Pergamon. Geschichte und Monumente der antiken Stadt: CD-ROM

Titel
Pergamon. Geschichte und Monumente der antiken Stadt.


Autor(en)
Süss, Jürgen
Erschienen
Stuttgart 2000: Theiss Verlag
Anzahl Seiten
Preis
DM 68,-
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dr. Markus Sehlmeyer, Alte Geschichte, Institut für Altertumswissenschaften der Universität Rostock

Pergamon. Geschichte und Monumente der antiken Stadt

Der Pergamonaltar ist nur ein Beispiel für die Konkurrenz europäischer
Museen um die "Sicherung" antiker Monumente im 19. Jhd.1 Doch an dieser
Stelle soll es nicht um Probleme der Dislozierung antiker Kunstschätze
gehen, sondern um das antike Pergamon in der akademischen Lehre, etwa in
Lehrveranstaltungen zur griechischen und römischen Geschichte.2 Die
Pergamon-CD-ROM ist keine Multimediaapplikation, die speziell für die
althistorische Lehre und Forschung entwickelt worden wäre, sondern für
archäologisch Interessierte auch außerhalb der Universität. Im folgenden
soll die CD-ROM vorgestellt und mit anderen Medien zu Pergamon verglichen
werden.3 Sie ist symptomatisch für die Eignung archäologischer CD-ROMs
bei Fragen der Topographie, also der historischen Entwicklung antiker
Städte, stellt aber gleichwohl ein besonders gut gelungenes Beispiel für
eine Archäologie-CD-ROM dar.

Die zum Historikertag in Aachen erschienene CD-ROM bietet ihre Inhalte gut
überschaubar dar. Jürgen Süss und Mitarbeiter haben Pergamon besucht,
eigene Photographien angefertigt, sicher auch mit den Ausgräbern gesprochen
und anschließend das Material in eine multimediale Präsentation mit
Makromedia Director gebracht. Der Text läuft in einem 800x600 Punkte großen
Bildfenster ab (65.536 Farben). Am Anfang bietet die CD-ROM für Windows eine
etwa fünfminütige Einführungssequenz in Gestalt einer "Diaschau" mit
gesprochenem Text. Alle Bilder der Einführungssequenz können bei der
späteren Arbeit mit der CD-ROM auch einzeln angesehen werden. Der Text weist
gelegentlich Mängel - wenn nicht Fehler - auf. So heißt es am Anfang der
Sequenz im Begleittext: "Berühmt wurde die Stadt ..., als die Dynastie der
Attaliden sie zu ihrem Sitz machte." Der Wechsel des Sitzes der Dynastie wird
hier fälschlich behauptet. Es war doch umgekehrt: Für den seleukidischen
Verwalter Philetairos bot sich beim Zerfall des Seleukidenreiches die
Gelegenheit, sich in Pergamon selbständig zu machen und eine Dynastie zu
begründen (281 v. Chr.). Die übrigen Texte auf der CD-ROM sind von der
Qualität her recht unterschiedlich. Zumeist liegt das daran, dass bei einer
multimedialen Präsentation der Text sehr kurz gehalten werden muss. Bei
Stichproben auf der CD-ROM fiel mir ein Anachronismus auf: In dem
darstellenden Text zur Geschichte von Pergamon in der hellenistischen Zeit
wird davon gesprochen, dass ein militärisches Bündnis mit Rom den Aufstieg
Pergamons begünstigte. Der einschlägige Vertrag wird bekanntlich erst in
die Jahre 212/11 v. Chr. datiert und ist nicht einmal direkt zwischen Rom und
Pergamon geschlossen worden.

Die Vielzahl der bislang unpublizierten Photographien und neu gezeichneten
Pläne - insgesamt über 600 - macht die CD-ROM interessant, wenn es um
topographische Themen geht. Auch in Ergänzung zu gedruckten Publikationen
sind die vielen Photos bemerkenswert. Die Abbildungen sind teilweise über
die Zeitleiste zu finden, teilweise über Menüs. Das einfachste ist es, ein
Gebäude über den Index zu suchen. Als Beispiel dient der Demeter-Tempel.

