„Neues aus dem Mittelalter“. Werkstattgespräche des Instituts für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde, Heidelberg und des Historischen Instituts der Universität Mannheim

„Neues aus dem Mittelalter“. Werkstattgespräche des Instituts für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde, Heidelberg und des Historischen Instituts der Universität Mannheim

Organisatoren
Institut für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde, Universität Heidelberg; Historisches Institut der Universität Mannheim
Ort
Heidelberg
Land
Deutschland
Vom - Bis
27.06.2008 - 28.06.2008
Url der Konferenzwebsite
Von
Christian Jörg, SPP 1173, Universität Trier

Am 27. und 28. Juni dieses Jahres fanden bereits zum dritten Male die in Kooperation durch das „Institut für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde“ (FPI) an der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg und das „Historische Seminar der Universität Mannheim“ im zweijährigen Turnus ausgerichteten Werkstattgespräche statt, in deren Rahmen insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs Gelegenheit erhält, aktuelle Arbeitsvorhaben – in diesem Falle Dissertations- und Habilitationsprojekte – einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorzustellen und zu diskutieren. Wie schon bei der ersten Veranstaltung dieser Art im Jahre 2004 dienten auch im Juni 2008 die Räumlichkeiten des Historischen Seminars in Heidelberg als Veranstaltungsort, in welchen Carla Meyer in ihrer Funktion als Geschäftsführerin des FPI die zahlreichen Teilnehmer und Gäste begrüßte. Zugunsten eines breiten Themenspektrums der vorgestellten Projekte verzichteten die Veranstalter auf die Vorgabe eines gesonderten inhaltlichen Leitthemas.

In der ersten, von JÖRG PELTZER (Heidelberg) moderierten Sektion eröffnete KLAUS-PETER HORN (Bremen) den Reigen der Vorträge mit einem Beitrag zu den Lebensbedingungen körperlich Behinderter im Sachsen des 8. und 9. Jahrhunderts, wobei er den inhaltlichen Schwerpunkt seiner Ausführungen auf den Aspekt der Mobilität legte und sich hierbei auf die sich zu dieser Zeit verdichtende Überlieferung hagiographischer Schriften stützte. Als besonders ergiebig erwiesen sich in dieser Hinsicht die Mirakelsammlungen, da gerade die Berichte über wundersame Heilungen der von Behinderungen unterschiedlichster Art betroffenen Personen häufiger auch näher auf deren Weg von ihrem Herkunftsort zu dem Kultort eingehen, dessen Attraktivität die Berichte durch ihre Schilderung der angeblichen Ereignisse zu steigern bemüht waren. In diesem Zusammenhang zeigt es sich, dass die auf einer solchen Reise naturgemäß besonders der Hilfe und Fürsorge bedürftigen Behinderten auf die Unterstützung durch persönliche Netzwerke – in der Regel getragen durch Angehörige der Kernfamilie, aber auch von Seiten der Mitglieder der weiteren familia oder des Grundherren bzw. seiner Dienstleute – angewiesen waren und auf eine solche zumindest nach Auskunft der besagten Quellen in der Tat auch hoffen konnten. Horn hinterfragte anhand seiner Befunde die zuweilen unterstellte direkte Verknüpfung zwischen Behinderung und sozialem Abstieg bzw. sozialer Exklusion sowie die damit in Verbindung stehende alleinige Verortung solcher Personen oder ganzer Gruppen im Umfeld von Fürsorgeeinrichtungen geistlicher Institutionen.

Es folgte der Beitrag von THOMAS HORST (München), der sich der „Forensischen Kartographie“ und der Bedeutung der sogenannten Augenscheinkarten widmete. Diesen Karten, deren im Vergleich zu den Mappae Mundi geringe Beachtung durch die Forschung Horst beklagte, kam insbesondere im Rahmen von Rechtskonflikten vor Gericht besondere Relevanz zu. Dort dienten solche Bildkarten insbesondere im Falle von Grenzstreitigkeiten als „Illustration“ eines zur Verhandlung stehenden Streitfalls. In anderen europäischen Regionen bereits sehr viel früher nachweisbar, ist dieser Kartentyp im engeren Reichsgebiet bezeichnenderweise erst nach der Einführung des Reichskammergerichts (1495) in größerer Zahl zu belegen. Vereidigte Maler nahmen das Streitobjekt vor Ort in „Augenschein“ und hielten die Gegebenheiten auf einer „Streitkarte“ fest. Dem somit vergleichsweise realitätsnahen Kartentyp, der seine Blüte im Verlaufe des 16. Jahrhunderts in den sogenannten Landschaftsgemäldekarten erreichte, attestierte der Referent nicht zuletzt aufgrund der detailgenauen Darstellung regional kleinräumiger Gebiete eine hervorragende Bedeutung für die Landesgeschichte.

