Cover
Titel
Rolande der Welt.


Autor(en)
Munzel-Everling, Dietlinde
Erschienen
Anzahl Seiten
1 CD-ROM
Preis
€ 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Nonn, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau

Roland, Markgraf der Bretagne, begleitete Karl d. Gr. auf dem wenig erfolgreichen Feldzug gegen das muslimische Spanien; beim Rückzug wurde die fränkische Nachhut in den Pyrenäen von Basken überfallen (der Sage nach bei Roncesvalles), wobei Roland neben dem Truchseß Eggihard und dem Pfalzgrafen Anshelm am 15. August 778 getötet wurde. So karg die Nachrichten der Quellen dazu sind (die offiziösen Reichsannalen verschweigen gar das Ereignis), scheinen die Helden frühe Berühmtheit erlangt zu haben; schon früh setzt die Legendenbildung ein. Roland, den die spätere Sage gar zum Neffen Karls d. Gr. machte, wurde zum Helden umfangreicher epischer Bearbeitungen in den romanischen Literaturen, aber auch in deutscher, englischer und skandinavischer Dichtung und besaß bald „einen Ehrenplatz im mittelalterlichen Kollektivbewußtsein“ (J. Short). Im allgemeinen Bewusstsein am bekanntesten dürften die zahlreichen bildlichen Darstellungen Rolands sein, vor allem die besonders in Nord- und Nordostdeutschland häufigen Rolandssäulen.

Die vorliegende CD-ROM bietet einen umfassenden Überblick über 252 solcher Rolands-Bilder (darunter auch vermeintliche), die sich in Europa, aber auch in Amerika und Asien finden; eine grafisch nicht sehr ansprechende Karte (Ortsnamen nicht sehr scharf) vermittelt eine Vorstellung der geografischen Verbreitung. Unter der Rubrik „Entstehung und Bedeutung“ findet sich ein umfangreicher Textteil. Im ersten Abschnitt „Herkunft der Rolande“ werden die verschiedensten, z.T. abenteuerlichen Ansichten (z.B. mythologisches Götterbild; Zusammenhang mit der sächsischen Irminsul) referiert und jeweils mit ausführlicher Bibliografie dokumentiert; in gleicher Weise stellt der zweite Abschnitt „Bedeutungstheorien“ zusammen (Herrschaftszeichen, Richterbilder, Handelsprivilegien usw.). Dabei enthalten die Texte manche sprachlichen Schwächen und Fehler; die Literaturangaben sind z.T. uneinheitlich und zuweilen fehlerhaft.

Die bildlichen Roland-Darstellungen sind auf einer Gesamtliste zusammengestellt (nach Ländern geordnet), jeweils mit einem Symbol versehen für erhaltene, untergegangene, erhaltene vermeintliche und untergegangene vermeintliche Rolande; der einzelne Beleg lässt sich (wie auch von der Karte aus) direkt durch Anklicken aufrufen und erscheint dann im Bild mit zugehörigen Erläuterungen. Die Erläuterungen lassen sich nach fünf Kategorien abfragen: Aussehen; Zeittafel; Aufstellungsort und -anlass; Literatur und Erwähnungen; Ortsbeschreibung. Die zugehörigen Bilder (mal nur eines, mal bis zu zwanzig) sind naturgemäß von sehr unterschiedlicher Qualität. Bei der Fülle des Materials lassen sich natürlich nur Stichproben machen. Als beliebiges Beispiel wählen wir auf der Karte Straßburg, wo uns Roland in einem ursprünglich im Münster angebrachten Glasfenster (heute im Museum) an der Seite Karls d. Gr. entgegentritt; der Kaiser wird auf der anderen Seite von dem oft mit Roland zusammen dargestellten Ritter Olivier flankiert. Die drei beigegebenen Fotos (das gesamte Fenster und zwei Ausschnittsvergrößerungen) geben eine gute Vorstellung. Aus den zugehörigen Erläuterungen erfahren wir die Zeit der Anbringung „zwischen 1190-1200“ „mit der Darstellung des nunmehr heiligen Kaiser Karls, der 1165 heilig gesprochen worden war“. Unter „Aussehen“ wird Karl beschrieben, bei dem „das gekrönte Haupt von einem Nimbus umfangen“ ist: nicht überraschend bei einem heiligen Herrscher, aber natürlich nicht „als Zeichen seines Gottesgnadentums“. Unter „Literatur und Erwähnungen“ finden sich einige „weitere Informationen“ zum Karlskult in „Straßbourg“ mit dem Satz: „Seit dem 16. Jhdt. lebte Karls Andenken in Straßburg nur fort als das des legendären Stifters von Reliquien für die Kathedrale (Müllejahns)“. In den zugehörigen „Literaturnachweisen“ finden wir unter „Müllejahns“ die von Hans Müllejans (so korrekt!) herausgegebene Festschrift über den Aachener Karlsschrein, und auf der angegebenen Seite stoßen wir wörtlich auf den zitierten Satz, der aber weder als Zitat gekennzeichnet ist noch von Müllejans stammt, sondern aus August Brechers Aufsatz über „Die kirchliche Verehrung Karls des Großen“ in dieser Festschrift. Auf solche Ungenauigkeiten bin ich leider bei zahlreichen weiteren Stichproben gestoßen; das mag manchem als arg beckmesserisch erscheinen, aber bei einer wissenschaftlichen CD-ROM, die als Arbeitsinstrument dienen soll, halte ich solche Schnitzer für mehr als ärgerlich.

