stelle das narrative Leitmotiv der libertas. Die Einleitung stellt damit das Gerüst, auf dem die folgenden Studien aufbauen können.

Diese sind nicht durch weitere Sektionen getrennt, folgen aber dennoch einer gewissen inneren Logik. Die ersten beiden Beiträge von Diana Tura (S. 26–41) und Rosa Smurra (S. 42–55) widmen sich der Archivüberlieferung, die in Bologna in vielen Felder außergewöhnlich reich ist und beleuchten damit die Quellengrundlage der meisten der folgenden Studien. Francesca Bocchi und Antonella Campanini nehmen Aspekte der materiellen Erscheinung Bolognas in den Blick: Bocchi untersucht, untermauert durch unterschiedlichstes Bildmaterial, die baulichen und stadtplanerischen Maßnahmen, die Bolognas heutigen mittelalterlichen Baubestand generierten (S. 56–102), Antonella Campanini hingegen die Maßnahmen, mit denen die städtischen Regierungen Lebensmittel und Konsumgüter und insbesondere materiellen Luxus über die Jahrhunderte regulierten und instrumentalisierten. Als Beispiele dienen die Qualitätsvorgaben für den Lebensmittelmarkt, die kommunale Inszenierung des Überflusses in Banketten und im Gastgewerbe und die Einschränkung entsprechender Inszenierungen für Individuen bei Feiern und in der Kleidung (S. 129–153). In dieses Forschungsfeld fügt sich in gewisser Weise auch der Beitrag von G. Geltner mit dem allgemein gehaltenen Titel „Public Health“ (S. 103–128) ein, denn Geltner konzentriert sich auf die Arbeit der seit dem 13. Jahrhundert belegten Amtsträger des fango (zu Deutsch: Schlamm/Dreck), die sich mit sehr materiellen Aspekten der öffentlichen Gesundheitsfürsorge beschäftigten: Verschmutzungen des Stadtbildes im weitesten Sinne. Zu ihren Aufgaben gehörte damit nicht nur die Verfolgung illegaler Müll- und Abwasserentsorgung oder die Ahndung unerwünschter Tierhaltung, sondern auch die städtische Sozialkontrolle gegenüber Bettlern, Vagabunden und Prostituierten.

Wirtschaftsgeschichtlichen Aspekten sind die folgenden beiden Beiträge gewidmet: Fabio Giusberti und Francesca Roversi Monaco analysieren in einem großen Bogen grundsätzliche wirtschaftliche und demographische Entwicklungen einer Stadt, die im 13. Jahrhundert zu den fünf größten Städten Europas zu zählen ist und einen Verkehrsknotenpunkt und Handelsumschlagplatz darstellte, deren größter Wirtschaftsfaktor jedoch die renommierte Universität war. Diese zog Schätzungen zufolge gegen Ende des 13. Jahrhunderts durchschnittlich ca. 2000 Studenten mit ihrem Gefolge an (S. 154-184). Auch Massimo Giansante, der mit den Bologneser Bankiers eine der politisch einflussreichsten Gruppen in Bologna in den Blick nimmt, verweist auf die große Rolle des universitätsbezogenen Geldwechsels und des Studienkreditwesens auf dem Finanzmarkt, der erst im ausgehenden 13. Jahrhundert zunehmend andere Anlageformen in den Mittelpunkt stellte. Dies zeigt Giansante anhand verschiedener Familien und Gesellschaften sowie am exemplarischen Fall des Romeo Pepoli, der in der zeitgenössischen Wahrnehmung als reichster Mann Italiens galt und durch seine Kreditpolitik erhebliche politische Macht und signorile Vorrechte kumulierte (S. 185–210).