Die zweite, von UTE KÜHLMANN (Mannheim) geleitete Sektion begann mit dem vergleichenden Beitrag ANDREAS BÜTTNERs (Heidelberg) zu den Krönungsritualen in Frankreich und England. Trotz der Fokussierung auf das späte Mittelalter widmete sich der Vortrag zunächst mit den Anfängen entsprechender Vorgaben für die Krönungsrituale, die sich vom ausgehenden 10. bis ins 12. Jahrhundert etwa in päpstlichen Privilegien finden lassen, eingehender den Grundlagen für die spätere Fixierung der Krönungsordines. Die langfristige Festlegung auf Reims als Ort der Krönung des französischen Königs und auf die Reimser Erzbischöfe als die für die Umsetzung des Krönungsritus zuständigen Kirchenfürsten ging dabei durchaus nicht ohne zwischenzeitlichen Widerspruch und Konflikte mit Konkurrenten einher, wie Büttner am Beispiel von Ansprüchen des Erzbischofs von Sens zeigen konnte. In England setzte sich Canterbury rasch als Krönungsort durch, nachdem zuvor auch einzelne Krönungen in York durchgeführt worden waren. Erst im Verlaufe des Hochmittelalters lassen sich im französischen Fall zentrale Änderungen und Neuerungen nachweisen, wobei etwa dem „Ordo von Reims“ (um 1230) einige Bedeutung zukam. So traten die zunächst an herausragenden Feiertagen regelmäßig vorgenommenen „Festkrönungen“ während jenes Zeitraums zugunsten der nur anlässlich des Herrschaftsantritts vollzogenen „Erstkrönung“ in den Hintergrund. Auch das in Frankreich besonders bedeutende „Himmelsöl“, das heilige Salböl der Könige, mit dessen Einbezug in den Krönungsvorgang man überdies die Verbindung zu Chlodwig als erstem christlichen Frankenkönig herzustellen vermochte, ist zu jener Zeit erstmals zu belegen. In England scheiterte das Bemühen, eine an dem französischen Beispiel orientierte Ergänzung in das Krönungsritual zu integrieren.

Ebenfalls mit Blick auf Frankreich und die frühen Kapetinger präsentierte im Anschluss MARKUS SCHÜTZ (Augsburg) mit seinem Vortrag eine qualitative Analyse königlicher Gegenwart um das Jahr 1000, wobei er sich auf die Herrschaft Roberts II. (996-1031) und die in dessen Regierungszeit festzustellenden Schwerpunkte königlicher Präsenz und Herrschaftsintensivierung konzentrierte. Neben den von der Itinerarforschung traditionell herangezogenen Urkunden und den in diesen genannten Ausstellungsorten zog Schütz auch die Angaben historiographischer Quellen heran, um die dort geschilderte Wahrnehmung des königlichen Handelns in Ergänzung zu den gerade für den untersuchten Zeitraum häufig nicht ergiebigen diplomatischen Quellen für seine Analyse nutzbar zu machen. Die festzustellende Verdichtung der historiographischen Überlieferung lässt insgesamt erkennen, dass nach dem ersten Viertel des 11. Jahrhunderts nicht alleine Paris, sondern auch weitere Städte, wie beispielsweise die beiden Kathedralstädte Sens und Reims, in den engeren Bereich königlichen Interesses rückten. Die kombinierte Auswertung der verfügbaren Quellen wertete Schütz als geeignete Untersuchungsgrundlage, um qualitative Merkmale königlicher Gegenwart – nicht zuletzt mit Blick auf die Einordnung durch die Zeitgenossen – einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

