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Titel
Die Lex Irnitana. Ein römisches Stadtrecht aus Spanien. Lateinisch und deutsch


Herausgeber
Wolf, Joseph Georg
Reihe
Texte zur Forschung 101
Erschienen
Anzahl Seiten
159 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Renate Lafer, Abteilung Alte Geschichte, Altertumskunde und Archäologie, Alpen-Adria-Universität-Klagenfurt

Von allen Stadtrechten Spaniens aus flavischer Zeit ist die Lex Irnitana aufgrund ihres guten Erhaltungszustandes das aufschlussreichste. Von den ursprünglich zehn Bronzetafeln waren zum Zeitpunkt der Auffindung im Jahr 1981 immerhin fünf zur Gänze und eine in fragmentiertem Zustand erhalten. Da alle unter Domitian erlassenen leges municipales Spaniens derselben Vorlage folgten, lassen sich, vor allem durch Vergleiche mit der Lex Malacitana, sogar ungefähr zwei Drittel des Gesetzes rekonstruieren.

Nach einer spanischen, englischen und italienischen Übersetzung liegt nun erstmals auch eine deutschsprachige Ausgabe vor. Herausgeber ist der Emeritus für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Universität Freiburg im Breisgau, Joseph Georg Wolf, der nach zahlreichen Vorarbeiten zu Detailfragen der Lex Irnitana hiermit das Gesetz als Ganzes vorstellt.1 Er folgt dabei der Transkription von Fernando Fernández Gómez aus dem Jahr 19902 und gibt den lateinischen Text originalgetreu und mit dem für Inschrifteneditionen üblichen Klammersystem sowie mit einem leider sehr bescheidenen Anmerkungsapparat wieder.

Nach einer Auswahlbibliographie führt Wolf zunächst in das Thema ein, indem er den historischen Kontext knapp erläutert: Einer kurzen Einleitung in die vorrömische Zeit Spaniens folgen die wichtigsten Daten zur Römerzeit. Hierauf wird in einem weiteren Unterkapitel kurz auf die Städte der Baetica eingegangen und sodann die Munizipalisierung insbesondere unter Domitian diskutiert. An dieser Stelle erfolgt die Überleitung zur Lex Irnitana, deren Fundumstände, Erhaltungszustand und inhaltliche Parallelen zur Lex Ursonensis beschrieben werden. Ausführlicher bespricht Wolf dann die Grundordnung des Gesetzes mit den drei wichtigsten Institutionen: Bürgerversammlung, Stadtrat und Magistraturen. Ein kürzerer Unterabschnitt ist der interessanten Frage gewidmet, ob das Gesetz auch tatsächlich angewandt und durchgesetzt wurde. Wolf differenziert in seiner Antwort darauf zunächst zwischen Stadtverfassung und Privatrechtsordnung. Im Falle der Stadtverfassung kann er die Frage bejahen, wohingegen in privatrechtlicher Hinsicht seiner Ansicht nach das Gesetz vorerst wohl kaum Auswirkungen gehabt haben dürfte; es bedurfte möglicherweise einiger Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, bis sich die Bürger Irnis an die neuen rechtlichen Gegebenheiten gewöhnt und die Neuerungen akzeptiert hatten. Der Einführungsteil wird schließlich durch Fragen der Darstellungsform und der Texteditionen bzw. Übersetzungen abgeschlossen.

