C. von Plessen (Hrsg.): Maueranker und Stier

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Titel
Maueranker und Stier. Plesse, Plessen. Tausend Jahre eines norddeutschen Adelsgeschlechts


Herausgeber
Plessen, Christian von
Erschienen
Schwerin 2015: Thomas Helms Verlag
Anzahl Seiten
Preis
€ 120,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Rastig, Historisches Seminar, Universität Leipzig

Das Sammelwerk behandelt die Geschichte des norddeutschen Adelsgeschlechts Plesse/Plessen von den Anfängen im neunten Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Der erste Band enthält achtzig Beiträge von vierundvierzig Autoren, darunter Archäologen, Bauhistoriker, Ethnologen, Historiker, Juristen, Mediziner und Theologen. Der zweite Band beinhaltet einen umfangreichen Personenkatalog, erstellt von Tobias Pietsch, geordnet nach den verschiedenen Linien und Zweigen der von Plesse/Plessen. Er enthält Karten zu den Besitzungen der Familie sowie Register und Verzeichnisse von Abkürzungen, Quellen, Literatur, Abbildungsnachweisen, Personen, Orten, Zeichenerklärungen und Autoren. Beigelegt sind noch mehrere Stammtafeln im Einband.

Das Werk ist besonders deshalb interessant, weil darin die Verlagerung des Lebensmittelpunktes von Mitgliedern einer Adelsfamilie aus dem sächsischen Altsiedelgebiet in den südwestlichen Ostseeraum sowie deren Etablierung in der Ankunftsregion seit dem 13. Jahrhundert detailliert verfolgt werden. Die Beiträge beinhalten u.a. besitz-, kirchen-, personen-, politik- und sozialgeschichtliche Untersuchungen über Angehörige der Adelsfamilie aus beiden Räumen. Zu diesen inhaltlichen Hauptschwerpunkten kommen noch zwei weitere Blöcke. Sie umfassen biographische Studien für die Zeit des 17. bis 19. Jahrhunderts sowie Beiträge zur Familiengeschichte des frühen 20. Jahrhunderts.

Der Textband beginnt mit drei einführenden Beiträgen, die die Burg Plesse als geographisches Zentrum der Familie, die Herleitung des Namens sowie die genealogische Herkunft thematisieren. Für die Herrschaft der Plesse im heutigen Niederachsen werden drei Felder behandelt: die Beziehungen zu Herrschaftsträgern unterschiedlicher Ebenen, das Wirken im eigenen Herrschaftsbereich sowie grundwissenschaftliche und kunsthistorische Aspekte. Die Königsnähe der Familie wird in zwei Beiträgen von Bernd Ulrich Hucker (S. 84-99, 100-104) thematisiert. Er demonstriert sie exemplarisch für Helmold II. von Plesse, den er der Partei Ottos IV. (1198-1218) zuordnet. Innerhalb des eigenen Herrschaftsgebiets bilden die Beziehungen der Familie zu Klöstern einen wichtigen Aspekt. So ordnet Peter Aufgebauer (S. 126-129) die Gründung des Hausklosters Höckelheim in die Reihe der Klostergründungen der Zisterzienser um die Mitte des 13. Jahrhunderts in der Region ein. Gerhard Streich (S. 114-117) hebt die Bedeutung der Gebetsgemeinschaft mit dem Kloster Reinhausen hervor. Neben historischen Beiträgen werden auch archäologische und kunsthistorische Objekte untersucht, die sich mit der Familie verbinden lassen. Die Beschreibung und Analyse des Quedlinburger Wappenkästchens durch Natalie Kruppa (S. 105-113) sei hier besonders hervorgehoben. Die 33 dargestellten Wappen bilden eine wichtige heraldische Quelle für den norddeutsch-sächsischen Raum; darauf findet sich der erste Nachweis eines Wappens der Familie von Plesse.

