B. N. Berressem: Die Repräsentation der Soldatenkaiser

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Titel
Die Repräsentation der Soldatenkaiser. Studien zur kaiserlichen Selbstdarstellung im 3. Jh. n. Chr.


Autor(en)
Berressem, Ben N.
Reihe
Philippika 122
Erschienen
Wiesbaden 2018: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
XI, 500 S.
Preis
€ 98,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institute for the History of Ancient Civilizations (IHAC), Northeast Normal University, Changchun, China

Der Terminus „Soldatenkaiser“ evoziert gewisse Assoziationen, etwa „Krise“, „Niedergang“ oder „Verfall“. Obschon die Forschung seit längerer Zeit gegen derartige einseitige Interpretationen anschreibt1, finden sich Deutungen dieser Art ab und an auch in seriöser neuerer Forschungsliteratur, zumal die Rhythmen der Aufarbeitung und Modifizierung veralteter Sichtweisen sich von Fach zu Fach innerhalb der Altertumswissenschaften deutlich unterscheiden. Im Bereich der Archäologie, aus dem die hier zu besprechende Monographie stammt, waren (und teilweise sind) Stereotypen für diese Epoche wie etwa „Regierungsunfähigkeit“, „soldatischer Typus“ oder „Baustop“ weit verbreitet.

Ben N. Berressem geht in seiner Trierer Dissertation andere Wege, indem er zunächst – und richtigerweise – en detail das Material zur Repräsentation der Soldatenkaiser hinsichtlich Bautätigkeit und Porträts sammelt und analysiert, bevor er zu einer Gesamtinterpretation schreitet. Denn oftmals sind beide Bereiche getrennt behandelt und auch nicht mit den weiteren Erkenntnissen, vornehmlich der althistorischen Forschung, in Zusammenhang gebracht worden, die Berressem ebenfalls mit in seine Auswertung einfließen lässt, obschon er wirtschaftliche wie fiskalische Maßnahmen nur ab und an heranzieht.

Dabei ist sich Berressem der methodischen wie terminologischen Schwierigkeiten einer solchen Untersuchung sehr bewusst und arbeitet seinen Zugang zielführend und kritisch sichtend in den ersten beiden Kapiteln heraus (S. 1–19). Dies betrifft nicht nur die sekundäre Frage nach den Deutungsrahmen, welche die moderne Forschung durch das „Krisennarrativ“ vorgegeben hat und die schon auf analytischer Ebene Forschungsurteile bestimmt haben; hier fasst er pointiert die Masse an Forschungsliteratur zusammen. Es sind vor allem die allgemeinen Schwierigkeiten auf der Quellenebene, so etwa die Frage, inwieweit literarische Quellen „gute“ und „schlechte“ Kaiser konstruieren oder inwiefern der einzelne Kaiser bei einem Monument oder einem Porträt direkt involviert gewesen ist. Berressem entscheidet sich jeweils für eine mittlere Ebene, sodass er Informationen über die Selbstdarstellung der Kaiser aus den literarischen Quellen unter kritischem Einbezug der jeweiligen Quellenintention gewinnen möchte; Baudenkmäler, insbesondere solche mit Nennung des Kaisernamens im Nominativ, seien als Ausdruck kaiserlicher Repräsentationsabsicht zu werten; sie seien entweder aus dem kaiserlichen Umfeld angestoßen worden oder könnten in derartige Rahmensetzungen eingefügt werden.

Hernach geht Berressem auf die althistorischen Grundlagen ein (S. 21–51) und referiert die aktuellen Forschungserkenntnisse zu Entwicklungstendenzen, zu den Periodisierungen innerhalb der Soldatenkaiserzeit, zur Münzprägung (Themen; Tugenden) sowie zur Siegertitulatur und zu den literarischen Urteilen über einzelne Kaiser. Deutlich werden hier bereits vier Aspekte, die ihn auch bei seiner Quellenuntersuchung leiten: der Grad des kaiserlichen Aktionsradius, ein eventueller Wandel in der Zielgruppenansprache, das Verhältnis von Zentrum (Rom) und Peripherie sowie die Nähe respektive Distanz zwischen Kaiser und Bevölkerung.

Die beiden Kapitel vier und fünf behandeln sodann als Kernstück der Arbeit umfassend die literarisch wie epigraphisch-archäologisch zu identifizierenden Bautätigkeiten und die kaiserlichen Porträts (inklusive der Münzporträts), und zwar nach Kaisern bzw. der jeweiligen kaiserlichen Familie gegliedert (S. 53–132 und 133–334; siehe zu den Porträts auch den Katalog der rundplastischen Bildnisse, S. 351–399). An die Vorstellung des Materials schließt sich jeweils eine Auswertung an. Berressem geht dabei jeweils auf den Befund ein und setzt sich mit den wesentlichen Forschungsmeinungen auseinander. Die Vielzahl an Einzelbeobachtungen können im Rahmen dieser Besprechung nicht diskutiert werden; sie werden jedoch gewiss als Ausgangspunkt für jedwede zukünftige Spezialuntersuchung zu den einzelnen Kaisern bzw. Prätendenten dienen, zumal sich der Autor auch in einer historischen Kontextualisierung versteht.

