Günter Wallraffs Reportagen

Günter Wallraffs Reportagen

Organizer
Technische Universität Dortmund, Fakultät Kulturwissenschaften, Professur für Neuere deutsche Literatur und eine kulturwissenschaftlich akzentuierte Literaturgeschichte und -theorie seit dem 18. Jahrhundert, Prof. Dr. Martin Stingelin, Emil-Figge-Str. 50, 44227 Dortmund
ZIP
44139
Location
Dortmund
Country
Germany
Takes place
Hybrid
From - Until
03.02.2023 -
By
Tobias Lachmann, Fakultät Kulturwissenschaften - Institut für deutsche Sprache und Literatur, Technische Universität Dortmund

Günter Wallraff ist spätestens seit seinem Erfolg Ganz Unten (1985) das Enfant Terrible der deutschen Nachkriegsliteratur. Denn Wallraffs Texte schaffen Unruhe, sie ‚reportieren‘ die Wirklichkeit und konfrontieren die etablierten Kunstformen des Schreibens mit der Realität und Poetik der Arbeitswelt. Das Symposium möchte Günter Wallraffs 80. Geburtstag zum Anlass nehmen, um die Wortmeldungen dieses streitbaren Autors einer kritischen Re-Lektüre zu unterziehen.

Günter Wallraffs Reportagen

Dabei sollen neben den politischen auch die literarischen Eigenarten seiner Texte diskutiert werden. Im Mittelpunkt steht darum der Begriff der Reportage, der eigentlich aus der Zeitungswelt und dem Journalismus stammt, aber zugleich ein ästhetisches Vermögen zum Ausdruck bringt, auf das die Literatur nicht verzichten will: die Erzählung aus eigener Anschauung.

„Ich bin auf einiges gefasst. Auf das, was ich dann
selber erlebt habe […], war ich nicht gefasst.“
G. Wallraff, Aus der schönen, neuen Welt

Günter Wallraff gilt als Enfant Terrible der deutschen Literatur. Wobei noch gar nicht entschieden ist, ob seine Reportagen und Kritiken, seine Interventionen und Geschichten nun eigentlich zur Literatur zählen sollen – oder nicht. Denn nach dem großen Erfolg seines dokumentarischen Buches Ganz unten, in dem Wallraff als Ali Levent Sinirlioğlu in verschiedenen Unternehmen als ‚Gastarbeiter‘ recherchierte, geriet Wallraff in Verruf. Die einen warfen ihm vor, seine Autorschaft nur vorgetäuscht, die anderen, sich für die DDR verdingt zu haben. Das eine ist richtig, das andere wohl falsch. Tatsächlich war es Hermann L. Gremliza, der legendäre Herausgeber der Zeitschrift konkret, der Wallraff stilistisch zur Seite stand, als er seine Arbeiten über die Bild-Zeitung der Öffentlichkeit vorstellte. Aber Wallraff hatte nie wirklich einen Hehl daraus gemacht, dass er in Teams arbeitete. Wallraffs kritische Nähe zum Regime im Osten Deutschlands war offenkundig, Dissidenten waren seine Freunde. Ob er dabei zu weit gegangen ist oder sein Engagement nützlich und richtig gewesen war, darüber kann man streiten und man muss es wohl auch. Davon abgesehen aber dürfte Wallraff zu den wichtigsten Autoren der deutschen Nachkriegsgeschichte zählen, der als Mitglied der Dortmunder Gruppe 61 die Poetik der Reportageliteratur umzusetzen und zu popularisieren versuchte. Mit Erfolg.
Ob Wallraffs Texte eigentlich ‚literarisch‘ sind oder einfach nur ‚journalistisch‘, ist nun in mehrfacher Hinsicht interessant. Zunächst einmal politisch: Seit dem literarischen Vormärz und Heinrich Heines Journalliteratur ist immer wieder versucht worden, der engagierten und interventionistischen Literatur den ästhetischen Wert abzusprechen. Dabei ging es nicht immer nur um Kunstfragen, sondern oft genug um politische Machtkämpfe. Wem das Prädikat ‚literarisch‘ verweigert werden konnte, den konnte man deutlich einfacher aus den bürgerlichen Diskursen, den kulturellen Institutionen der Gesellschaft fernhalten. Zweitens medienhistorisch, denn mit dem Aufstieg der Zeitung und des Feuilletons, der Zeitschrift, dem Radio und dem Taschenbuch, verschoben sich die Parameter des Schreibens. Kunst und Lohnarbeit mussten sich nicht mehr wie Fremde begegnen. Sie gehörten zusammen. Wallraffs Texte sind vor diesem Hintergrund also doppelt interessant: Sie setzen eine Tradition fort, die von Heinrich Heine über Bertolt Brecht und Max von der Grün in die Gegenwart reichen; sie konfrontieren die etablierten Kunstformen des Schreibens mit der Realität und Poetik der Arbeitswelt, sie ‚reportieren‘ die Wirklichkeit.
Das Symposium will ein kleines Jubiläum aufgreifen, Günter Wallraffs 80. Geburtstag, um die Wortmeldungen dieses streitbaren Autors und Historikers der deutschen Nachkriegsgeschichte einer kritischen Re-Lektüre zu unterziehen. Dabei sollen neben den politischen auch die literarischen Eigenarten seiner Texte diskutiert werden, in der Tradition einer literarischen Aufklärung, die bis in unsere Gegenwart reicht. Im Mittelpunkt steht darum der Begriff der Reportage, der eigentlich aus der Zeitungswelt und dem Journalismus stammt, aber zugleich ein ästhetisches Vermögen zum Ausdruck bringt: die Erzählung aus eigener Anschauung. Wallraffs Rolle in der Dortmunder Gruppe 61 wird dafür von besonderem Interesse sein.

Die Veranstaltung findet ‚hybrid‘ statt, am Ort und online unter dem Zoom-Link: https://tu-dortmund.zoom.us/j/98054847386?pwd=NWdtbnhGTGNJMXcxa3RyRE82dU9SQT09

ZEIT UND ORT

Freitag, 03.02.2023

Literaturhaus Dortmund
Neuer Graben 78
44139 Dortmund
T 0231 33048497
info@literaturhaus-dortmund.de
www.literaturhaus-dortmund.de

Programm

10.30 Uhr
Begrüßung

11.00 Uhr
Tobias Eberwein, International Association for Literary Journalism Studies (IALJS)

12.00 Uhr
Jasmin Grande, Institut Moderne im Rheinland, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

13.00 Uhr
Pause

14:00 Uhr
Marlene Knobloch, Reportage, Süddeutsche Zeitung

15.00 Uhr
Alexander Rupflin, Redakteur bei der ZEIT

16.00 Uhr
Pause

16.30 Uhr
Daniel Puntas Bernet, Chefredakteur des Magazins Reportagen, Bern

17.30 Uhr
Hektor Haarkötter, Professur für Kommunikationswissenschaft, Schwerpunkt politische Kommunikation, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

18.30 Uhr
Abschlussdiskussion

Contact (announcement)

claas.morgenroth@tu-dortmund.de
tobias.lachmann@tu-dortmund.de

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German
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