Mit den Urkunden des ostfranzösischen Raumes beschäftigte sich auch die Sprachwissenschaftlerin JULIE ALLETSGRUBER (Zürich/Paris), wobei sie im Gegensatz zu den vorangegangenen Vorträgen nicht die Ebene königlicher Herrschaft, sondern mit zeitlicher Fokussierung auf das 13. und 14. Jahrhundert die Frage nach den in diesen Quellen greifbaren Informationen zur Landwirtschaft jenes Zeitraums in das Zentrum ihrer Betrachtungen rückte. Alletsgruber gab in ihrem Vortrag zum Landwirtschaftswortschatz Einblick in die datenbankgestützte Untersuchung von 130 für ihre Studie einschlägigen Urkunden in den Archiven der Départements Saône-et-Loire und Nièvre. Innerhalb ihres Projektes sei die Frage zentral, so Alletsgruber, inwiefern das Medium der Urkunde selbst die verwendete Sprache und das spezifische Vokabular der Landwirtschaft und des Landrechts beeinflusst habe. Die Beziehung des volkssprachigen Wortgebrauchs zu der älteren Terminologie des Lateinischen stand somit ebenso im Blickpunkt wie die begriffliche Umsetzung von technischen Innovationen und rechtlich-institutionellen Wandlungsvorgängen im ländlichen Bereich.

Der erste Teil des zweiten Veranstaltungstages, der von ANDREA BRIECHLE (Heidelberg) moderiert wurde, nahm die Chronistik in den Blick. PIA ECKHART (Freiburg im Breisgau) untersuchte mit der aus dem Jahre 1526 stammenden und den Zeitraum zwischen 1459 und 1519 behandelnden „Cosmographia“ des bischöflichen Notars Beatus Widmer eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Konstanzer Chronik, die neben der Politik Friedrichs III. und Maximilians I. und den damit in Verbindung stehenden Vorgängen jener Jahre in Oberdeutschland, Burgund, Frankreich und Reichsitalien nicht zuletzt auch die Ursprünge der bedeutenden Stadt am Bodensee selbst thematisiert. Eben mit diesem letzteren Schwerpunkt stieß die Chronik (und mit ihr auch ihr Verfasser) ebenfalls in ein konfliktreiches Feld städtischer Politik vor, wie Eckhart ausführlich darlegen konnte. Beriefen sich etwa die älteren Vorlagen Widmers, wie insbesondere die Weltchronik des Johannes Nauclerus, auf eine in Konstanz befindliche Bauinschrift des römischen Kaisers Constantius, um das Alter der Stadt und deren traditionellen Bezug zum Kaisertum zu belegen, so lehnte Widmer dies ab. Vielmehr stellte der Chronist in seinen diesbezüglichen Ausführungen klar, dass die entsprechende Inschrift aus dem nicht weit entfernt gelegenen Winterthur stammte, erst später nach Konstanz gelangt war und entsprechend keineswegs für einen „Konstanzer Gründungsmythos“ herangezogen werden konnte. Mit dieser Darstellung geriet Widmers Chronik allerdings in Widerspruch zur Position zentraler Akteure der städtischen Führung, welche nicht zuletzt diese Inschrift zur Legitimation einer gegen bischöfliche Ansprüche gerichteten und durch eine starke Anlehnung an das Reichsoberhaupt charakterisierten Politik genutzt hatten. Erfreulicherweise soll die somit für die Konstanzer Stadtgeschichte, aber auch darüber hinaus aufschlussreiche Chronik Widmers im Rahmen des vorgestellten Forschungsvorhabens auch ediert werden.

