T. Le Deschault de Monredon: Le décor peint

Titel
Le décor peint de la maison médiévale. Orner pour signifier en France avant 1350


Autor(en)
Le Deschault de Monredon, Térence
Erschienen
Anzahl Seiten
352 S., 225 Farbabb.
Preis
€ 39,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Svenja Trübenbach, Kunsthistorisches Institut, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

15 Jahre nach der Publikation des ersten, umfassenden Bestandskatalogs zur malerischen Ausstattung profan genutzter Gebäude im mittelalterlichen Frankreich von Christian de Mérindol1 legt Térence Le Deschault de Monredon mit seiner Dissertationsschrift ein ebenso ambitioniertes Werk vergleichbarer inhaltlicher Ausrichtung vor. Die Entscheidung, den Untersuchungszeitraum von etwa 1100 bis 1350 zu beschränken, ergibt sich laut dem Autor zum einen daraus, dass ihm in Frankreich außerhalb von sakralen Gebäuden keinerlei figurative Malereien früheren Datums bekannt seien. Dieses Argument ist ebenso überzeugend wie der Hinweis darauf, der Ruf italienischer Künstler an den päpstlichen Hof in Avignon habe sich von dort ausgehend ab der Mitte des 14. Jahrhunderts rasch in neuen künstlerischen Ausdrucksformen niedergeschlagen. Zudem sei die urbane Expansion und damit die Entstehung neuer Ausstattungsprogramme durch die ersten Jahrzehnte des Hundertjährigen Krieges sowie das Wüten der Pest gebremst worden, bevor gesellschaftliche Modifikationen im Zuge des Krieges auch eine neue Auftraggeberschaft mit veränderten Ansprüchen hervorgebracht hätten (S. 10f.).

Zwar kann Monredon dem Korpus Mérindols nur wenige Objekte hinzufügen, im Gegensatz zu der dort auffälligen Abwesenheit von Bildmaterial wartet die hier besprochene Arbeit jedoch mit einer Fülle hochqualitativer Farbabbildungen auf. Sie liefert damit erstmalig auch auf optischer Ebene ein Übersichtswerk zur mittelalterlichen Wandmalerei im Profanraum in Frankreich, das ein vergleichendes Sehen ermöglicht und so von hohem Wert für die kunsthistorische Arbeit ist. Zudem wird dem vorhandenen Korpus ein weitaus umfangreicherer Textteil vorangestellt, der die Objekte in tiefgreifender Weise vorstellt, ihre Verbindung untereinander verdeutlicht und die von ihnen verhandelten Sujets mit den historischen Begebenheiten in Beziehung setzt. Ziel ist es, den besonderen historischen und künstlerischen Stellenwert der Wandmalerei herauszustellen, „que l’on entreprenne l’étude des décors peints figuratifs civils sur une plus large échelle que celle adoptée jusqu’à présent et que cela soit fait en se débarrassant des a priori que les études ponctuelles de découvertes isolées ont pu faire naître“ (S. 10). Der Autor plädiert jedoch nicht nur für eine Aufwertung der Materie im wissenschaftlichen Kontext, sondern ebenso für eine Sensibilisierung der Gebäudebesitzer, um den Erhalt dieser einzigartigen Kunstwerke zu gewährleisten.

Der erste von insgesamt vier Teilen enthält die obligatorischen Kapitel zur Technik der besprochenen Wandmalereien und zu den ausgeschmückten Gebäudetypen sowie zur Organisation der Räume und ihrer Ausmalung. Es wird deutlich, dass die figürliche, insbesondere die narrative Wandmalerei im Fokus der Betrachtung stehen soll und rein ornamentale oder rein heraldische Dekore nicht mit einbezogen werden. Die Begründung, sie seien in ihrem Sinngehalt beschränkt respektive verdienten – im Falle der Heraldik – aufgrund der Frage nach ihrer plötzlichen Ausbreitung im 13. und 14. Jahrhundert eine gesonderte Bearbeitung (S. 22), ist sicher zulässig. Der in Frankreich weit verbreiteten Deckenmalerei des Mittelalters schreibt Monredon einen „caractère généralement marginal“ (S. 28) zu, nicht jedoch, ohne vorher einige herausragende Ausnahmen in knapper Form gewürdigt zu haben. Die übrigen Vertreter dieser Objektgruppe finden nur Beachtung, insofern sie in Kombination mit figürlicher Wandmalerei auftreten und für deren Ikonografie von Bedeutung sind.

