Körpergeschichte boomt. Über die Fachzeitschrift „Body Politics - Zeitschrift für Körpergeschichte" hinaus erscheinen zunehmend einführende Handbücher, etliche Publikationen und Tagungen stellen den Körper und dessen Geschichten in den Fokus. Die Phase, in der körpergeschichtliche Beiträge sich in Arbeiten mit anderen Schwerpunkten verbargen, scheint vorbei. Disparität zeichnet sich vielmehr im Hinblick auf ein breites Spektrum von theoretischen Ansätzen, methodischen Zugängen und empirischen Analysen ab. Körpergeschichte durchquert alle Subdisziplinen der Geschichtswissenschaft und verknüpft sie mit vielen weiteren Fachwissenschaften. Das Innovationspotenzial einer intensivierten Vernetzung liegt auf der Hand:
Das historische in-Beziehung-setzen von Körpern zu Wissenschaften, Diskursen, Praxen, Medien, Materialitäten, Räumen und Schauplätzen, ermöglicht die Erforschung und Neuperspektivierung marginalisierter Vergangenheiten, transversaler Verflechtungsprozesse und biopolitischer Dynamiken. Auf diese Weise offenbart das Nachdenken über Machtbeziehungen und soziale Ungleichheit die daraus erwachsenen Hierarchien und Differenzen. Die in den Blick genommenen Körper galt es dabei stets in ihrer Relationalität, Verwobenheit und Verhältnismäßigkeit zu verschiedenen historischen Kontexten ernst zu nehmen. Doch wie verhält es sich im Konkreten um Stand und Perspektiven, neue Herausforderungen und Knotenpunkte der Körpergeschichte?
Im Rahmen eines zweitägigen Workshops möchten wir nun dazu einladen gemeinsam über den Stand der Körpergeschichte und künftige Anforderungen und Herausforderungen der Forschungsperspektive zu diskutieren. Was kann, was muss eine künftige Körpergeschichte (noch) erforschen? Auf welche Forschungsparadigmen kann sich im Feld der Körpergeschichte nach dreißig Jahren in der deutschen Geschichtswissenschaft geeinigt werden? Und wie müssen sich Methodologie und Perspektive ändern, um Dekolonisierung und planetarische Wende ernst zu nehmen?
Am Folgetag soll das Kernstück der Geschichtsforschung im Fokus stehen, das historische Material selbst.
Quellen über Körper stehen häufig in einem Verhältnis zu epistemischer Gewalt und stellen Wissenschaftler:innen vor die Herausforderung, die eigenen durchmachteten Gepflogenheiten des Betrachtens und Bewertens zu historisieren und ihnen methodologisch zu begegnen. Vor allem für (audio) visuelle Quellen bedeutet das, dem Spannungsverhältnis von Reproduktion und Unterbrechung von bisherigen Darstellungskonventionen begegnen zu müssen, was meist eine individuelle Ermessensfrage ist und keine der Wissenschaftspraxis. Der Workshop dient deshalb zum Input und Austausch über neue(re) Wege mit schwierigem Material umzugehen.