Cover
Titel
Fight the Power. African Americans and the Long History of Police Brutality in New York City


Autor(en)
Taylor, Clarence
Erschienen
Anzahl Seiten
256 S.
Preis
€ 23,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Rebecca Rössling, Institut für England- & Amerikastudien, Goethe Universität Frankfurt am Main

Der Investigativ-Journalist Tom Robbins veröffentlichte vor einigen Wochen im New Yorker einen umfassenden Bericht über einen Polizisten des New York City Police Department (NYPD), der innerhalb des Departments als großer Star gehandelt wird. Gleichzeitig kommt er die Stadt und damit die Steuerzahler:innen durch zahllose gerichtliche Vergleiche aufgrund von polizeilichem Fehlverhalten teuer zu stehen. Der Artikel geht auch auf die im März in New York City neu verabschiedeten Gesetze ein, die es zukünftig vereinfachen sollen, gerichtlich gegen Polizisten vorzugehen. Wer Clarence Taylors Buch Fight the Power. African Americans and the Long History of Police Brutality liest, dem wird bewusst, wie lange und anhaltend darauf hingearbeitet wurde, die Polizei zu reformieren. Taylor setzt sich intensiv mit der Geschichte der Polizeibrutalität gegen Afro-Amerikaner:innen in New York City auseinander und schafft das Bewusstsein für die zeitliche Tiefe der Thematik. Er macht deutlich, auf wie vielen Ebenen und von wie vielen Seiten die Problematik in der Vergangenheit bekämpft wurde. Wenn man liest, wie Robbins in seinem Artikel den inneren Antrieb des vielfach ausgezeichneten weißen Polizisten beschreibt, wird klar, dass dieser lange, steinige Weg 2021 sicherlich noch kein Ende gefunden hat: „Joseph Crusado’s passion for his work is clearly displayed on his Facebook page, where he posted a version of a famous quote from Ernest Hemingway: ‚There is no hunting like the hunting of man, and those who have hunted armed men long enough and liked it, never care for anything else thereafter.‘”1

Das Misstrauen und die schwierige Situation zwischen Afro-Amerikaner:innen und dem NYPD wird von Clarence Taylor seit den zivilen Unruhen um die 1940er-Jahre bis in die Gegenwart beschrieben. Er kommt zu dem Schluss, dass es im Interesse aller sei, Polizeibrutalität zu beenden (S. 252) und dass sozialer Protest letztendlich den nötigen Druck auf die Mächtigen ausübt, Veränderung zu schaffen (S. 250). George Floyds Ermordung, die darauffolgenden, verstärkten Proteste und gesetzliche Neurungen, wie das oben beschriebene Gesetz, geben ihm recht. In elf Kapiteln beschreibt Taylor, wie sich die afro-amerikanische Presse, verschiedene Bewegungen und Parteien, aber auch Individuen für die Rechte von Afro-Amerikaner:innen stark machten, die vom NYPD zu Unrecht verhaftet oder misshandelt wurden. Er beschreibt beispielsweise die Welle der Polizeigewalt im Nachkriegs-New York, die von der People’s Voice so gewissenhaft dokumentiert wurde, dass eine Alternative zur polizeilichen Darstellung der städtischen Situation entstand. Wie diese Zeitung durch Recherche und Augenzeugeninterviews den Geschädigten überhaupt eine Handhabe gegen die Polizei verschaffte, macht sie laut Taylor einzigartig (S. 33). Auch die Bemühungen der Kommunistischen Partei, die die Polizeibrutalität als „Lynching Northern Style“ (S. 36) beschrieb, und die Feindseligkeit zwischen dem NYPD und der Nation of Islam in den 1950er-Jahren sind Themen der ersten Kapitel. In den 1960er-Jahren nahmen die Spannungen zwischen Afro-Amerikaner:innen und dem NYPD weiter zu und es kam zu den Unruhen in Harlem und Bedford-Stuyvesant. Politiker:innen und Aktivist:innen riefen zu stärkerer ziviler Aufsicht und Mitspracherecht auf, während die konservative Gegenreaktion ein anderes, altes Narrativ unterfütterte: das des Schwarzen Kriminellen. „The lack of any meaningful changes“ (S. 127) zeigt laut Taylor, wie schwierig und langwierig das Problem der Polizeigewalt sich bis dahin darstellte und dass dies auch mit der politischen Intransparenz von New Yorker Bürgermeistern, wie unter anderem Robert F. Wagner Jr., zusammenhing.