Zwei Reimchroniken des 12. und 13. Jahrhunderts – die um 1150 entstandene „Kaiserchronik“ eines anonymen Autors sowie die um 1272 verfasste „Weltchronik“ des Jans von Wien – standen im Zentrum des Vortrags von GESINE MIERKE (Chemnitz). In Anlehnung an aktuelle Diskussionen innerhalb der Literaturwissenschaften forderte Mierke eine genauere Untersuchung auch der fiktionalen Anteile solcher Chroniken. Im Gegensatz zu der reinen Historiographie sei gerade dieser Bereich von Seiten der Forschung bisher zumeist vergleichsweise gering geschätzt und entsprechend wenig beachtet worden, obwohl diese fiktional angereicherte Wiedergabe von Geschehenem für die Untersuchung verschiedener Themenfelder ebenfalls höchst aufschlussreiches Material enthalte. Die fiktionalen Elemente der Chroniken konnten dabei nämlich insbesondere einer zuweilen stark ironisch gefärbten Reflexion der vorherrschenden Ordnungsvorstellungen dienen, wenn etwa mit Anekdoten und entsprechender Bebilderung angereicherte Schilderungen der Taten Karls des Großen oder der Konflikte zwischen Friedrich II. und dem Papsttum Aufnahme fanden. Diese literarische Umformung der Ordnung innerhalb der erzählerischen Darstellung konnte durch den Rezipientenkreis vor dem Hintergrund der eigenen Realität entsprechend eingeordnet werden. Mit Blick auf diese Konstellation thematisierte Mierke zudem die Funktionalisierung der mittelalterlichen Reimchroniken als „Krisenphänomen“.

Die anschließende, von SABINE VAN HEUSINGER (Mannheim) geleitete Sektion rückte die Grundlagen adliger Herrschaft, Verwandtschaft und weiterer Beziehungsebenen in den Mittelpunkt. Eröffnet wurde sie von MARKUS FRANKL (Würzburg), der sich mit den konfliktreichen und durch die Konkurrenz um die Vorherrschaft in Franken gekennzeichneten Beziehungen zwischen Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach und dem Hochstift Würzburg beschäftigte. Albrecht sah sich hierbei während seiner Regierungszeit vier Würzburger Bischöfen gegenüber, deren politische Strategien gegenüber dem Markgrafen durchaus differierten. Zentrale Konfliktbereiche zwischen dem Würzburger Hochstift und dem Markgrafen, die Frankl aufzeigen konnte, bildeten etwa der Streit um die im Überschneidungsraum beider Herrschaften gelegenen Klöster und Stifte sowie insbesondere das bald von beiden Seiten intensivierte Bemühen um eine Einbindung des fränkischen Niederadels in die eigene Politik. Letzterer stellte innerhalb des zersplitterten Herrschaftsraums Franken einen bedeutenden politischen und militärischen Machtfaktor dar. Auf Basis einer günstigen Quellenüberlieferung in den Würzburger Lehenbüchern und in den Mitgliederverzeichnissen des hohenzollerischen Schwanenordens, der seit den 1480er Jahren bezeichnenderweise über einen eigenständigen Zweig für Franken verfügte, konnte Frankl diesem Ringen um den fränkischen Niederadel detailliert nachgehen und zeigen, dass auch nicht unerhebliche Teile der dem Würzburger Bischof zugehörigen Vasallen- und Dienerschaft zugleich über die Mitgliedschaft in dem offensichtlich prestigeträchtigen markgräflichen Schwanenorden verfügten. Anhand dieser Aspekte ließ sich die Komplexität der Herrschaftsverhältnisse und politischen Konstellationen im spätmittelalterlichen Franken nachhaltig belegen.

