Bayern-Ungarn. Tausend Jahre Bayrische Landesausstellung 2001

Bayern-Ungarn. Tausend Jahre Bayrische Landesausstellung 2001

Veranstalter
Haus der Bayerischen Geschichte (10866)
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10866
Ort
Passau
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.05.2001 - 28.10.2001

Publikation(en)

Jahn, Wolfgang (Hrsg.): Bayern Ungarn: Tausend Jahre.. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2001 im Oberhausmuseum Passau. Augsburg 2001 , ISBN 3-927233-78-1 407 S., zahlr. Abb. 26 DM
Rainer Atzbach, Universität Bamberg

Die aktuelle Landesausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte widmet sich der Geschichte Bayerns und Ungarns. Ohne Bezug auf ein konkretes Datum wird ein bunter Bilderbogen über die letzten tausend Jahre ausgebreitet, der besonders die Gemeinsamkeiten beider Regionen zeigen soll. Die Konzeption setzt hierzu ausschließlich auf die Wirkung der Exponate. Die Einführungstexte der Sektionen sind extrem kurz gehalten und tragen nur wenig zum Verständnis des Gesehenen bei. Leider helfen auch die Objektbeschriftungen kaum weiter, da sie mehr als assoziierende Kommentare denn als Erklärung gedacht sind und zudem die Zuordnung oft unklar ist. Für ein fundiertes Verständnis ist deshalb die Teilnahme an einer Führung unerlässlich.

Sehr erfreulich ist dagegen die Gestaltung des reich bebilderten Katalogs. Er folgt der Ausstellungsgliederung, bietet jedoch nicht nur von Experten prägnant formulierte Einleitungen, sondern auch gute Beschreibungen und Einordnungen der Exponate. Erst durch die Lektüre erschließt sich die eigentlich intendierte Information: Der Bamberger Reiter ist König Stephan der Heilige, das weiß in Ungarn jedes Kind. Auch wenn diese Theorie unter Kunsthistorikern mehr als umstritten ist, bildet eine sehenswerte Farbrekonstruktion des bekannten Standbilds den Auftakt zur Ausstellung.

Der Rundgang beginnt im Abschnitt "Kreuz und Krone" mit der Taufe des ungarischen Fürstensohnes Vajk, der den christlichen Namen Stephan annahm, 995/96 die bayerische Herzogstochter Gisela, Schwester Kaiser Heinrichs II., heiratete und das mittelalterliche ungarische Königtum in enger Anlehnung an das Römisch-Deutsche Kaiserreich begründete. Stephans Verdienste um die Neuorganisation der Herrschaft, aber auch die Christianisierung seiner Heimat waren so weitreichend, dass er bis heute als Nationalheiliger verehrt wird. Zugleich symbolisiert seine Eheschließung die nun vorwiegend friedlichen Kontakte zum (damals tatsächlichem) Nachbarland Bayern.

Der folgende Bereich "Nachbarn-Feinde-Freunde" widmet sich den facettenreichen politischen Beziehungen der mittelalterlichen Ungarn zu ihren westlichen Nachbarn: Das mit den Finnen weitläufig verwandte heidnische Reitervolk zog ab der Mitte des 9. Jahrhunderts plündernd nach Zentraleuropa, wobei die Rolle Bayerns zwischen Gegner, Opfer und Helfershelfer schwankte. Der Sieg Ottos des Großen über die "neuen Hunnen" in der Schlacht auf dem Lechfeld markiert den Wendepunkt und die friedliche Öffnung nach Westen. Seitdem lebte die Erinnerung an die kriegerische Vergangenheit im Nibelungenlied weiter, dessen reich illuminierte Hundeshagensche Handschrift b zu bewundern ist. Mit der Christianisierung Ungarns verdichteten sich auch die dynastischen Verknüpfungen mit Bayern: die Heilige Elisabeth ist Tochter des ungarischen Königs Andreas II. und der Andechs-Meranierin Gertrud. Mit dem glücklosen Otto III. von Niederbayern wird ein Bayer sogar kurze Zeit König von Ungarn.