Damit schafft Clarence Taylor einen gewissen Übergang hin zu dem Perspektivwechsel in seinem Buch, der gleichwohl recht abrupt bleibt: in den folgenden Kapiteln liegt das Augenmerk nicht mehr hauptsächlich auf denjenigen, die gegen die Polizeibrutalität in New York ankämpften, sondern vielmehr auf den politischen Hauptakteuren, den Polizeipräsidenten und den bekanntesten Fällen von Polizeigewalt in den nachfolgenden Dekaden. Taylor geht besonders auf Bürgermeister John Lindsay und die langen Kämpfe um ein Civilian Complaint Review Board (CCRB) ein, das unabhängig vom NYPD agieren sollte. Außerdem auf Rudolph Giulianis harte Art gegen das Verbrechen in der Stadt vorzugehen, die er auf die Broken-windows-Theorie stützte und die das Fundament einer Nulltoleranz-Polizeiarbeit bilden sollte. Erst die Folterung von Abner Louima und mehrere andere berüchtigte Todesfälle führten laut Taylor dazu, dass es einen vorsichtigen Fortschritt in der Politik gab. Allerdings geht er auch auf kontroverse Themen, wie die sogenannte Stop-and-frisk-Taktik ein – bei der sich zeigt, dass das Profiling des NYPDs vorrangig nach Hautfarbe geschieht – und die anhaltende, falsche Darstellung von Schwarzen Amerikaner:innen in den Massenmedien. Oftmals gelingt es Taylor, den ersten Eindruck politischer Entscheidungen zu hinterfragen und aufzuschlüsseln, welche Intentionen wirklich zugrunde lagen. So schreibt er beispielsweise über Bürgermeister Kochs Bemühungen, das bereits erwähnte Review Board umzustrukturieren, dass diese zunächst als „unfavorable for the police“ (S. 160) erschienen, jedoch gut durchdacht waren, um deutlichere Veränderungen - wie von Bürgerrechtler:innen gefordert - von vornherein abzuwehren. Bürger:innen-Aktivismus und der Ruf nach mehr städtischer Stabilität prägten auch die folgenden Jahre bis hin zur immer noch andauernden Amtsperiode von Bill de Blasio.

Das Buch bietet insgesamt sehr viele unterschiedliche Perspektiven und Akteure, gewichtet diese allerdings zuweilen etwas uneinheitlich, was dem chronologischen Aufbau geschuldet sein könnte. Die ersten drei Kapitel sind bestimmten Gruppen gewidmet, deren Kampf gegen die Polizeibrutalität in New York City laut Taylor entweder bislang übersehen oder fehlerhaft interpretiert wurden. In den Kapiteln vier bis elf liegt der Fokus dann auf dem jahrzehntelangen Streit zwischen Bürgerrechtsorganisationen, Lokalpolitikern und Vertretern des NYPD. Besonders das Bestreben, die Ausbildung und Weiterbildung der Polizei zu reformieren, neue Gesetze zu erlassen und sowohl eine externe Aufsicht über das NYPD, als auch demokratischere Entscheidungsprozesse zu initialisieren, sind einige der Forderungen von New Yorks Bürger:innen, die Taylor hier darstellt. Er geht dabei auch immer wieder auf politische Entscheidungen, konservative Gegenreaktionen und Fälle von Polizeigewalt ein. Dabei konzentrieren sich die Kapitel vier bis sieben auf die 1950er- bis 1960er-Jahre und die letzten vier Kapitel auf die Zeit ab Mitte der 1980er-Jahre. Die Perspektive auf die Stadt New York macht deutlich wie historisch verzweigt und kompliziert die Geschichte der Polizeigewalt gegen Afro-Amerikaner allein auf lokaler Ebene ist und welche Aufarbeitungsmaßnahmen heute notwendig sind, um eine Verbesserung der Situation möglich zu machen.

Clarence Taylor beschreibt den Kampf gegen Polizeigewalt als Teil der langen Reise im Kampf um Gleichstellung und Gerechtigkeit für Schwarze New Yorker:innen, die bereits vor der Ära der Civil Rights Movements begann und sich auch danach fortsetzte. Hier reiht er sich in die Liste derjenigen ein, die den amerikanischen Bürgerrechtskampf auch außerhalb des Südens und nicht nur auf einem lokalen, grassroots-Level beschreiben. Am Beispiel von New York City zeigt er verschiedene Bemühungen von Gruppen und Personen, gegen rassistische Polizeigewalt vorzugehen, aber auch die konservative Gegenwehr, die diese hervorgerufen hat. Er endet mit einer Beschreibung der gegenwärtigen Situation und der Frage „Where Do We Go from Here?“ (S. 245). Betrachtet man all die historischen politischen und polizeilichen Vorgänge in Taylors Buch, könnte man zu dem Schluss kommen, dass die vielen Anstrengungen endlich zu Veränderungen durch die Gesetzesreformen Anfang des Jahres führten. Allerdings machen die vielen Versäumnisse von Politikern und Individuen in verantwortungsvollen, mächtigen Positionen, die Taylor aufschlüsselt, auch deutlich, dass ein sehr alter Nährboden für Strukturen existiert, die einen Polizisten wie Joseph Crusado immer noch dazu motivieren, in New York City auf Jagd zu gehen.

Anmerkung:
1 Tom Robbins, The High Price of a New York City Cop: One of the city’s star officers has cost taxpayers more than two and a half million dollars in police-misconduct settlements., in: The New Yorker, 24.05.2021, https://www.newyorker.com/news/our-local-correspondents/the-high-price-of-a-new-york-city-cop (30.07.2021).

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