Cover
Titel
The War Beat, Europe. The American Media at War Against Nazi Germany


Autor(en)
Casey, Steven
Erschienen
Anzahl Seiten
X, 429 S., 23 Abb.
Preis
£ 26.49
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Annette Vowinckel, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

„The essence of successful warfare is secrecy; the essence of successful journalism is publicity“ (S. 348). Dieses geflügelte Wort, das offenbar auf eine Presseanweisung des US-Militärs von 1942 zurückgeht, markiert das Terrain für Steven Caseys Darstellung der amerikanischen Pressepolitik im Zweiten Weltkrieg. Sein Ausgangspunkt ist die gängige Annahme, die Kriegsreporter hätten sich trotz des im Zitat kolportierten Interessenkonflikts zwischen Militär und Presse übermäßig mit dem Staat identifiziert und kaum mehr kritische Distanz zur US-Armee halten können. Um diese These auf den Prüfstand zu stellen, hat der Autor eine unglaubliche Fülle von Archivmaterialien systematisch durchgearbeitet und die Ergebnisse in Form einer chronologischen Darstellung präsentiert. Die Auseinandersetzungen zwischen der oft (aber bei weitem nicht immer) an Geheimhaltung interessierten Truppe und den auf Schlagzeilen lauernden Reportern bilden den roten Faden von Caseys Buch.

Der erste Hauptteil beschreibt die Landung amerikanischer Truppen in Nordafrika im November 1942 und stellt dabei einige der immer wiederkehrenden Hauptakteure vor. Dazu gehören auf Seiten der Presse unter anderem die AP-Journalisten Wes Gallagher und Don Whitehead, Drew Middleton von der „New York Times“ und Ernie Pyle, der Kolumnen für verschiedene Zeitungen und Magazine des Scripps-Howard-Verlags schrieb. Auf Seiten der US-Armee wird vor allem General Dwight D. Eisenhower als oberster Kooperations- (und gelegentlich Konfrontations-)Partner der schreibenden Zunft vorgestellt. Besonders aufschlussreich ist hier die Darstellung des Allied Force Headquarters (AFHQ) in Gibraltar, wo die Kommunikation zwischen beiden Parteien zusammenlief.

Was folgt, ist eine chronologische Beschreibung der Kriegsereignisse unter Einbeziehung der Konflikte um die militärische Zensur, bei der sich folgende Hauptlinien herauskristallisieren: Bei bevorstehenden Angriffen muss sichergestellt sein, dass keine Informationen über die Presse nach außen dringen, um den Feind nicht vorzuwarnen. Über militärische Erfolge soll die „Home Front“ zwar unterrichtet werden, um die Unterstützung der Bevölkerung für den Kriegseinsatz zu fördern. Es darf aber auch kein übermäßiger Optimismus geschürt werden, der dann unvermeidlich Enttäuschungen über Verluste an Menschen und Terrain nach sich ziehen würde. Bei militärischen Rückschlägen gilt umgekehrt, dass sie nicht an die große Glocke gehängt werden sollten, um an der Heimatfront keine Frustrationen auszulösen. Gleichwohl insistierte die Presse gelegentlich, dass auch über Misserfolge zu berichten sei, um das Recht auf freie Information nicht zu gefährden.

Diese Konflikte werden in den Kapiteln über den Luftkrieg („Bombing Germany“), die Landung in Sizilien („Sicily and Italy“), die Landung in der Normandie („Overlord“) und die Eroberung Deutschlands („Victory“) immer wieder unter Einbezug interessanter Quellen beschrieben. Besonders hart wurden die Konflikte Casey zufolge dort ausgetragen, wo alliierte Soldaten durch „Friendly Fire“ ums Leben kamen, wie beispielsweise bei der Landung alliierter Truppen im sizilianischen Gela im Juli 1943 oder im mittelitalienischen Anzio im Januar 1944. Die Militärs versuchten den Tod von mehreren hundert Soldaten zu verheimlichen, um nicht als inkompetent zu erscheinen und die Öffentlichkeit nicht gegen sich aufzubringen. Die Journalisten betonten dagegen das Recht der Leser auf freie Information – und schlechte Nachrichten boten ihnen nebenbei auch eine Gelegenheit, sich zu profilieren. Beide Gruppen – Journalisten und Militärs – blieben aber auf gute Zusammenarbeit angewiesen und folgerichtig bemühte sich Eisenhower um Schadensbegrenzung: Immer wieder gab er der Presse einen gewissen Vertrauensvorschuss, um den Kontakt und damit die Möglichkeit der Einflussnahme nicht aufs Spiel zu setzen.

