Pons, Silvio; Smith, Stephen A. (Hrsg.): Communism. World Revolution and Socialism in One Country 1917–1941. Cambridge 2017 : Cambridge University Press, ISBN 978-1-107-09284-6 XX, 655 S. € 132,71; £ 120.00

Naimark, Norman; Pons, Silvio; Quinn-Judge, Sophie (Hrsg.): Communism. The Socialist Camp and World Power 1941–1960s. Cambridge 2017 : Cambridge University Press, ISBN 978-1-107-13354-9 XVI, 684 S. € 135,09; £ 120.00

Fürst, Juliane; Pons, Silvio; Selden, Mark (Hrsg.): Communism. Endgames? Late Communism in Global Perspective, 1968 to the Present. Cambridge 2017 : Cambridge University Press, ISBN 978-1-107-13564-2 XV, 645 S. € 127,74; £ 120.00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ilko-Sascha Kowalczuk, Abt. Bildung und Forschung, Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU)

Ob der Kommunismus nur noch zur Geschichte zählt, scheint gegenwärtig weltweit wieder in Frage zu stehen. Nach den Revolutionen, Umbrüchen, Untergängen und Zusammenbrüchen von 1989/91 schien ein Revival des Kommunismus als reale Machtoption ausgeschlossen. Die Sowjetunion löste sich auf und mit ihr der europäische Kommunismus; in China transformierte sich der Kommunismus in ein diktatorisches System ohne passende begriffliche Zuschreibung, aber eben ohne einige prägende Charakteristika des Kommunismus. Die letzten verbliebenen Bastionen sind keine: Auf Kuba schlingert der Kommunismus längst auf sein Ende zu. In Nordkorea herrscht zwar die schlimmste Diktatur, die aber wiederum mit Kommunismus bekannter Spielarten schon lange nur noch wenig zu tun hat. Und dennoch (oder vielleicht gerade deswegen) scheint ein Wiedererstarken kommunistischer Ideen gegenwärtig weltweit angesichts vielfältiger sozialer und politischer Krisenerscheinungen als sehr wahrscheinlich. Kaum jemand hätte 1989/90 geahnt, welche Revitalisierung der Nationalismus in Europa innerhalb weniger Jahre erfahren würde – dem Kommunismus könnte eine ähnliche Wiederbelebung bevorstehen. Die politische Rhetorik der linken und rechten Ränder deutet darauf hin und beide breiten sich immer stärker in Richtung Mitte der Gesellschaften aus. Insofern ist es sehr hilfreich, die Geschichte des Kommunismus präsent zu haben, denn sein rasanter Aufstieg vor etwa 100 Jahren erfolgte inmitten sozialer Verwerfungen und politischer Desorientierungen und war mit arkadischen Heilsversprechungen verbunden.

In den letzten Jahren sind zahlreiche Gesamtdarstellungen des Kommunismus erschienen. Herausragend sind dabei zum Beispiel David Priestlands „Weltgeschichte des Kommunismus. Von der Französischen Revolution bis heute“ (2009) als globaler Überblick und Gerd Koenens „Die Farbe Rot. Ursprünge und Geschichte des Kommunismus“ (2017), der sehr detailliert und ausgreifend die Grundideen des Kommunismus historisch herleitet. Die Literatur insgesamt freilich ist kaum überschaubar. 2014 erschien das sehr nützliche „The Oxford Handbook of The History of Communism“. Darin handeln Expertinnen und Experten in 35 Kapiteln ideologische, theoretische, globalgeschichtliche und sachthematische Gesichtspunkte auf etwa 600 Seiten ab. Das Oxford-Handbuch bietet Studierenden und historisch Interessierten einen guten Einstieg in das Thema und einen Überblick über wesentliche Aspekte der Kommunismusgeschichte. Aber auch Spezialistinnen und Spezialisten werden hier fündig, da kaum jemand im asiatischen, afrikanischen, europäischen und mittelamerikanischen Kommunismus gleichermaßen bewandert sein kann. Dem vergleichsweise schmalen Oxford-Handbuch steht nun die dreimal so umfangreiche „Cambridge History of Communism“ zur Seite. Ähnlich wie das Oxford-Handbuch erweist sie sich als eine global angelegte Gesamtgeschichte, deren insgesamt 79 Beiträge von Autorinnen und Autoren aus zwölf Ländern kommen, wobei die USA und Großbritannien deutlich dominieren. Die drei Bände sind jeweils zeitlich begrenzt, die Aufsätze in ihnen folgen regionalen und systematischen Ansätzen.

