Innen und außen – Grenzen der Zugehörigkeit in multireligiösen Gesellschaften der Vormoderne. 27. Jahrestagung des Brackweder Arbeitskreises für Mittelalterforschung

Innen und außen – Grenzen der Zugehörigkeit in multireligiösen Gesellschaften der Vormoderne. 27. Jahrestagung des Brackweder Arbeitskreises für Mittelalterforschung

Veranstalter
Brackweder Arbeitskreis für Mittelalterforschung; Theresa Jäckh, Universität Konstanz/ Durham University
Veranstaltungsort
Karl Jaspers Centre for Advanced Transcultural Studies, Voßstraße 2, Gebäude 4400, Raum 212, 69115 Heidelberg
Ort
Heidelberg
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.11.2020 - 21.11.2020
Deadline
30.06.2020
Von
Theresa Jäckh, Geschichte der Religionen / Department of History, Universität Konstanz / Durham University

Zugehörigkeit ist ein andauernder Prozess sozialer (Selbst-)Verortung: Von innen heraus bedeutet sie dem Einzelnen die Positionierung zu Gruppen und die Identifikation mit Gemeinschaften, doch kann sie von außen zugleich sozialen Ausschluss und Segmentierung bewirken. Zugehörigkeit ist damit als Marker zu verstehen, der es erlaubt, gesellschaftliche Pluralität zu beschreiben, die häufig gerade dann beobachtbar wird, wenn Abgrenzungen oder Unterscheidungen zu alternativen Ordnungsmustern vorgenommen werden.
Diese Vorgänge der Markierung und Grenzziehung durch den Faktor Zugehörigkeit sollen im Rahmen der diesjährigen Tagung des Brackweder Arbeitskreises in multireligiösen Gesellschaften der Vormoderne reflektiert werden. Um dabei nicht bei Erzählungen von interreligiösen Konflikten und multireligiöser Koexistenz zu verharren, sollen Konstruktionen und Verhandlungen von Zugehörigkeit in unterschiedlichen Formen und Medien der verbalen und zeichenhaften Kommunikation untersucht werden. Denn durch Kommunikation mit- und übereinander, so die zugrundeliegende Annahme, definieren Individuen, Gruppen oder Gemeinschaften ihre Zugehörigkeiten situativ und aktualisieren sie immer wieder.
Gerade auf der horizontalen, nicht-hierarchischen Handlungs- und Kommunikationsebene zeigt sich hierbei, dass Zugehörigkeit wandelbar ist, stets kontextgebunden und relational (wer/was, wo, mit wem?). Auf der Ebene des Individuums entstehen dadurch Mehrfachzugehörigkeiten, die es nicht ohne weiteres erlauben, Akteure pauschal einer Gruppe oder Gemeinschaft zuzuordnen. Diesem Umstand soll Rechnung getragen werden, indem auch die Zuschreibungen und Intentionen hinterfragt werden, die in den Quellen zu Tage treten oder von ihren Rezipienten vorgenommen wurden – dies gilt in besonderem Maße auch für die moderne Forschung zu religiösen Interaktionen. Welche Rolle spielt dabei die religiöse Zugehörigkeit und in welchem Maße ist sie handlungsbestimmend? Wie wird sie gekennzeichnet (eindeutig oder mehrdeutig?) und wie wurde sie rezipiert? Welche Bedeutung kommt in diesen Zuschreibungsprozessen den Handlungskontexten der Akteure und der jeweiligen Perspektive der Kommunikationspartner zu? Welche Resonanzen rufen Markierungen von Zugehörigkeiten bzw. Zugehörigkeitsbehauptungen hervor und wann führen sie zu gesellschaftlichem Einschluss oder Ausschluss? Wie werden diese Prozesse bildlich oder materiell verkörpert, wie in Dichtung oder Literatur modelliert und dort in fiktionaler Brechung reflektiert?

Diese Fragen könnten sich in Beiträgen zu folgenden Themen widerspiegeln:
- Akteure, die Zugehörigkeit verhandeln oder gestalten wie Mediatoren, Rechts- und Religionsgelehrte sowie Übersetzer, Reisende, Händler oder Söldner als „cultural brokers“, außerdem (fiktive) Figuren in Literatur, Dichtung und bildlicher Darstellung;
- Räume, in denen diese (Ver-)Handlungen stattfinden wie Viertel, Plätze und Märkte, Höfe und Gerichte, aber auch durch Erzählung entworfene Räume sowie Grenzen und Grenzräume, die wiederum mit Konstruktionen von „innen und außen“ aufgeladen werden;
- Praktiken, die Innen- und Außengrenzen von Zugehörigkeiten festschreiben und regelmäßig aktualisieren, wie z.B. Rechts- oder Kaufgeschäfte, Gabentausch, Speisepraktiken, Sexualität und Ehe, Dialoge oder Diskurse in Literatur und Dichtung sowie Sprech- und Zeigeakte in Text und Bild;
- Medien/ Mittel, die Zugehörigkeit und Grenzen signalisieren und damit analysierbar werden lassen, z.B. Artefakte, Kleidung, Namen, Musik und Klang, Sprache und Schrift oder Symbole; Architektur;
- Reflexion des Forschungsstandes und Bestandaufnahme in den Quellen zum Thema (Mehrfach-)Zugehörigkeit (ggf. auch Negativbefunde).

Der interdisziplinär aufgestellte Arbeitskreis begrüßt Beiträge aus sämtlichen Fächern der Vormoderne-Forschung. Die Vorträge und Diskussionen sind auf jeweils 30 Minuten ausgelegt (d.h. insg. 60 Minuten pro SprecherIn); sie können zeitlich von der langen Spätantike bis in die Frühe Neuzeit reichen und diese geographisch in ihrer Breite umspannen. Die Tagung richtet sich insbesondere an NachwuchswissenschaftlerInnen; sie ist fachöffentlich und bedarf keiner Einladung. Um rechtzeitige Anmeldung wird aus organisatorischen Gründen gebeten.
Wir bitten alle Interessierten, bis zum 30.06.2020 ein Exposé (ca. 250 Wörter) zusammen mit einem kurzen biographischen Abriss einzusenden (Kontakt: theresa.jaeckh@uni-konstanz.de).

Programm

Kontakt

Theresa Jäckh

Universität Konstanz, Geschichte der Religionen, Universitätsstraße 1, 78457 Konstanz, Deutschland
Durham University, Department of History, 43 North Bailey, Durham, DH1 3EX, United Kingdom

theresa.jaeckh@uni-konstanz.de

https://brackwederarbeitskreis.wordpress.com/