Ein gänzlich anderes Feld untersuchte SIMONA SLANIČKA (Bielefeld), die der Betätigung „adliger Bastarde“ in der regionalen Verwaltung und in weiteren Bereichen politischen Handelns während des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit nachging. Im Zentrum ihrer Betrachtung standen hierbei der Aspekt der Herrschaftsloyalität und die Verortung der „Bastarde“ in der Adelsgesellschaft. Gerade den unehelich geborenen Söhnen attestierten die Zeitgenossen zuweilen überlegene Charaktereigenschaften und insbesondere eine besondere Tapferkeit im Kampf, da ihre Zeugung nicht etwa ein Akt ehelicher Pflicht, sondern vielmehr der Leidenschaft gewesen sei. Eine solche Zuschreibung unterschied sich elementar von den die Wertung früherer Epochen auch in der späteren Geschichtsschreibung stark prägenden bürgerlichen Moralvorstellungen des 19. Jahrhunderts. Slanička führte aus, dass es im Untersuchungszeitraum gerade diese unehelich Geborenen gewesen seien, die man aufgrund der ihnen zugeschriebenen Fähigkeiten für militärisch anspruchsvolle und entsprechend gefährliche Missionen herangezogen habe. Insbesondere der Schutz der ehelich geborenen Familienmitglieder sei dabei eine zentrale Funktion gewesen, so dass die Bezeichnung „Bastard“ nicht als Schimpfwort zu werten sei, sondern vielmehr als Rang- und Standesbezeichnung innerhalb der Hierarchie einer Adelsgesellschaft. Gänzlich unproblematisch war die Stellung der „Bastarde“ freilich dennoch nicht, denn ihre ungünstige rechtliche Position machte die enge Anbindung an die Familie erst zwingend notwendig. Auch blieben die Handlungsspielräume im Dienste der eigenen Familie – etwa als Amtleute – aufgrund der illegitimen Geburt stärker begrenzt und die Betätigung somit besser kontrollierbar. Slanička formulierte aufgrund der geschilderten Konstellationen die These, dass die uneheliche Geburt im Falle des Adels eine spezifische Qualität von Familienbeziehungen hervorgebracht habe.

In der abschließenden Sektion unter der Moderation von KLAUS OSCHEMA (Heidelberg) gab zunächst ANDREA BERLIN (Bochum) Einblick in den spektakulären Gerichtsprozess zwischen Herzog Karl dem Kühnen und Johann von Burgund, dem Grafen von Nevers. Ergebnis dieses in den 1460er Jahren betriebenen Prozesses war die weitgehende Ausschaltung Johanns im politischen Umfeld des Hofes, die besonders nachhaltig durch den für erhebliches Aufsehen sorgenden Ausschluss Johanns aus dem burgundischen Hoforden vom Goldenen Vlies im Jahre 1468 dokumentiert wurde. Die Referentin konnte sich in ihrem Beitrag zu diesem in der Forschung nicht im Detail aufgearbeiteten Fall insbesondere auf eine jüngst aufgefundene, aus dem 15. Jahrhundert stammende Prozessmitschrift in französischer Sprache stützen. Zentrale Bedeutung kam innerhalb des Verfahrens einer bereits 1463 gegen den Grafen ins Felde geführten Anklage zu, nach welcher er und sein engstes Umfeld in schwarz-magische Handlungen verwickelt gewesen seien. Über diesen bemerkenswerten Aspekt hinaus widmete sich der Beitrag der politischen und juristischen Einordnung des gesamten Vorgehens Karls des Kühnen in diesem Fall. Berlin bezog die allgemeinen politischen Konstellationen, die bei dem Konflikt zwischen dem burgundischen Herzog und dem Grafen von Nevers wirksam wurden, ebenso mit ein, wie prozessrechtliche Erwägungen zur Beurteilung von Majestätsverbrechen und Magiedelikten.