In den beiden Einzelauswertungen sowie den beiden Abschlusskapiteln (S. 335–343 und 345–349) stellt Berressem seine Ergebnisse in den Rahmen neuerer Forschungstendenzen. Deutlich kann er dabei die These von der Einschränkung kaiserlichen Handelns zurückweisen. Die Kaiser waren allezeit aktiv und handlungsfähig, jedoch oft in anderen Bereichen oder mit anderen Methoden und Zielen als in vorigen Epochen. Dies verzahnte sich mit verschiedenen Wandlungsprozessen: Waren die ersten Soldatenkaiser noch deutlich traditionsverbunden, etwa in der Angleichung an die großen Dynastien oder der Initiierung, Fortführung oder Renovierung von Bauten unter euergetischem Anspruch, suchten sich die Kaiser nach der Jahrhundertmitte und nach dem Scheitern Valerians (253–260) und dessen Sohns Gallienus (253–268) schrittweise andere Formen der Repräsentation, etwa in der religiösen Entrückung der kaiserlichen persona oder der Überhöhung militärischer Sieghaftigkeit. Ebenfalls veränderte sich der Fokus kaiserlichen Handelns; nicht nur die militärische Sphäre als Machtgrundlage war dabei entscheidend (denn dies war bereits in severischer Zeit intensiviert worden), sondern insbesondere der regionale Aktionsradius, der auf Verfügbarkeit von Ressourcen wie Loyalität vor Ort zielte und somit das Zentrum Rom und die Idee des Reiches in die zweite Reihe verdrängte.

Berressem kann allerdings auch nachweisen, dass diese grundsätzlichen Tendenzen nicht linear verliefen und auch die späteren Kaiser nicht allein auf neue Formen der Selbstdarstellung setzten, sondern diese immer wieder in bereits Bestehendem zu verankern suchten2 beziehungsweise stets auch traditionelle Kanäle (etwa die civilitas des Kaisers) zu bedienen wussten.

Alles in allem hat Berressem mit seiner Untersuchung auch für den Bereich der kaiserlichen Selbstrepräsentation in Bauten und Porträts gezeigt, dass das Krisennarrativ zu modifizieren ist. Besonders sein Herausarbeiten des regionaleren Aktionsradius des jeweiligen Kaisers und die damit einhergehende Neuausrichtung von Repräsentation scheint angesichts auch späterer Konzentration kaiserlichen Handelns auf die Sicherstellung von Versorgung vor Ort ein Gewinn über das eigentliche Thema hinaus zu sein.3 Zusammen mit dem Nachdenken darüber, inwieweit auch andere Formen der Repräsentation, Kommunikation und Machtausübung zwischen Kaiser(n) und Bevölkerung einem Wandel unterlagen4, dürfte das spannende 3. Jahrhundert n.Chr. noch lange nicht ad acta gelegt werden.

Anmerkungen:
1 Gebündelt sind die neueren Zugänge in: Klaus-Peter Johne / Thomas Gerhardt / Udo Hartmann (Hrsg.), Deleto paene imperio Romano. Transformationsprozesse des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert und ihre Rezeption in der Neuzeit, Stuttgart 2006; Klaus-Peter Johne (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235–284), 2 Bde., Berlin 2008.
2 Zum Verankern von Innovationen in traditionellen Strukturen vgl. Olivier Hekster, Religion and Tradition in the Roman Empire: Faces of Power and Anchoring Change, in: Journal of Ancient Civilizations 32 (2017), S. 13–34.
3 Vgl. dazu Peter Eich, Die Normierung imperialen Raums: Zur Verfügbarkeit von Menschen und Gütern unter dem Einfluss der tetrarchischen Reformen, in: Pascale Derron (Hrsg.), Économie et inégalité. Ressources, échanges et pouvoir dans l’antiquité classique (Entretiens sur l’antiquité classique 63), Vandœuvres 2017, S. 235–269.
4 Vgl. etwa den Bereich des Rechts, dazu Ulrike Babusiaux / Anne Kolb (Hrsg.), Das Recht der „Soldatenkaiser“. Rechtliche Stabilität in Zeiten politischen Umbruchs?, Berlin 2015. Dazu die beiden Online-Rezensionen von Christian Körner, in: H-Soz-Kult, 13.07.2015, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-24386 (24.07.2018), und Paul du Plessis, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 4 [15.04.2016], http://www.sehepunkte.de/2016/04/27521.html (24.07.2018).

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