Die Sektion "Städte-Märkte-Straßen" beleuchtet die wirtschaftlichen Kontakte zwischen Ungarn und Deutschen. Hier geht es vor allem um die Bedeutung der deutschen Zuwanderer in die unwirtlichen Grenzregionen Siebenbürgens und der Zips. Sie sicherten mit ihren befestigten Siedlungen und Kirchenburgen die Grenze, erschlossen aber auch die reichen Bodenschätze des Karpatenbogens. Dort entstanden deutsche Siedlungsinseln eigenen Rechts und eigener Kultur in Beibehaltung und Abwandlung des Mitgebrachten.
In der Gegenrichtung bewegten sich die ungarischen Rinderherden: riesige Viehtrecks aus der Puszta versorgten Mitteleuropa im Spätmittelalter mit dem begehrten Fleisch. Sowohl der Fleisch- als auch der Metallexport wurde von Augsburger und Regensburger Kaufleuten kontrolliert, ihre Gelder, Faktoreien und Mittelsmänner beherrschten den einträglichen Ungarnhandel.

Der Abschnitt "Ungarns Blüte" widmet sich der Zeit und Person des Königs Matthias Corvinus, der als erfolgreicher Kriegsherr und Förderer der Renaissance in die Geschichte einging. Er führte Ungarn zu seiner größten Ausdehnung: sein Reich erstreckte sich von der Wachau bis nach Siebenbürgen, von der Adria bis in die Lausitz. Auch Bayern gehörte zum Einflussbereich des großen Königs: Herzog Christoph der Starke tat Dienst am ungarischen Hof, sein Prunkschwert ist Glanzstück und Symbol der Ausstellung. Sehenswert sind auch die Inkunabeln und Handschriften aus der königlichen Hofbibliothek, einst die umfangreichste weltliche Büchersammlung Europas. Auch Bayern partizipierte an Ungarns Kunst: der Ungar Albrecht Dürer d. Ä. fand im fränkischen Nürnberg eine neue Heimat.

Diese Blüte fand 1526 mit der vernichtenden Niederlage des ungarischen Ritterheeres bei Mohács ein Ende, es begann "Die Türkenzeit". Vom christlichen Königreich Ungarn blieb nur das westliche Drittel unter habsburgischer Herrschaft, Siebenbürgen unterwarf sich dem Sultan und genoss dafür weitgehende Autonomie. Die Ausstellung dokumentiert das langjährige Ringen um die Rückeroberung bis 1686 mit Waffen und Beutestücken aus den wechselhaften Kämpfen, aber auch den Fortbestand der deutschen Enklaven, die sich unter osmanischer Oberhoheit dem Protestantismus öffneten. Bayerische Truppen waren maßgeblich am habsburgischen Erfolg in Ungarn beteiligt, doch gelang es nicht, die Siege zu nutzen. Während das Erzherzogtum Österreich unter Kaiserin Maria Theresia zu einer europäischen Großmacht aufstieg, wurden die Wittelsbachischen Pläne mit ungarischer Waffenhilfe vereitelt.

Nach der verlustreichen Rückeroberung bot sich das kriegsverwüstete Ungarn als gelobtes Land für viele deutsche Zuwanderer dar. Sie gründeten "Der Donau entlang" neue Siedlungen. Anders als im Mittelalter folgten keine begehrten Spezialisten der königlichen Einladung, vielmehr kamen "klassische" Wirtschaftsflüchtlinge wie Landlose, Tagelöhner und Menschen ohne Perspektive in die alte Heimat. Sie formierten keine glanzvolle Exilkultur, ihr eindrücklichstes Zeugnis in der Ausstellung sind Tondokumente, die die alten Dialekte ihrer Heimat hören lassen.

Der Themenbereich "Im Zeitstrom - Von der Revolution zum Goldenen Zeitalter" begnügt sich mit der Bebilderung des 19. Jahrhunderts: Hier sind vor allem Gemälde der ungarischen Künstlerkolonie in München und der bekanntesten Bayerin in Ungarn, Königin Elisabeth ("Sissi"), zu sehen.
Den Abschluss bilden "Stationen im 20. Jahrhundert". Die Darstellung reicht vom Untergang des alten Ungarn im Vertrag von Trianon bis zur Niederschlagung des verzweifelten Aufstands von 1956 in Zeitzeugenberichten. Zur Abrundung des neuen Ungarn-Bildes dürfen hier auch die "Piroschka"- und "Sissi"-Filme nicht fehlen.

Wer die schöne Stadt Passau besucht, für den ist an einem Regentag auch der Besuch der neuen Landesausstellung lohnend, wenn er oder sie an einer Führung teilnimmt. Wer sich über die Gemeinsamkeiten der Geschichte Bayerns und Ungarns oder aber über die Kultur der deutschen Zuwanderer im alten Ungarn informieren möchte, dem sei der Erwerb des Katalogs dringend empfohlen.

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