Die Bände liefern einen Überblick über alle wesentlichen Entwicklungstendenzen, wobei die sowjetische und chinesische Kommunismusgeschichte herausgehobene Berücksichtigung finden. Hier scheint weltweit auch die Forschung besonders elaboriert zu sein. Die Bedeutung der Bände liegt aber gerade darin, dass auch der Kommunismus in Asien sowie in Mittel- und Südamerika intensiv beleuchtet wird und dass auch der afrikanische nicht unberücksichtigt bleibt.

Im Vergleich zum Oxford-Handbuch fällt zunächst auf, dass es Überschneidungen bei den Autoren und sogar bei einem Herausgeber (Stephen A. Smith) gibt, was ein Hinweis darauf ist, dass die Zahl etablierter Kommunismusforscher im Vergleich zu anderen Disziplinen quantitativ überschaubar ist. Ebenso ist zu konstatieren, dass die präsentierten Forschungsergebnisse und -ansätze nicht unbekannt sind, was für ein Handbuch aber wiederum eher einen Glücksfall darstellt, das schließlich Erkenntnisse zu bieten hat, die zum Erscheinungszeitpunkt als gesichert gelten können. Jedem Beitrag ist ein knapper und nützlicher Literaturüberblick beigefügt, was den Handbuchcharakter unterstreicht. Die meisten beschränken sich dabei auf englischsprachige Literatur, was nicht immer sachgerecht erscheint (diese Einschränkung trifft aber auf die Fußnoten in der Regel nicht zu).

Handbücher oder Anthologien ersetzen keine Gesamtgeschichte aus einer Hand. Letztere haben den Vorteil, in aller Regel lesbarer und systematischer angelegt zu sein. Sie müssen aber auch in Kauf nehmen, nur einen geringeren Teil ihres Inhalts auf eigenen Forschungen basieren lassen zu können, was dann meist mit erheblichen Verknappungen, zuweilen Verzerrungen oder auch schmerzlichen Auslassungen respektive Fehlern einhergeht. Solch ambitionierte Handbücher wie „Cambridge History of Communism“ müssen sich zwar auch beschränken, aber da die einzelnen Essays durchweg von Spezialistinnen und Spezialisten verfasst worden sind, garantieren sie ein höchstes Maß an Solidität und repräsentieren überwiegend den aktuellen Forschungsstand. Allerdings wird kaum jemand die Bände komplett lesen, sondern nur als Nachschlagewerk und für spezielle Fragen heranziehen. Insofern ist auch diese Cambridge-Geschichte hervorragend für die Lehre und in der Forschung dann geeignet, wenn es sich um Fragen und Themen handelt, für die man selbst kein Spezialist ist.

Obwohl es nicht möglich ist, fast 80 Beiträge eines zweitausendseitigen Handbuchs im Einzelnen zu würdigen, sei zumindest auf einige Schwerpunkte hingewiesen. Im ersten Band (1917–1941) dominiert die Analyse sowjetischer Entwicklungen. Aber auch die Komintern, der spanische Bürgerkrieg, einzelne Persönlichkeiten oder Probleme wie Terror, Nationalismus, Personenkult, Gender, Sozialpolitik oder Regierungsprobleme werden abgehandelt. Neben der Sowjetunion gibt es Beiträge über Deutschland, China und Zentralasien, wobei andere Länder und Weltregionen in einzelnen Aufsätzen zusätzlich vorkommen (jeder Band ist mit einem Personen- und Sachregister versehen, sodass die Suche nach bestimmten Schlagworten möglich ist). Diese und weitere Aufsätze zeigen die Breite des Themas und die Ausdifferenzierung der Forschung gleichermaßen.

Entschieden zu kurz kommen hier die historischen Ursprünge des Kommunismus – dieser wird bis auf einen Aufsatz von Geoff Eley („Marxism and Socialist Revolution“) als bolschewistisches/sowjetisches Phänomen abgehandelt bzw. weitgehend darauf reduziert. Zwar werden etwa in dem Beitrag über den „German Communism“ (Eric D. Weitz) die historischen Ursprünge für die Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung beleuchtet. Aber auch hier scheint der Kommunismus nur in seiner konkreten politischen Spielart (Weimarer Republik) existiert zu haben. So berechtigt eine solche Perspektive für jeden einzelnen Aufsatz sein mag, für ein Kommunismus-Handbuch insgesamt wären ideen- und theoriegeschichtliche Betrachtungen, wie sie Koenen so trefflich und umfassend vorgelegt hat, nicht nur nützlich, sondern notwendig gewesen.