Politik- und sozialgeschichtliche Fragen stehen im Mittelpunkt der folgenden Artikel, die eng miteinander verknüpft sind: Giorgio Tamba liefert einen klassischen, damit aber nicht weniger verdienstvollen verfassungsgeschichtlichen Überblick über die städtischen Institutionen und Regierungsformen vom 12. bis ins frühe 15. Jahrhundert, ergänzt durch einen Exkurs zum öffentlichen Notariat, das in Bologna wie überall in Nord- und Mittelitalien das Funktionieren kommunaler Institutionen gewährleistete und dessen theoretisches und didaktisches Epizentrum ebenfalls in Bologna angesiedelt war (S. 211–238). Den Regierungsformen im 15. Jahrhundert, die mit den sogenannten capitoli von 1447 in eine Dyarchie mündeten, die die Ko-Regierung durch städtische Organe und einen päpstlichen Legaten vorsah, ist der Beitrag von Tommaso Duranti gewidmet (S. 260–288). Giuliano Milani konzentriert sich auf die politischen und sozialen Konflikte, die die Geschichte Bolognas vom 12. bis ins 14. Jahrhundert prägten und die zu einer außerordentlich hohen Faktionalität, zugleich aber zu einer vergleichsweise durchlässigen sozialen und politischen Führungsschicht und zu einem für Bologna spezifischen kulturellen Reichtum beigetragen hätten (S. 239–259): Das Fehlen von Gruppen, die sich langfristig als „much richer and more powerful than others“ (S. 255) etablieren konnten, habe auch zu einer besonderen Stellung für Träger von Expertenwissen (Juristen, Notare, Intellektuelle) geführt. Angela De Benedictis untersucht ergänzend die Spannungsfelder, die aus der Koexistenz popularer und oligarchischer Regierungsformen „within the monarchical papal government“ (S. 292) zwischen 1377 und 1559 resultierten (S. 289–309). Parallel zu diesen Arbeiten analysiert Andrea Gardi die Führungsgruppen Bolognas und deren oligarchische Verengung vom 13. bis zum 15. Jahrhundert (S. 310–334). Eines der wichtigsten Medien von institutioneller Herrschaft und politischer Machtausübung, die Organisation der Rechtsprechung und anderer Formen der Konfliktbeilegung, steht im Mittelpunkt des Beitrages von Sarah Rubin Blanshei und Sara Cucini (S. 335–360).

Dem religiösen Leben in Bologna gewidmet sind die Aufsätze von Gabriella Zarri (S. 361–385) zur „civic religion“, definiert nach André Vauchez als „the entirety of religious phenonema – cultic, devotional, and institutional – in which civil power plays a determining role“ (S. 361); von Nicholas Terpstra zu den Bologneser Bruderschaften, die sich selbst als essentielle Komponenten des sozialen und politischen Stadtgefüges verstanden (S. 386–410); und von Riccardo Parmeggiani zur Präsenz der beiden großen Bettelorden in der Stadt und deren Rolle in der Häresiebekämpfung (S. 411–435).

Kultur-, kunst- und sprachgeschichtliche Aspekte schließen mit fünf wichtigen Beiträgen den Band: David A. Lines skizziert die Verbindungen und den reziproken kulturellen Austausch zwischen Kommune, kirchlichen Institutionen und Bolognas berühmtester mittelalterlicher Einrichtung, der Universität, und gibt zugleich einen Forschungsüberblick über die Universitätsgeschichte zwischen dem 12. und dem 16. Jahrhundert (S. 436–473). Armando Antonelli und Vincenzo Cassì widmen sich Phänomenen der volkssprachigen Literatur, Kultur und Schriftproduktion und den linguistischen Eigenheiten des Bologneser Volgare (S. 474–498), Gian Mario Anselmi und Stefano Scioli allgemeiner der literarischen Kultur zwischen ars dictaminis, dolce stil novo und Humanismus (S. 499–529). Raffaella Pini (S. 530–558) und David J. Drogin (S. 559–600) stellen Buchkunst, Malerei, Bildhauerei und Goldschmiedehandwerk und deren Entstehungsumstände – Gildenstruktur, Werkstätten und Patronage – in den Mittelpunkt.

Abgeschlossen wird der Companion durch ein Register und eine Bibliographie, die grundlegende englischsprachige Literatur zu Bologna zusammenführt und damit die thematischen (und mehrsprachigen) Literaturverzeichnisse zu Ende der einzelnen Beiträge ergänzt. Insbesondere die doppelte Bibliographie stellt einen Zugewinn an Benutzerfreundlichkeit dar, da sie es ermöglicht, einen Gesamtüberblick zu gewinnen oder spezifisch nach Literatur zu einem der Themen zu suchen.

Die einzigen Vorwürfe, die man Blansheis Companion machen könnte, bestehen aus offenen Wünschen: So fehlt das Frühmittelalter fast vollständig, ohne dass der Titel dies deutlich macht. Und obwohl dies Themen sind, die in anderen Beiträgen oft gestreift werden, hätten vertiefende Studien zu Bolognas Beziehungen zum Papsttum oder zum Bistum und den Bischöfen Bolognas das aufgeworfene Panorama sicher noch ergänzen können. Misst man den Band aber an dem, was da ist, ergibt sich ein durchweg positives Bild. Die vorhandenen Beiträge folgen mehrheitlich ihrem Auftrag, einen chronologisch breiten Überblick über ihr Thema und den aktuellen Forschungsstand zu geben, sie sind gut lesbar und sorgfältig redigiert und decken dem Zuschnitt der Reihe entsprechend die wichtigsten Themenfelder der hoch- und spätmittelalterlichen Stadtgeschichte ab. Bologna erhält damit ein Referenzwerk, das einen hervorragenden Einstieg in die Forschungslandschaft bietet und das, zieht man die Farbe des Covers hinzu, allen Beinamen der Stadt (la dotta, la grassa, la rossa) vollauf gerecht wird.