Title
Johannes Hoffmann (1890-1967). Biographie eines Deutschen


Author(s)
Küppers, Heinrich
Series
Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 54
Published
Düsseldorf 2008: Droste Verlag
Extent
602 S.
Price
€ 49,00
Reviewed for H-Soz-Kult by
Erik Lommatzsch, Leipzig

Der Untertitel dieser Studie über den Saarpolitiker Johannes Hoffmann, Ministerpräsident von 1947 bis 1955, verdeutlicht die Intention des Buches, Hoffmann als einen „Deutschen“ vorzustellen. Zwar wird in der Einleitung explizit betont, „Gefühle der Sympathie oder der Nähe zur Person haben bei dieser Festlegung keine Rolle gespielt“ (S. 16), dennoch kämpft Heinrich Küppers geradezu programmatisch gegen ein vorherrschendes, negatives Bild seines Protagonisten an. Dies gilt insbesondere, wenn Hoffmann gegen Vorwürfe in Schutz genommen wird, er sei ein Erfüllungsgehilfe im Dienste Frankreichs gewesen. Aus Küppers’ Studie soll klar und deutlich hervorgehen: Hoffmann erstrebte – auf der Grundlage seiner Erfahrungen aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft – eine autonome Saar im Dienste Europas. Das Saarland sollte eine Brückenfunktion zwischen den ehemals verfeindeten Ländern Deutschland und Frankreich einnehmen. Auf dieser Linie finden sich Aussagen wie etwa: „Johannes Hoffmann hat die Abhängigkeit ’seiner’ Saar von der Finanz- und Wirtschaftwelt Frankreichs immer als Belastung gesehen, wenngleich sein fortgesetztes Bekenntnis zur Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich einen anderen Eindruck suggerieren mag.“ (S. 443) Für diese Hoffmann-Biographie hat Küppers, bis 2005 Professor für Neueste Geschichte an der Universität Wuppertal, über lange Jahre Material zusammengetragen. An Detailreichtum bleibt kaum etwas zu wünschen übrig.

Für die Zeit der Weimarer Republik wird der im Saarland geborene Hoffmann als „Gesinnungsjournalist“ dargestellt, der Anhänger des Sozialkatholizismus war. Nach dem Ersten Weltkrieg wirkte er in Berlin, 1929 kehrte er in seine Heimat zurück und übernahm die Chefredaktion der „Saarbrücker Landeszeitung“. Als überzeugter Gegner der Nationalsozialisten engagierte er sich im Vorfeld der Abstimmung über die politische Zukunft des Saarlandes am 13. Januar 1935 gegen einen Anschluss an Deutschland und für die Beibehaltung des Status quo; diese Position war auch innerhalb des Saarkatholizismus umstritten gewesen. So setzte beispielsweise der Trierer Bischof Bornewasser, zu dessen Diözese große Teile des Saarlandes gehörten, die prinzipielle „Vaterlandsliebe“ über die politischen Realitäten nach 1933 und sprach sich vehement für einen Anschluss aus. Hoffmann, dessen Position im Jahre 1933 immer schwieriger geworden war, hatte schon Anfang 1934 seine Entlassung provoziert und danach bei der „Neuen Saarpost“ gewirkt. 1935 musste er emigrieren. Über Luxemburg und Frankreich gelangte er schließlich im Rahmen der „Aktion Görgen“ nach Brasilien, wo er bis August 1945 lebte.

Im Herbst 1945 kehrte Hoffmann ins Saarland zurück. Zunächst war er wieder als Journalist tätig, bereits im Januar 1946 wurde er Vorsitzender der CVP. Die Partei war bald äußerst stark auf seine Person fixiert. Ein Jahr später wurde er saarländischer Ministerpräsident. Dieser Aufstieg wird in der ansonsten sehr ausführlichen Studie etwas knapp dargestellt. Küppers gebraucht im Zusammenhang mit den Ämtern Hoffmanns häufig die Formulierung „sich in die Pflicht nehmen lassen“. Allzu unwohl scheint sich Hoffmann als Ministerpräsident mit doch recht umfassenden Machtbefugnissen allerdings nicht gefühlt zu haben. Unter den gegebenen Umständen kam bald der Vorwurf auf, Hoffmann werde von Frankreich unterstützt, um das Saarland, dessen künftiger Status bis 1955 diskutiert wurde, im französischen Sinne zu verwalten.

Natürlich war der Aktionsradius der saarländischen Regierung beschränkt; das Gebiet stand nach Kriegsende unter französischem Protektorat und war mit Frankreich durch eine Wirtschaftsunion verbunden. Hatte Frankreich zunächst noch großes Interesse an diesem Gebiet selbst gezeigt, so wurde die Saar zu Beginn der 1950er-Jahre mehr und mehr zum Spielball bilateraler Auseinandersetzungen mit Deutschland. Hoffmann strebte von Anfang an eine Autonomie, einen Saarstaat an. Küppers betont dabei immer wieder, der Saarländer sei dennoch zeitlebens deutscher Patriot gewesen. Erklärt wird dies, indem in Rechnung gestellt wird, dass „Nation“ für Hoffmann seit 1934 nur noch ein „relativer Wert“ (S. 355) gewesen sei. Von Anfang an werden die Autonomiebestrebungen im Licht einer zukunftsweisenden Europavision betrachtet.