Die Ankunft und Verankerung von Familienmitgliedern im südwestlichen Ostseeraum während des Mittelalters bilden den zweiten inhaltlichen Schwerpunkt des Sammelbandes. In insgesamt 23 Beiträgen wird die Geschichte der Familie von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zur Einführung der Reformation in diesem Gebiet erfasst. Bernd Ulrich Hucker (S. 170-183) stellt die Übersiedlung von Familienangehörigen nach Mecklenburg in den Kontext der kaiserlichen Politik Ottos IV. und der vorübergehenden Belehnung der Grafen von Schwerin mit dem Land der Obodriten. Über die Brüder Bernhardus und Helmoldus de Walie sieht er die genealogische Verbindung zur ersten Nennung eines Plessen in Mecklenburg 1263. In der Folge befassen sich die Autoren mit verschiedenen landeshistorischen Themen, einzelnen Angehörigen der Familie und besitzgeschichtlichen Untersuchungen. Ernst Münch (S. 253-257) betrachtet den Anteil der Familie von Plessen an den beiden landesherrlichen Vormundschaftsregierungen 1329 bis 1336 sowie 1423 bis 1436 und rückt dabei die gravierenden Unterschiede der politischen Rahmenbedingungen und Ergebnisse in den Vordergrund. Andreas Röpcke (S. 245-252) verfolgt am Beispiel der Brüder Anthonius und Johannes von Plessen Bestrebungen, in den Kirchen der Region Fuß zu fassen, was aber nur teilweise gelang. Sie erhielten Domherrenwürden in Hamburg und Lübeck, Schwerin blieb ihnen aber wohl verwehrt. Der Autor konstatiert, dass die Plessen in dieser Hinsicht weniger aktiv und erfolgreich waren als beispielsweise die sehr umtriebige Familie von Bülow. Tobias Pietsch (S. 264-269) gibt einen kurzen Überblick der verschiedenen Rittersitze der Plessen vorrangig in Rosenthal, Barnekow und Arpshagen. Außer den besitzgeschichtlichen Analysen stellt er die unterschiedliche Teilhabe der Linien an der landesherrlichen Regierung heraus; die Linie Barnekow war diesbezüglich die bedeutendste. Christian Gahlbeck (S. 295-301) beschreibt das Wirken Bernhards von Plessen (gest. 1468) als Komtur der Johanniter-Kommende Mirow. Eike Wolgast (S. 314-319) widmet sich der Einführung der Reformation im Klützer Ort (Winkel), in dem die Plessen unter den Adelsfamilien dominierten.

Die Geschichte der Familie Plessen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert wird fast ausschließlich über Biogramme und somit über eine personale Ebene erschlossen. Joachim Krüger (S. 353-357) schildert beispielsweise den Aufstieg und Fall des Samuel Christoph von Plessen, dem es in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gelang, in der dänisch-norwegischen Armee eine Karriere bis zu hohen Ehren zu durchlaufen, der jedoch durch finanzielle Misswirtschaft und Korruption in Verruf geriet und schließlich noch nach seinem Tod 1704 verurteilt wurde. Marie-Louise von Plessen (S. 371-375) beschäftigt sich mit dem Reformer Christian Ludvig d. J. Scheel von Plessen, dem große Anteile an der Bauernbefreiung im Königreich Dänemark im Zuge der Französischen Revolution zugeschrieben werden, die er als Beamter und Getreuer des dänischen Königs gegen teils erbitterte Widerstände der konservativen Gutsbesitzer durchzusetzen vermochte. Ingrid Männl (S. 435-441) beschreibt die Bemühungen der mecklenburgischen Plessen, Angehörige der Familie zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Johanniterorden aufnehmen zu lassen, was durch die Säkularisierung des Ordens 1810/11 gegenstandslos wurde. In dem als Nachfolge gestifteten Königlich Preußischen Johanniterorden gelang es zuerst (1812) Hans Adolf von Plessen, darin aufgenommen zu werden.

Die Beiträge für das 20. Jahrhundert beinhalten kleinere Biogramme, beispielsweise über den wilhelminischen Generaladjutanten Hans von Plessen oder den Maler und Forscher Baron Victor von Plessen. Im Mittelpunkt stehen Ausführungen über die Familiengüter in Damshagen, Schönfeld und Fussingø und deren Schicksale im Zuge der Weltkriege. In zwei separaten Beiträgen legen Christian von Plessen (S. 508-517) und Marie-Louise von Plessen (S. 531-534) die Geschichte der Güter dar und erzählen die Umstände, die nach 1945 zu teils entschädigungslosen Enteignungen führten. Daran anschließend schlägt John Booth (S. 516-530) den Bogen in die Gegenwart. Ausgehend von der Vertreibung der Familie aus Damshagen und Schönfeld 1945 geht es ihm vor allem um die juristische Aufarbeitung der Enteignung.

Der Sammelband zur Geschichte des norddeutschen Adelsgeschlecht Plesse/Plessen weist viele Beiträge zu den genannten inhaltlichen Schwerpunkten auf, die einen neuen Forschungsstand repräsentieren. Das trifft besonders auf die historischen Untersuchungen zur Geschichte der Adelsfamilie in ihren verschiedenen Aktionsräumen während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit zu. Kritisch sei angemerkt, dass der Textband nicht stärker nach den inhaltlichen Schwerpunkten untergliedert wurde. Dem Personenkatalog im zweiten Band hätte man aufgrund der Komplexität und der inneren Verweise eine kurze Einführung voranstellen sollen. Das Kartenmaterial im zweiten Band hätte nutzerfreundlicher gestaltet werden können, so etwa durch Angaben zu Maßstäben, Landesgrenzen und Hauptorten zur Orientierung sowie einer Erklärung für die unbezeichneten Besitzorte. Den positiven Gesamteindruck des Sammelbandes schmälert dies jedoch in keiner Weise. Es ist den Herausgebern und Autoren zu wünschen, dass ihr Werk die norddeutsche und vergleichende Adelsforschung voranbringen und weiterführen wird.

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