Als „eigentliches Kernstück“ stellt die beigegebene Bedienungsanleitung (die auch für technisch ungeübte Benutzer klar und verständlich ist) die „Kategorieeinstellung“ heraus, die wirklich eindrucksvolle Möglichkeiten bietet. Hier lassen sich die Roland-Darstellungen nach den Kategorien erhalten/untergegangen und sicher/vermeintlich, nach dem Zeitpunkt der Aufstellung und nach Attributen wie Materialien, Kleidung, Zubehör u.a. aussuchen; dabei gibt es für jedes der Attribute eine Auswahlliste. Bleiben wir beim Straßburger Beispiel: Ich wähle die Kategorie „Erhaltene Rolande“, für den Zeitpunkt den frühesten Zeitblock „1100-1399“, unter Attributen bei Materialien „Glas“ und bei Zubehör „Schwert“. Von den 252 Rolanden bleiben zwei übrig: das Straßburger Glasfenster und ein Fenster der Kathedrale von Chartres (um 1215), das in 21 Szenen den Spanienfeldzug Karls darstellt. Elf davon zeigen Roland; sie werden unter „Aussehen“ beschrieben. Die fünf beigegebenen Abbildungen zeigen einzelne Details (aus welchen Szenen wird leider nicht angegeben). Bei den weiteren Informationen wird u.a. L. E. Saurma-Jeltsch zitiert, wieder ohne Kennzeichnung der wörtlichen Zitate. Bei den Angaben zum „Aufstellungsanlass“ finden sich dagegen gekennzeichnete Zitate (z.B. die „staatliche Anknüpfung an der [sic!] Gründerherrscher Karl“), aber ohne Angabe des Autors: Kleinigkeiten, aber ärgerlich.

Besonders für Kunsthistoriker sehr nützlich ist die Möglichkeit, zwei Bilder zum Vergleich jeweils nebeneinander zu stellen – sei es aus den verschiedenen Abbildungen eines Monuments, sei es von zwei verschiedenen Werken. So lassen sich am gewählten Beispiel jeweils zwei Details des Chartres-Fensters vergleichen oder Gemeinsamkeiten/Unterschiede zwischen dem Straßburger und dem Chartreser Fenster intensiv studieren. Durch Anklicken eines der Bilder kommt man sofort wieder zu den zugehörigen Erläuterungen zurück; insgesamt lässt sich problemlos und schnell zwischen den verschiedenen Einstellungen hin- und herspringen. Eine ständig am unteren Rand eingeblendete Zeitleiste macht jeweils die Zeitstellung der gewählten Objekte deutlich.

Zu erwähnen bleibt schließlich noch die Rubrik „Kurioses“, wo man Angaben und Abbildungen zu Spielfiguren, Notgeld, Lagebezeichnungen, Fahrzeugen u.a. findet. Ob jemand wissen will, in welchen Orten es „Rolandstraßen“ oder Restaurants und Cafés mit diesem Namen gibt, ob er sich für PS-Stärke, Geschwindigkeit und Reisezeit des Intercity „Roland“ interessiert (mit Literaturangabe „Fahrplan der Deutschen Bundesbahn“) oder ob er Roland-Darstellungen auf Sammelbildern sucht: hier wird er fündig. Der Sucheifer der Bearbeiterin ist bewundernswert. Letztlich das erschlagende Literaturverzeichnis mit über 1.000 Titeln, das zwar (wie schon betont) nicht immer einheitlich und zuweilen unkorrekt ist, dafür aber (cui bono?) nicht nur nach Autoren, sondern auch nach Titeln, Erscheinungsjahr, Erscheinungsort und Verlagen zu sortieren ist, während der schnelle, gezielte Zugriff auf einen Autor leider nicht möglich ist. Für alle Rubriken gilt, dass sich ausgewählte Textpartien im „Notizbuch“ problemlos speichern und auch als Datei auf die heimische Festplatte übernehmen lassen.

Insgesamt liegt hier ein von der Fülle des Materials und dem Sammlerfleiß her beeindruckendes Medium vor, dessen Inhalte leicht und schnell recherchiert werden können. Am ehesten dürften m.E. Kunsthistoriker von dem Bildmaterial und den Vergleichsmöglichkeiten profitieren; für den Historiker lassen die Textteile es doch oft an der erforderlichen Sorgfalt mangeln.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
rda_languageOfExpression_redig