Der zweite Band umfasst die Zeit von 1941 bis in die 1960er-Jahre hinein, eine Zeit, die den Kommunismus globalgeschichtlich auf dem Höhepunkt seiner Machtausbreitung und Anziehungskraft sah. Während der Erste Weltkrieg als Motor der kommunistischen Machtentfaltung zwar gewürdigt, aber nicht in einem eigenen Beitrag in Band 1 analysiert worden ist, setzt der zweite Band hier an: Er behandelt den Zweiten Weltkrieg als Ausgangspunkt sowjetischer Expansionspolitik und globaler kommunistischer Machtansprüche. Im ersten Teil des zweiten Bandes stehen zunächst der Krieg und die antifaschistischen Bewegungen in Europa und Asien als Motoren der konkreten kommunistischen Machtambitionen im Mittelpunkt; auch die Faszination, die der Kommunismus auf viele Menschen ausübte, kommt zur Sprache. Dann werden die konkreten Entwicklungen in der UdSSR und China betrachtet, wobei der sowjetisch-chinesische Konflikt, der zum kommunistischen Schisma führte, ebenso ausführlich behandelt wird wie die innerkommunistischen Krisenmomente wie 1953, 1956, 1968 oder die Entstalinisierung.

Der zweite, umfangreichere Teil des zweiten Bandes untersucht in konkreten Länder- bzw. in Regionalstudien die Globalgeschichte des Kommunismus etwa in Kuba, Vietnam, Nordkorea, Indonesien, Indien, Jugoslawien oder in Südamerika, Afrika oder der arabischen Welt. Irritierend ist hier, dass solche große „Regionen“ in knappen Beiträgen abgehandelt werden. Hier wäre es ratsam gewesen, postkoloniale Theorieansätze schon in die Konzeption einfließen zu lassen, nicht zuletzt um eine größere Differenzierung bei der Betrachtung großer Weltregionen oder gar ganzer Kontinente zu ermöglichen. So bleiben diese Aufsätze auf dem Niveau sehr gut recherchierter Lexikoneinträge, komparative Perspektiven bleiben randständig, es überwiegt die Addition. Instruktive Aufsätze zum Kommunismus in Italien, Frankreich und den USA werfen die Frage auf, warum Spanien, Großbritannien oder Griechenland fehlen. Das mag man erklären können. Unverständlich ist jedoch, warum der sowjetische Machtbereich ausschließlich in der Perspektive von Sowjetisierung und Entstalinisierung betrachtet wird. Immerhin waren in Polen, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, der CSSR oder der DDR Kommunisten an der Macht, das hätte bei einem solchen opulenten Handbuch eigenständige Beiträge zwingend erfordert (auch über Albanien, das fast völlig unerwähnt bleibt). Hier scheinen die Proportionen nicht sachgerecht verteilt worden zu sein, was aber wohl auch damit zusammenhängt, dass das Handbuch kaum sozial-, kultur- und gesellschaftshistorische Blickwinkel entfaltet. In politikhistorischen Perspektiven, wie sie in diesem Buch dominieren, erschienen solche Beiträge wahrscheinlich am ehesten entbehrlich, weil Moskau als Zentrum und Budapest, Prag, Warschau, Sofia, Bukarest oder Ost-Berlin bestenfalls als interessante Peripherieorte eines kompakten Imperiums erscheinen. Aber selbst für die Analyse der Aufstände gegen den Kommunismus ist eine andere als nur eine politikhistorische Perspektive notwendig, um gesellschaftliche Prozesse unter der konkreten Macht des Kommunismus in Europa herauszuarbeiten. Das unterbleibt aber weitgehend. Dies ist zugleich die größte Schwäche der Bände 2 und 3: Die reale Kommunismusgeschichte in Ost- und Ostmitteleuropa, selbst die annektierten Regionen in der UdSSR (Mittelasien oder Baltikum) bleiben merkwürdig konturlos, ja, geradezu unsichtbar in dieser Kommunismusgeschichte.