Das linke Textfeld vermittelt nur sehr kurze Informationen, die aber zur
ersten Orientierung ausreichen. Die kleinformatigen Photos und Pläne unten
können im rechten Bildfeld vergrößert angesehen werden; die Auflösung
entspricht etwa 600x400 Bildpunkten. Ein Photo zeigt den Blick auf Tempel und
Altar. Im Falle des Demetertempels wird sowohl ein Grundriss als auch ein
Querschnitt des Geländes angeboten. Zudem erläutert eine Skizze den Wandel
der Tempelfront in der 2. Hälfte des 2. Jhds. n. Chr. Alle auf der
Pergamon-CD enthaltenen Bilder sind recht anschaulich und entsprechend gut im
Unterricht verwendbar. Unten als Beispiele eine topographische Übersicht
über den Burgberg und eine Karte mit der größten territorialen Ausdehnung
von Pergamon:

Weder Text noch Bilder können exportiert werden, aber eine Kopie aus dem
Bildschirmspeicher wäre denkbar.4 Manche Abbildungen auf der Pergamon-CD
liegen in Gestalt von Abzeichnungen und Aquarellen vor, eigentlich ohne
Grund. Münzbilder für die Porträts wie z.B. das des Philetairos wären
leicht beschaffbar gewesen. Insgesamt fällt die gute Bebilderung auf, auch
in Ergänzung zu dem Buch von Radt (Anm. 3). Die CD-ROM ist geeignet für das
Selbststudium - natürlich zusammen mit gedruckten Texten; also dürfte sie
auch bei der Vorbereitung von Referaten verwendbar sein.

Abschließend ist ein Vergleich zu ziehen, was die Pergamon-CD-ROM gegenüber
anderen Angeboten für Vorteile bringt. Die wohl bekannteste Bilddatenbank
mit althistorischem Nutzen ist das Perseus-Projekt, das sowohl auf CD-ROMs
als auch im Internet vorliegt.5 Diese Materialien zur griechischen
Geschichte umfassen etliche wichtige Quellen von Herodot bis Pausanias in
zweisprachiger Fassung (griech.-engl.) und mit sprachlichen Hilfen.
Erläuternde Texte und Bilder verschiedenster Art wurden dann mit den Quellen
verknüpft. Pergamon ist nur eine von über 100 Städten, die in Perseus
genauer charakterisiert werden. Deshalb muss man sich die zugehörigen Texte
und Bilder mit der Suchfunktion zusammenstellen. Sowohl die WWW-Version als
auch die CD-ROMs enthalten jeweils mehr als 200 Photographien der Stadt und
dazu noch ein paar Münzbilder. Die Photographien, die auf Seiten zu 16
kleinen Bildern zusammengestellt sind, lassen sich auf ein Format von etwa
550 * 350 Bildpunkten vergrößern. Allerdings sind nicht alle Gebäude
abgelichtet, auf die vielleicht die Sprache kommen könnte. So findet man
keine Abbildung des Amphitheaters von Pergamon. Einen Stadtplan oder
Gebäudepläne findet man in Perseus ebenfalls nicht. Zum Demetertempel
allein sind 23 Bilder enthalten.

Wenig bekannt ist, dass die CD-ROMs der Produktreihe "Digitale Bibliothek"
hervorragende Abbildungen enthalten. Dort liegt beispielsweise die
"Propyläen Weltgeschichte" in digitaler Form vor.6 Neben dem vollen Text
sind Abbildungen und Reproduktionen der Originalausgabe eingebunden worden.
Auffällig ist die schöne Karte des Seleukidenreiches, die aus 2700*1900
Bildpunkten besteht und auch auf einer Folie für den Overheadprojektor gute
Dienste leisten würde. Zudem ist ein Photo des Burgberges von Pergamon und
eine dynastische Übersicht enthalten. Gegenüber der Pergamon-CD fällt die
einfache Möglichkeit des Exportes von Text und Bildern positiv auf. Das
seinerzeit von Johannes Irmscher herausgegebene "Lexikon der Antike" liegt
ebenfalls in der CD-ROM-Reihe vor.7 Die dem Buch beigegebenen Tafeln mit
vorwiegend schwarz-weißen Abbildungen können nun nach Stichworten
durchsucht werden. Nützliche Bilder wie die Alexanderbüste oder ein Modell
des Burgberges von Pergamon, insgesamt 12 Abbildungen, sind zu finden.

Recht gutes illustratives Bildmaterial zum Thema Pergamon ist also auf CD-ROM
und sogar im Internet verfügbar ist, aber dieses Material hat für
wissenschaftliche Zwecke (z.B. Ausschnittsvergrößerungen) mitunter eine zu
geringe Auflösung. Somit ist man mitunter gezwungen, ergänzendes Material
entweder in der Form von Photos oder aber guten Abbildungen in Büchern zu
ermitteln und selbst zu digitalisieren. Die Digitalisierung des Materials
kann mit handelüblichen Flachbettscannern.8 oder Digitalkameras9
erfolgen. Diese Techniken werden allmählich immer weiter verbreitet. Warum
sollte nicht auch in der Geschichtswissenschaft ein Referat die Gestalt einer
Powerpointpräsentation10 annehmen, wie in der Naturwissenschaften schon
recht verbreitet ? Mithilfe der Pergamon-CD-ROM können sehr schnell
multimediale Elemente in die akademische Lehre eingebracht werden;11 die
fünfminütige Einführungssequenz kann dazu dienen, die Lokalisierung von
Pergamon, seine Ausdehnung und die wichtigsten Bauten vorzustellen;12 auch
im weiteren Verlauf einer Lehrveranstaltung kann das Bildmaterial gute
Dienste leisten - notfalls in Gestalt von Overheadfolien, die aber gegenüber
einer CD-ROM den großen Nachteil haben, dass sie immer nur ein Bild zeigen.