Die einführenden Erläuterungen dienen als Grundlage für den zweiten Teil, die Analyse des umfangreichsten und bekanntesten profanen Wandmalerei-Ensembles des Untersuchungszeitraums und -gebiets. Die Tour Ferrande in Pernes-les-Fontaines vereint unterschiedlichste Ikonografien aus biblischen und historischen Zusammenhängen, höfischem Roman und moralischem Exemplum. Monredon gelingt es erstmals, sie in ihrer Gesamtheit zu entschlüsseln und überzeugend als sich auf mehreren Sinnebenen verschränkende Elemente eines komplexen Bildprogramms begreifbar zu machen. Die vorrangige Intention des Auftraggebers lag demnach in der Betonung der bis in karolingische Zeit zurückreichenden Allianz der eigenen Familie mit der französischen Krone sowie der Ausweisung des Raumes als Gerichtssaal, in dem er selbst als Richter tätig war. Auch an anderer Stelle, etwa für das Château de Verdon-Dessous in Cruet2, bietet Monredon neuartige Interpretationsansätze und kann so bisher nur unzureichend gedeutete Details plausibel erklären.

Die Darstellungen der Tour Ferrande decken einen Großteil der in der profanen Wandmalerei Frankreichs bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts vertretenen Themen ab, die im folgenden dritten Teil anschaulich mit zahlreichen weiteren Beispielen verbunden werden. Diese werden den Kategorien „Les thèmes guerriers“ respektive „Les thèmes non guerriers“ zugeordnet. Die aufgestellten Thesen werden unter Heranziehung andersartiger zeitgenössischer Zeugnisse aus dem literarischen bzw. künstlerischen Bereich (Heldenepik, Buchmalerei, Siegel etc.) unterstützt und die Malereien so gleichsam in einer größeren historischen Kunst- und Kulturlandschaft verankert. Im Kapitel „Quelques thèmes absents des vestiges français“ nimmt Monredon auch die angrenzenden geographischen Gebiete hinsichtlich ihrer abweichenden und die französischen Beispiele somit ergänzenden Themenvielfalt ausschnitthaft in den Blick – das Rad der Fortuna und der Fünf Sinne, sowie Monatsarbeiten oder astrologische Szenen sucht man in Frankreich vergeblich. Alttestamentarische Szenen ohne kriegerisches Potenzial finden sich, entgegen der Annahme des Autors, jedoch nicht nur in Barcelona, sondern etwa auch in Lübeck in Form eines umfangreichen Schöpfungszyklus’ (Königstraße 28) oder den Gestalten Davids und Moses (Königstraße 51).3

Der letzte Abschnitt des Textteils befasst sich schließlich mit der Frage nach der Datierung der Wandmalereien, wobei zunächst die Bandbreite allgemein möglicher, archäologischer und historischer Quellen vorgestellt wird, die immer wieder auch mit Beispielen aus dem Korpus veranschaulicht wird. Ebenso verhält es sich mit der Entwicklungsgeschichte von Waffen und Kleidung im mittelalterlichen Frankreich, die selbst schon als kleines Nachschlagewerk und so als erste Orientierungshilfe für die Datierung einer Darstellung anhand ihrer realienkundlichen Details dienen kann. Mithilfe der vorgestellten Indizien unternimmt Monredon abschließend den Versuch einer chronologischen Einordnung der vorgestellten Objekte, während sich die Erstellung einer „geógraphie artistique“ als schwierig erweist, da die Verteilung der Funde, wie er richtig anmerkt, dem Zufall obliege (S. 283).