Der dritte Band besteht aus drei Teilen und kompensiert zum Teil die für den zweiten Band ausgemachten gesellschaftshistorischen Defizite. Im ersten Teil werden die globalen Ansprüche sowie die Krisensymptome betrachtet. Als Ausgangspunkt erscheint „1968“, der Vietnamkrieg und der Kalte Krieg. Die antikoloniale Befreiungsbewegung erhält – anders als etwa in den Büchern von Odd Arne Westad – keine adäquate Würdigung. Der Zusammenbruch des sowjetischen Systems wird analysiert, der Reformkommunismus behandelt, aber der Eurokommunismus (als Teil des Reformkommunismus!) kommt entschieden zu kurz. Kambodscha, Revolutionen und Diktaturen in Süd- und Mittelamerika oder Afrika erhalten Einträge, die Revolutionen und Umbrüchen gegen den Kommunismus in Europa werden aber wiederum nicht einzeln, sondern nur summarisch (und sehr oberflächlich) betrachtet. Das ist ärgerlich und unerklärlich. Das größte Manko aber besteht darin, dass zwar in einem sehr schmalen Beitrag die Frage der Menschenrechte im Kommunismus untersucht wird, aber insgesamt die Breite von Opposition, Widerstand und Verfolgung weder historisch angemessen noch überhaupt analytisch angerissen vorkommt. So bleiben die Gesellschaften konturlos, die Menschen werden zu Opfern stilisiert, die sich offenbar nicht zu wehren versuchten. Das unterstreicht denn auch der zweite Teil des dritten Bandes, in dem es um Alltag und Erfahrungen geht. Auch hier bleibt bei den wichtigen Betrachtungen zu Religion, Öffentlichkeit, Medien und Propaganda, Literatur oder Feminismus bzw. Gender vieles notwendigerweise nur angerissen. Das hängt an der Gesamtkonzeption, denn wie sollte ein einzelner Autor etwa den Eintrag zu „Kommunismus und Religion“ bewältigen? Auch hier wären zusätzliche exemplarische Länderstudien wohl erhellend gewesen. Im dritten Teil geht es dann um Vermächtnisse, Hinterlassenschaften und Erinnerungen, naturgemäß jener Abschnitt, der sich selbst beständig ändert.

Abschließend sei angemerkt, dass die Cambridge-Ausgabe ganz ähnlich wie das Oxford-Handbuch implizit noch ein Überbleibsel des Kalten Kriegs demonstriert:1 Der deutsche Kommunismus (wahrlich nicht unwesentlich für den globalen Kommunismus) und die DDR-Geschichte (eher unwesentlich für den Weltkommunismus, wenn auch als Sonderfall und vor allem wegen der einmaligen Archivsituation seit 1990 wiederum forschungsmäßig besonders interessant) kommen insgesamt in beiden Sammelwerken im Vergleich zu anderen Regionen nicht angemessen vor. Dafür könnten die Herausgeber eventuell sachliche Gründe anführen. Hier spiegelt sich aber wohl eher die Struktur der universitären Departments im angloamerikanischen Raum, in der die auf Deutschland bezogene Forschung traditionell nicht dort in Lehre und Forschung angesiedelt war (und ist), wo die Kommunismusforschung verankert ist. Zwar haben die Herausgeber versucht, dies zu kompensieren, indem sie auch deutsche Fachkollegen bzw. US-amerikanische Experten zur Mitarbeit einluden. Aber das strukturelle Problem in der Gesamtanlage und vielen einzelnen Essays konnte dadurch nicht ausgeglichen werden.

Insgesamt liegt mit der Cambridge History of Communism ein Werk vor, das – trotz der vorgebrachten Kritik an der Konzeption – das weitgefächerte Spektrum der Kommunismusforschung überwiegend hervorragend präsentiert. Es zeigt eine Vielfalt, die es obsolet erscheinen lässt, den historischen Kommunismus im Singular behandeln zu wollen. Im Einzelnen regt es mit jedem Aufsatz weitergehende Forschungen an. Die Kommunismusforschung ist im besten Sinne eine globale Veranstaltung – auch das dokumentiert dieses Werk. Und es unterstreicht ganz nebenbei, dass die Forschung in Deutschland von den internationalen Standards der Kommunismusforschung – bezogen auf die globale Betrachtung jenseits von Europa – doch ein Stück weit entfernt agiert. Insofern belegt auch dieses Handbuch, wie notwendig die weitere universitäre Institutionalisierung der Kommunismusforschung in Deutschland wäre. Und – um auf die Eingangssequenz zurückzukommen – trotz der generellen Pluralität globaler kommunistischer Entwicklungspfade in der Vergangenheit zeigen die drei Bände eindrucksvoll, dass alle bisherigen kommunistischen Experimente von Terror und Gewalt gekennzeichnet waren, weil sich nirgends andere Lösungen für das Problem fanden, mit den Nichtwilligen, den revolutionär „überwundenen Kräften“, den am Kommunismus Desinteressierten und schließlich: den gegen den Kommunismus eingestellten Menschen umzugehen. Es spricht nichts dagegen, dass es auch bei künftigen Versuchen, die sozialen und politischen Probleme der Gegenwart mittels kommunistischer Alternativen lösen zu wollen, zu Gewalt und Terror wie in der Vergangenheit käme. Als Orientierung auch für solche Einschätzungen dient die „Cambridge History of Communism“.

Anmerkung:
1 Ähnlich bereits: Ruud van Dijk u.a. (Hrsg.), Encyclopedia of the Cold War, New York 2008, 2 Bde.; dazu kritisch: Ilko-Sascha Kowalczuk, Schlussbilanz des „Kalten Krieges”, in: Deutschland Archiv 43/6 (2010), S. 1101–1102.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch