„Ein Jubiläum ohne Jubilar – 125 Jahre Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens”

„Ein Jubiläum ohne Jubilar – 125 Jahre Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens”

Veranstalter
Universität Potsdam, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Vereinigung für Jüdische Studien e. V. und Centralverein.net; Organisiert von Tilmann Gempp-Friedrich (Vereinigung für Jüdische Studien e. V., Centralverein.net), Rebekka Denz (Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Centralverein.net), Prof. Dr. Thomas Brechenmacher (Universität Potsdam)
Veranstaltungsort
Universität Potsdam
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.11.2018 - 14.11.2018
Deadline
06.11.2017
Website
Von
Rebekka Denz

„Der C.-V. deutscher Staatsbürger j. Glaubens E. V. wurde 1893 in Berlin gegründet. […] Der Zweck des C.-V.'s wurde bei seiner Begründung in dem seither unveränderten § 1 der Satzungen folgendermaßen festgelegt: ‘Der C.-V. deutscher Staatsbürger j. Glaubens E. V. bezweckt, die deutschen Staatsbürger j. Glaubens ohne Unterschied der religiösen und politischen Richtung zu sammeln, um sie in der tatkräftigen Wahrung ihrer staatsbürgerlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung sowie in der unbeirrbaren Pflege deutscher Gesinnung zu bestärken.’ Der. C.-V. lehnt also bei völliger religiöser Unparteilichkeit den j. *Nationalismus ab und sieht die deutschen J. als Angehörige des deutschen Volkes an.“ Als der Syndikus des Centralvereins Ludwig Holländer 1927 den jüdischen Glaubens für das „Jüdische Lexikon“ verfasste, hatte der C. V. sein zehnjähriges und sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum bereits begangen. Das fünfzigjährige konnte der Jubilar nicht mehr feiern, da die größte jüdische Organisation in Deutschland 1938 zwangsaufgelöst wurde.
Der Centralverein war durch seine schnell ansteigende Mitgliederzahl, seine überregionale Verbreitung und seine zeitgenössische Öffentlichkeitswirkung einer der wichtigsten Akteure im jüdischen Leben vor der Shoah. Durch seine politische Arbeit, sein kulturelles Engagement sowie den Kampf gegen Antisemitismus vor Gericht und in der Öffentlichkeit galt er als eine wirkmächtige Stimme von gesamtgesellschaftlicher Relevanz, die die rechtlich schon existierende Gleichberechtigung einforderte und dabei eine selbstbewusste jüdische Identität vertrat.
Umso mehr wundert es, dass der Centralverein im Vergleich mit Forschungen zum Zionismus in der (jüdischen) Geschichtsschreibung bislang unterrepräsentiert blieb. Die ersten Arbeiten, die nach der Shoah erschienen, wurden von emigrierten ehemaligen Mitgliedern verfasst und beschränkten sich oftmals auf eine deskriptive Zusammenfassung der Arbeit des Centralvereins mit einem deutlichen Fokus auf der Abwehr des Antisemitismus. Das mag angesichts der überhandnehmenden zionistischen Narrative verständlich sein, führte aber dazu, dass die weitere Forschung sich mit dem Centralverein meist nur noch im Kontext der Antisemitismusforschung auseinandersetzte. Eine deutliche Konjunktur wurde durch die Wiederentdeckung des als verschollen bzw. als kriegszerstört gegoltenen C. V.-Archivs in Moskau im Jahr 1990 und durch Avraham Barkais ideengeschichtliche Gesamtdarstellung „‘Wehr Dich!’ Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C. V.). 1893–1938.“ aus dem Jahre 2002 ausgelöst. So sind in den letzten Jahren einige Arbeiten erschienen, die den Centralverein und seine facettenreichen Tätigkeiten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten.
Um diese Forschung zu bündeln und dem wachsenden Interesse am Centralverein Rechnung zu tragen, wurde 2017 Centralverein.net – Forschungsnetzwerk zum C.V. (www.centralverein.net) gegründet. Das Online-Netzwerk hat sich die Aufgaben gestellt, zur Forschung über den Centralverein anzuregen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu vernetzen sowie das Wissen um seine Geschichte stärker in der akademischen, musealen und publizistischen Öffentlichkeit zu verankern. Die Konferenz soll ein weiterer Schritt sein, den C. V. als Organisation und seine Aktivitäten differenzierter zu betrachten.
Es soll versucht werden, mit unterschiedlichen methodischen und theoretischen Ansätzen die Strukturen, handelnde Personen und Tätigkeiten des Centralvereins darzustellen, nachzuvollziehen und zu analysieren. Hierzu bietet es sich an, den C. V. nicht nur historiographisch, sondern auch mit den Methoden einer historisch arbeitenden Organisationssoziologie in den Blick zu nehmen. Auch wenn der C. V. seinem Namen nach und in seinen regionalen Gruppen durchaus als Verein betrachtet werden kann, kann er als Ganzes doch als Organisation angesehen werden, was Fragen nach dem Zweck, der Mitgliedschaft und den Hierarchien (nach Niklas Luhmann) viel deutlicher – sowohl nach innen wie auch nach außen – stellt. Dabei soll dieser methodische Zugriff keineswegs verengend wirken, sondern vielmehr der Erweiterung anderer Ansätze, wie der Biographieforschung, Frauen- und Geschlechtergeschichte, Diskursanalyse, oder auch kulturwissenschaftlichen Zugängen dienen.
Mögliche Themengebiete könnten sein:
- Ideologische und politische Positionierungen des Centralvereins
- Wie zentral war der Centralverein? Die Rolle des C. V. in der jüdischen und nichtjüdischen Gesellschaft
- Wie zentralistisch war der Centralverein?
- Beziehungsgeschichte: Der C. V. und andere Organisationen
- Der C. V. im europäischen Vergleich: Jüdische Selbstorganisation in anderen Staaten
- Der Centralverein auf dem Lande
- Deutsche Staatsbürger(innen) jüdischen Glaubens: Führungspersönlichkeiten und Mitglieder
- Jugendarbeit im C. V.
- Das Publikationswesen des Centralvereins
- Von schöner Literatur und Kampfschriften: Philo-Verlag und der C. V.
- Der Centralverein in der Emigration
- Aus der Praxis: Die aktuelle Archivsituation
Vortragsvorschläge in anderen Themengebieten sind möglich.
Alle Interessentinnen und Interessenten laden wir dazu ein, bis zum 06. November 2017 Vorschläge für einen Vortrag einzureichen. Auch möchten wir besonders Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem frühen Stadium ihrer Karriere zu einer Bewerbung ermuntern. Pro Vortrag sind 30 Minuten individuelle Präsentationszeit vorgesehen, auf die jeweils eine offene Diskussion im Plenum (15 Minuten) folgt. Bei Interesse senden Sie bitte an die unten angegebene Kontaktadresse ein Exposé des Vortrags (max. 400 Wörter) und einen tabellarischen Lebenslauf (max. 2 Seiten). Eine Veröffentlichung ausgewählter Konferenzbeiträge ist geplant.
Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch.
Vorbehaltlich der Finanzierungszusage können Reise- und Unterkunftskosten übernommen werden, sollte die Heimatinstitution dafür keine Mittel zur Verfügung stellen.
Ihre Themenvorschläge und Anfragen richten Sie bitte an folgende E-Mail-Adresse: info@centralverein.net

English version
CfP: Conference „Ein Jubiläum ohne Jubilar – 125 Jahre Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens”, November, 12.-14., 2018
Place: University of Potsdam
Organized by Tilmann Gempp-Friedrich (Vereinigung für Jüdische Studien e. V., Centralverein.net), Rebekka Denz (Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Centralverein.net) und Prof. Dr. Thomas Brechenmacher (Universität Potsdam)
A cooperation between the Universität Potsdam, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Vereinigung für Jüdische Studien e. V. and Centralverein.net
When the internal legal advisor of the Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (Central Association of German Citizens of Jewish Faith), Ludwig Hollander, wrote the entry about the C. V. for the famous “Jewish Lexicon” in 1927, he quoted the first paragraph of the association’s bylaws: “The C.-V. aims to protect the German citizens of Jewish faith without regard to their religious beliefs or political commitments in order to strengthen them in the energetic preservation of their civil and social equality, as well as in the unflinching care of German patriotism.” At this time, the C. V had just celebrated its ten-year and twenty-fifth year jubilee committed. Unfortunately, the jubilarian could no longer celebrate his fiftieth anniversary, as the largest Jewish organization in Germany was forcibly dissolved in 1938.
The Centralverein was one of the most important protagonists in Jewish life before the Shoah due to its rapidly increasing membership, its nationwide expansion and its contemporary visibility. Through its political work, its cultural commitment and fight against anti-Semitism, it was regarded as an influential voice with broad relevance, demanding the already legally enshrined equal rights of all citizens. Indeed, it represented a self-confident Jewish identity.
It is therefore even more surprising that the Centralverein has so far been underrepresented in (Jewish) historiography, as opposed to research on Zionism. The first works, published after the Shoah, were composed by former members that had emigrated, and are indeed often limited to a descriptive summary of the work of the Centralverein with a clear focus on the fight against anti-Semitism. This may be understandable in view of the increasing Zionist bent of such narratives, but this had led to the fact that further research on the Centralverein had usually only taken place within the context of anti-Semitism research. A clear upswing in research activity was triggered by the rediscovery of the C. V. archive in Moscow in 1990, which was considered lost or destroyed during the war. This discovery was followed by Avraham Barkai's “'Wehr Dich!' Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C. V.). 1893– 1938” from 2002. In the last few years, some works have been published that explore the Centralverein and its various activities from different perspectives.
To bring together this growing body research and to take account of the burgeoning interest in the Centralverein, Centralverein. Net. Research Network for the C. V. (www.centralverein.net) was founded in 2017. The online network has set itself the task of stimulating research on the Centralverein, allowing scholars the opprtunity to network, and increasing awareness of its history more in the academic, curatorial and journalistic spheres. The conference should be considered in terms of an additional step towards a more nuanced view of the C. V. as an organization along with its activities.
The intention of the conference is to present, understand and analyze the structures, protagonists and activities of the Centralverein with different methodical and theoretical approaches. For this purpose, it may be useful to look at the C. V. not only historiographically, but also with the methods of a historically operative organizational sociology. Even though the C. V. can be regarded as an association in its name and in its regional groups, it can also be seen as an organization in more wholistic sense. Such an approach allows questions to be posed in a clearer fashion regarding its purpose, membership and hierarchies (Niklas Luhmann) in their external and internal dimensions.This methodological approach is not intended to be limiting in any way, but rather is an intent on complementing other methodological and thematic approaches such as biographical research, women's and gender history, discourse analysis, or cultural studies approaches.
Possible topics:
Ideological and political positions of the Centralverein
How central was the Centralverein? The role of the C. V. in Jewish and non-Jewish society
How centralized was the Centralverein?
A history of relationships?: The C. V. and other organizations
The C. V. in a comparative European perspective: Jewish self-organization in other states
The Centralverein within the country
German citizens of Jewish faith: leaders and members
Youth work in the C. V.
The publication system of the Centralverein
Literature and pamphlets: Philo-Verlag and the C. V.
The Centralverein‘s role in emigration
Best practices: The current archival situation
Suggestions for presentations in other subject areas are possible.
To participate in the conference, please apply with an abstract of 400 words (maximum) and a short biographical note by November 6, 2017 to the contact address given below. We would also like to invite early career researchers to participate. For each paper, an individual presentation time of 30 minutes is allotted, followed by an open discussion of 15 minutes. A publication comprising of selected papers is planned.
Conference languages are German and English.
Pending to funding, travel and accommodation costs may be covered.
Please send your proposal and any questions to the following e-mail address: info@centralverein.net

Programm

Kontakt

Rebekka Denz

Otto-Friedrich-Universität Bamberg Professur für Judaistik An der Universität 5 96045 Bamberg

info@centralverein.net


Redaktion
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Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
Sprache der Ankündigung