Auch innenpolitisch hatte diese Autonomie höchste Priorität. Hoffmann scheute sich nicht, ihm nicht genehme Parteien und Gewerkschaften verbieten zu lassen. Als Leistung hervorzuheben ist hingegen der während seiner Regierungszeit aufgebaute Sozialstaat, wobei aber auch zu vermerken ist, dass viele deutsche Nachkriegsprobleme – etwa die Flüchtlingsströme oder der Lastenausgleich – der Saarbevölkerung erspart blieben. Enttäuschungen erfuhr Hoffmann mehrfach durch seine vermeintlichen europäischen Partner. So gelang es ihm nicht, die Aufnahme des Saarlandes als siebentes Mitglied der Montanunion zu erreichen. Dies wäre ein deutlicher Schritt in Richtung Eigenstaatlichkeit gewesen.

Bis 1955 konnte Johannes Hoffmann mit absoluter Mehrheit regieren, wobei er sich wohl auch persönlicher Popularität erfreute. Dennoch entschied sich die Bevölkerung am 23. Oktober 1955 recht eindeutig gegen das Europäische Saarstatut, durch welches dem Saargebiet im Rahmen der Westeuropäischen Union ein Sonderstatus zugekommen wäre, und für einen Anschluss an Deutschland. Küppers versucht dies vor allem damit zu erklären, dass es Hoffmanns Gegnern gelungen sei, die Abstimmung fälschlich auf eine Entscheidung für oder gegen Deutschland zu reduzieren und Hoffmanns Europa-Anliegen zu untergraben. Selbst angesichts der klaren Niederlage verwendet sich der Biograph noch für Hoffmann: „Überhaupt war die Stimmung an der Saar im November 1955 nicht so, als ob die Beitrittsfrage zur Bundesrepublik so eindeutig gewesen wäre, wie es das Abstimmungsergebnis vom 23. Oktober 1955 suggerieren mag.“ (S. 539)

Auch wenn mitunter auf negative Züge Hoffmanns hingewiesen wird, etwa seinen autoritären Führungsstil, so steht er am Ende dieser Biographie als visionärer, häufig missverstandener und missgedeuteter sowie insbesondere gegenüber Frankreich nicht über ausreichend Spielraum verfügender „robuster Demokrat“ (S. 470) da. Man muss nicht auf der Seite von Hoffmanns politischen Gegnern – allen voran Heinrich Schneider von der DPS, der sich letztlich als Sieger fühlen durfte1 – stehen, um vielleicht doch den einen oder anderen Zweifel an der These anzumelden, die Autonomiebestrebungen eines sich nahezu selbst aufopfernden Johannes Hoffmann haben stets nur im Dienste einer geraden Europa-Linie gestanden. Mitunter scheint es, als habe Hoffmann mit seinen Memoiren – „Das Ziel war Europa“2– den Grundtenor dieser Studie selbst vorgegeben.

Sicher geben die von Hoffmann-Gegnern geäußerten Gehässigkeiten („Der Dicke muss weg“) oder die nicht belegbaren Anschuldigungen, er habe im Dienste Frankreichs gestanden bzw. sei lediglich eine Marionette gewesen, die sich bis heute in der Literatur niederschlagen, genügend Anlass, dagegen entsprechend anzuschreiben. Allerdings sollte die Inschutznahme auch Grenzen kennen und gerade bei einer biographischen Arbeit, die so stark Position bezieht, nicht in dem Vorwurf an andere Historiker gipfeln, sie täten „sich einfach schwer, Hoffmann objektiv zu sehen“ (S. 512).

Nach der Abstimmungsniederlage zog sich Hoffmann zurück. Das Saarland wurde am 1. Januar 1957 Teil der Bundesrepublik. Mit der Biographie Johannes Hoffmanns liegt eine umfangreiche Darstellung des Lebensweges dieses bedeutenden Journalisten und Saarpolitikers vor; ebenso werden die internationale Dimension der Saarproblematik sowie die Auseinandersetzungen in Deutschland und im Saargebiet selbst in der Zeit von 1919 bis 1955 gut ausgeleuchtet. Aber gerade weil Johannes Hoffmann unbestreitbare Verdienste beim Aufbau des Saarlandes zukommen, gerade weil er eine herausragende politische Persönlichkeit war, ist es nicht nötig, Widersprüche zu glätten und Schwachpunkte, etwa den autoritär und mitunter deutlich undemokratisch geführten Kampf um den Machterhalt, immer nur aus der auf die „große Sache“ - Autonomie auf dem Weg nach Europa - gerichteten Perspektive zu interpretieren.

Anmerkungen:
1 Vgl. die Memoiren: Heinrich Schneider, Das Wunder an der Saar. Ein Erfolg politischer Gemeinsamkeit, Stuttgart 2. Auflage 1974.
2 Johannes Hoffmann, Das Ziel war Europa. Der Weg der Saar 1945-1955, München 1963. Küppers weist ausdrücklich auf die „bemerkenswerte Sachlichkeit“ dieses Werkes hin (S. 570).

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