Caseys Buch ist überwiegend in erzählerischem Stil geschrieben und arbeitet eher mit Personalisierungen als mit Statistiken. Der Umfang von 353 Seiten Haupttext ist überschaubar, sodass auch ein breiteres Publikum (im englischsprachigen Raum) sich angesprochen fühlen dürfte – zumal das Interesse an Weltkriegsthemen unvermindert anhält. Erfreulich ist, dass der Bildjournalismus in die Darstellung einbezogen wird. Bedauerlich ist aber zum einen, dass der Kontrast zwischen Stars der Szene wie Margaret Bourke-White und Robert Capa einerseits sowie den vielen ungenannten Fotografen des U.S. Army Signal Corps andererseits (deren Bilder einen guten Teil der Abbildungen im Buch ausmachen) überhaupt nicht thematisiert wird – ebenso wenig wie die spezifische Problematik der Bildzensur.

Aus mediengeschichtlicher Perspektive stellen sich zudem einige Fragen, auf die das Buch keine oder zumindest keine neuen Antworten bietet. Dass es einen Dauerkonflikt um die Grenzen der Zensur gab, ist aus früheren Arbeiten wie George H. Roeders Buch „The Censored War“ von 1993 bereits hinlänglich bekannt.1 Vielleicht wäre statt der chronologischen Gliederung eine systematische Vorgehensweise sinnvoller gewesen. Der immer wiederkehrende Konflikt um die Zensur oder die Konkurrenz zwischen den akkreditierten freien Journalisten („embedded journalists“) und den armeeinternen Berichterstattern hätte klarer herausgearbeitet werden können, wenn sich der Autor stärker auf die dahinterstehenden Institutionen statt auf den Kriegsverlauf als Referenzrahmen bezogen hätte.

Blass bleibt letztlich auch die These, die Casey derjenigen von der übergroßen Nähe der Presse zur Armee entgegenstellt: „In contrast, this book argues that the way this war unfolded is crucial to understanding when and why correspondents felt compelled to forge a close partnership with the military“ (S. 9). Gerade die Fixierung auf die Chronologie der Ereignisse verstellt am Ende eher die Sicht auf wichtige Fragen. Die Berichterstattung über schwarze Soldaten und Armee-Einheiten kommt zum Beispiel erst im letzten Kapitel vor – das heißt in dem Moment der Kriegsereignisse und der Kriegserzählung, als mangels weißer wehrfähiger Männer auch schwarze eingezogen werden. Unwillkürlich entsteht so der Eindruck, das Thema sei als randständig bewertet worden.

Die Beschränkung auf den europäischen und nordafrikanischen Kriegsschauplatz ist zwar in arbeitsökonomischer Hinsicht plausibel, aber von der Sache her wäre es sinnvoll gewesen, die Berichterstattung aus dem pazifischen Raum einzubeziehen. Die Frage, welche Bedeutung der Krieg für die Karrieren von Journalisten hatte, wird gegen Ende nur oberflächlich gestreift – was umso bedauerlicher ist, als mit Wes Gallagher ein späterer AP-Präsident und mit Walter Cronkite einer der bekanntesten amerikanischen Auslandskorrespondenten der Nachkriegszeit zum Kernpersonal des Buchs gehören. Letzterer machte im Vietnamkrieg noch die Erfahrung, dass Teile der Presse mit den Militärs nicht in Sachen Zensur über Kreuz lagen (militärische Zensur gab es in Vietnam nämlich gar nicht), sondern was den Sinn des Kriegs an sich betraf.

Steven Caseys Buch empfiehlt sich als solide, quellenreiche und in Teilen durchaus unterhaltsame Lektüre für ein etwas breiteres Publikum, das an der Geschichte des Zweiten Weltkriegs interessiert ist. Neue und bahnbrechende wissenschaftliche Thesen enthält es allerdings nicht.

Anmerkung:
1 George H. Roeder, The Censored War. American Visual Experience During World War Two, New Haven 1993.