Die Reihe der Vorträge schloss GERRIT JASPER SCHENK (Stuttgart) mit seinem Beitrag zu Naturrisiken und zu den durch deren Existenz notwendig werdenden Maßnahmenkatalogen der Katastrophenbekämpfung bzw. Katastrophenprävention. Als zentrale Beispiele griff er hierbei die im Falle des spätmittelalterlichen Straßburg und Florenz greifbaren Strategien der städtischen Führungsgremien auf. Im Mittelpunkt der Betrachtung stand mit den Überschwemmungen ein Katastrophentyp, welcher beide Städte und ihre Territorien aufgrund der Lage an Flussläufen in ähnlicher Weise, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen bedrohte. Nach einem Überblick zu den durch die Natur vorgegebenen Ausgangsbedingungen und spezifischen Risikofaktoren in beiden Fällen, ging Schenk im Detail auf die Strategien der Krisenbekämpfung ein. Es ließen sich in diesem Zusammenhang durchaus verschiedenartige Antworten der Städte auf die Bedrohung durch das Wasser nachweisen, die nicht zuletzt durch Unterschiede in den politischen Rahmenbedingungen und rechtlichen Traditionen sowie durch den Stand des jeweiligen Erfahrungswissens und der technischen Möglichkeiten maßgeblich beeinflusst wurden. Gerade im Verlaufe des 15. und frühen 16. Jahrhunderts lassen sich hierbei Verdichtungen im Bereich der Katastrophenprävention aufzeigen, die im Fall der Stadt am Arno durch eine zunehmend ausdifferenziert erscheinende Verwaltung und deren zentrale Funktionsträger bewirkt wurden. In dem an der Ill gelegenen Straßburg agierte man teilweise auch im Verbund mit anderen oberrheinischen Städten, die wie Straßburg und sein Territorium von den Überschwemmungen des Rheins und seiner Zuflüsse bedroht waren. Schenk verwies insbesondere auf Protokolle zu Verhandlungen über gemeinsam zu tragende Wasserbaumaßnahmen. Im Umfeld des von hohen Niederschlagsmengen und Überschwemmungen geprägten Jahres 1529 trat zudem auch der Straßburger Bischof an den Rat der Stadt heran, um für Bauvorhaben zum Schutz vor Ill-Hochwassern zu werben. Im Selbstverständnis der Führung beider Städte war der Schutz vor solchen Naturgefahren – ähnlich wie im Falle der (teilweise ebenfalls präventiven) Bekämpfung anders gearteter Katastrophen zu beobachten – Element der Orientierung auf den „Gemeinen Nutzen“ bzw. das „buon governo“.

SABINE VON HEUSINGER (Mannheim) beendete die überaus gelungene Tagung mit ihrem Schlusswort und lud als Organisatorin der nächsten Veranstaltung „Neues aus dem Mittelalter“ für das Jahr 2010 nach Mannheim ein, wo die erfolgreiche Tradition der „Werkstattgespräche“ ihre Fortsetzung finden wird.

Konferenzübersicht:

Freitag, 27. Juni 2008

Führung durch das Heidelberger Schloss

Begrüßung durch Carla Meyer (Heidelberg)

Moderation: Jörg Peltzer (Heidelberg)

Klaus-Peter Horn (Bremen):
Behinderte und Mobilität im Sachsen des 8. und 9. Jahrhunderts

Thomas Horst (München):
Die Entwicklung der „Forensischen Kartographie“. Eine kartographiehistorische Studie zum Augenscheinplan (Tyberiade)

Moderation: Ute Kühlmann (Mannheim)

Andreas Büttner (Heidelberg):
Krönungsrituale im spätmittelalterlichen Frankreich im Vergleich mit
England

Markus Schütz (Augsburg):
Mensam parare, donariis nobilitare – Versuch einer qualitativen Analyse königlicher Gegenwart um das Jahr 1000

Julia Alletsgruber (Zürich/Paris):
Sprachausbau in den Urkunden – Lexikologische Untersuchung eines typisch mittelalterlichen Mediums

Samstag, 28. Juni 2008

Moderation: Andrea Briechle (Heidelberg)

Pia Eckhart (Freiburg):
Costanntz ist nitt nicht vast gross aber alt und lustig - Geschichtsinteresse und Gegenwartschronistik des Beatus Widme

Gesine Mierke (Chemnitz/Greifswald):
Ordnung und ordo – zur Konstruktion von Geschichte(n) in der Reimchronistik des Mittelalters

Moderation: Sabine von Heusinger (Mannheim)

Markus Frankl (Würzburg):
Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach (*1414, †1486) und das
Hochstift Würzburg

Simona Slanička (Bielefeld):
Adlige Bastarde in regionalen Verwaltungen: Hybridität und Illegitimität als Garanten für Herrschaftsloyalität?

Moderation: Klaus Oschema (Heidelberg)

Andrea Berlin (Bochum):
Widersacher, Wappenschilde, Wachsfiguren – Über die Zwistigkeiten zwischen Karl dem Kühnen und dem Grafen von Nevers

Gerrit Jasper Schenk (Stuttgart):
Natur – Katastrophe – Gesellschaft. Gesellschaftliche Strukturen und der Umgang mit Naturrisiken am Beispiel von Florenz und Straßburg (ca. 1300-1550)

Schlusswort von Sabine von Heusinger (Mannheim)