Anmerkungen:
1 Dazu Hans-Joachim SCHALLES: Der Pergamon-Altar zwischen Bewertung und
Verwertbarkeit, Frankfurt 1992.
2 Die Pergamon-CD-ROM war eines der Beispiele meines Vortrages
"Althistorische Bilddatenbanken in Forschung und Lehre", den ich im
Colloquium von W. Nippel an der Humboldt-Universität zu Berlin am 22.11.2000
gehalten habe. Den Diskutanten sei ebenso wie Gregor Staab (Bonn) gedankt,
der den Text durchgesehen hat.
3 Neben CD-ROMs natürlich auch das Standardwerk von W. Radt: Pergamon,
Darmstadt 1999. Pergamon als touristisches Reiseziel wird ebenfalls in
etlichen Videofilmen berührt, doch eher am Rande.
4 Den gängigen Bildverarbeitungsprogrammen liegen solche Hilfsmittel
("screenshot") bei, z.B. Ccapture im Paket Coreldraw.
5 Zur CD-ROM vgl. http://www.yale.edu/yup/Perseus2.html (Concise edition $
150; Comprehensive edition $ 350 , mit drei zusätzlichen Bild-CD-ROM); viele
der Daten sind auch im Internet nutzbar, z.B. auf http://perseus.tufts.edu
und seinem Spiegelbild http://perseus.mpiwg-berlin.mpg.de.
6 Propyläen Weltgeschichte, Digitale Bibliothek 14, Berlin 1999; vgl.
Björn Hoffmanns Rezension in H-Soz-Kult,
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensio/digital/cdrom/datenban/hobj0799.htm.
7 Lexikon der Antike, Digitale Bibliothek 18, Berlin 2000; vgl. die
Beschreibung des Herstellers:
http://www.digitale-bibliothek.de/scripts/ts.dll?s=2&id=40758&mp=/art/1618/rt/1618/ .
8 > 600 dpi, günstig ist 1200 dpi. Beispiele für
Anwendungsmöglichkeiten
in der Numismatik gibt der Artikel von M. SEHLMEYER: Wissenschaftliches
Arbeiten mit digitalisierten antiken Münzen, in: M. FELL/ W. SPICKERMANN/ L.
WIERSCHOWSKI (Hrsg.): Machina computatoria. Zur Anwendung von EDV in den
Altertumswissenschaften (Computer und Antike 4), St. Katharinen 1997, S.
106-127.
9 Ab 1 Million Bildpunkte, für wissenschaftliche Zwecke sind 3 Millionen
Punkte (2048 x 1536) sinnvoll. Vgl. für numismatische Zwecke: H. KOMNICK/ U.
PETER: Zur digitalen Fotografie von Gipsabgüssen antiker Münzen. Erste
Erfahrungen des "Griechischen Münzwerkes", in: M. HAINZMANN/ C. SCHÄFER
(Hrsg.): Alte Geschichte und Neue Medien. Zum EDV-Einsatz in der
Altertumsforschung. (Computer und Antike 5), St. Katharinen 2000, S.140-51.
10 Zur Einführung in dieses Programm, dessen Bildseiten im übrigen auch
auf Folien für Overheadprojektor ausgedruckt werden können: M.
STEINBACH-REIMANN: Präsentation, in: B. BISTE/ R. HOHLS (Hrsg.):
Fachinformation und EDV. Arbeitstechniken für Historiker, Köln 2000 (HSR
Suppl. 12), S. 310-319.
11 Vgl. das Plädoyer von A. KOHRING: Multimediales Proseminar mit Tutorium
zu einem Thema der Alten Geschichte, in: B. BISTE/ R. HOHLS (Hrsg.):
Fachinformation und EDV. Arbeitstechniken für Historiker, Köln 2000 (HSR
Suppl. 12), S. 376-79.
12 Ein nützliches Hilfsmittel ist ein so genannter Beamer, der den
Bildschirminhalt an die Wand projiziert. Diese Geräte stehen in
Rechenzentren in der Regel zu Verfügung, doch warum sollte nicht auch eine
philosophische Fakultät über ein tragbares Gerät verfügen?

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