Auffällig sei jedoch, dass in den ansonsten künstlerisch reichen Regionen Frankreichs kaum Gebäude mit Wandmalereien zu verzeichnen seien. Diese konzentrierten sich hingegen im Languedoc, der Provence, der Auvergne, dem Zentrum, dem Norden der Pays de la Loire, der Picardie sowie der Île-de-France. Der große Einfluss der Pariser Gotik auf das gesamte Land ließe zudem kaum regionale Unterschiede hervortreten, und auch die in fast allen Fällen gehobene künstlerische Qualität weise auf eine beschränkte Anzahl gut ausgebildeter und weiträumig tätiger Künstler hin. Möglicherweise handele es sich dabei auch um Maler mit Kompetenzen im Bereich der Buchmalerei, da nicht selten eine große Nähe zu zeitgenössischen Illuminationen erkennbar sei (S. 283). Bei einer Vielzahl unterschiedlicher Ikonografien tauchten nur drei von ihnen häufiger auf: der ritterliche Zweikampf, die Hetzjagd sowie einzelne Heiligenfiguren (S. 288).

Die dem Leser nun schon gut vertrauten Objekte werden im Anhang auf einer geografischen Übersichtskarte zusammengestellt, die noch einmal eine Häufung der Funde in Avignon, Chinon, Montpellier, Périgueux und Viviers verdeutlicht. Darauf folgt das nach Orten alphabetisch geordnete Korpus. Die Zahl, die jedem der insgesamt 55 Gebäude zugeordnet ist, findet sich auch hinter jeder ihrer Nennungen im Textteil, was die praktische Arbeit erheblich erleichtert. Das handliche Format der Publikation entspricht ihrem klar strukturierten, benutzerfreundlichen Aufbau und macht sie zu einem wertvollen und praktischen Arbeitsutensil.

Die Dissertation von Térence Le Deschault de Monredon stellt ein durch ihre reiche Bebilderung überaus anschauliches Werk dar, dessen Anspruch weit über den eines Bestandkatalogs hinausgeht. Die Kombination aus detailliertem, gründlich recherchiertem Textteil und Korpus ermöglicht eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand und verwebt die zunächst oft scheinbar solitär stehenden Funde durch zahlreiche Querverweise und Rückbezüge zu einem die Jahrhunderte umspannenden Netz. Dabei zieht sich insbesondere die Tour Ferrande wie ein roter Faden durch das Buch, aber auch die Tour Palmata in Gaillac ist beispielsweise dank ihrer Kreuzzugsszenen nicht nur für das Kapitel „Les thèmes guerriers“ unter „Chrétiens et infidèles“ interessant, sondern aufgrund von mitziehenden Musikanten auch für den Aspekt „La musique et la danse“ des darauffolgenden Kapitels „Les thèmes non guerriers“. Ob die Konfrontation zweier Ritter mit Jagdvögeln als Beschäftigung während des Kreuzzugs und damit als zugehörige Szene gedeutet werden kann, bleibt unklar, sodass sie auch im Unterpunkt „La chasse“ desselben Kapitels vertreten ist. Das wiederholte Aufgreifen einzelner Objekte unter diversen thematischen Schwerpunkten unterstreicht ihre Vielfalt und Komplexität und macht das Buch zu einer spannenden Lektüre.

Anmerkungen:
1 Christian de Mérindol, La Maison des Chevaliers de Pont-Saint-Esprit. Bd. 2: Les décors peints. Corpus des décors monumentaux peints et armoriés du Moyen Âge en France, Pont-Saint-Esprit 2000.
2 Die Ergebnisse wurden bereits 2013 publiziert: Térence Le Deschault de Monredon, Le cycle peint du château de Cruet (Savoie, vers 1307). Une représentation du roman de Girart de Vienne?, in: Bulletin monumental 171,2 (2013), S. 107–116.
3 Für weitere Informationen vgl. die entsprechenden Einträge auf: http://www.wandmalerei-luebeck.de/ (03.01.2017).

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