Der Hauptteil bietet die Gegenüberstellung des lateinischen Textes und der Übersetzung der in 99 Rubriken eingeteilten Inschrift. Der Text folgt in seiner inhaltlichen Abfolge einer klaren Struktur: Nach und nach werden die Themenbereiche Komitien, Magistraturen, Dekurionen, Wahlmodalitäten, allgemeine Verwaltung, Finanzwesen, Gerichtsbarkeit und abschließend Zivilprozess abgehandelt. Sprache und Stil des lateinischen Originals sind dagegen eher verschachtelt und in ihrer Struktur schwer verständlich. Da Wolf sich aber, wie er selbst in der Einleitung betont, im Wesentlichen an den lateinischen Satzaufbau hält, wirkt sich dies bei der deutschen Übersetzung dementsprechend in Stil und Aufbau aus: Die Sätze sind ebenfalls verschachtelt, die Satzstruktur ist oftmals nur schwer zu erkennen.3 Manchmal sucht man angestrengt nach dem Verb, um den Satz zu vervollständigen. Die Übersetzung wirkt aus diesem Grund grammatikalisch oft fehlerhaft bis unverständlich, was zu inhaltlichen Unklarheiten führt. Bisweilen kann der Übersetzung daher nur mühsam gefolgt werden; eine etwas freiere Übersetzung, versehen mit einem entsprechenden Kommentar, wäre hier lesbarer und inhaltlich klarer gewesen. Überdies stellt eine Übersetzung ja gleichfalls eine Art von Interpretation des jeweiligen Bearbeiters dar, was bei Wolf somit oftmals fehlt.

Vermisst wird auch ein Kommentar inhaltlicher Art gerade zu juristischen Fachtermini, da Leser, die mit juristischen termini technici nicht vertraut sind, Begriffe wie recuperatores, vadimonia oder intertium nur in bescheidenem Ausmaße verstehen dürften.4 Abschließend muss noch auf eine kleine Eigenart in der Klammersetzung bei der Herausgabe des lateinischen Textes hingewiesen werden: Die Verwendung von eckigen Klammern für die Bezeichnung von überzähligen oder verfehlten Buchstaben und Wörtern ist in der lateinischen Epigraphik bzw. bei Texteditionen unüblich. In diesem Falle empfiehlt es sich vielmehr, gemäß dem Leidener Klammersystem spitze Klammern zu setzen, wogegen eckige für das Fehlen von ursprünglich vorhandenen Buchstaben auf dem Original stehen.

Resümierend ist eine deutschsprachige Ausgabe dieser für das Munizipalleben und die städtische Verwaltung wichtigen Lex Irnitana als durchaus wichtiges Desiderat zu bezeichnen. Die Übersetzung hätte allerdings ein wenig leserfreundlicher und in der Struktur vom lateinischen Original losgelöster gestaltet sein können, auch wenn dies, gerade bei juristischen Texten, nicht immer leicht zu bewerkstelligen ist. Denn ohne Vorkenntnisse zu inhaltlichen Problemstellungen lässt sich der deutsche Text bisweilen nur schwer verstehen, zumal auch ein inhaltlicher Kommentar fehlt.

Anmerkungen:
1 Josef Georg Wolf, Diem diffindere: Die Vertagung im Urteilstermin nach der Lex Irnitana, in: Paul McKechnie (Hrsg.), Thinking like a lawyer. Essays on legal history and general history for John Crook, Leiden 2002, S. 5–41; ders., „Intertium“, und kein Ende?, in: Bullettino dell’Istituto di Diritto Romano 3. Ser. 39 (2003), S. 1–36; ders., La lex Irnitana e le Tavole di Veleia e Ateste, in: Luigi Capogrossi Colognesi / Emilio Gabba (Hrsg.), Gli statuti municipali, Pavia 2006, S. 203–237; ders., The Romanization of Spain: The Contribution of City Laws in the Light of the Lex Irnitana, in: Andrew Burrows / Alan Lord Rodger of Earlsferry (Hrsg.), Mapping the law. Essays in memory of Peter Birks, Oxford 2006, S. 439–445; ders., Iudex iuratus, in: José L. Linares (Hrsg.), Liber Amicorum Juan Miquel. Estudios romanisticos con motivo de su emeritazgo, Barcelona 2006, S. 1087–1111.
2 Fernando Fernández Gómez, La Lex Irnitana y su contexto arqueologico, Sevilla 1990.
3 Zwei Beispiele seien herausgegriffen: S. 47, Rubrik 19, Zeile 13–16: „Und den Ädilen, die später unter diesem Stadtrecht bestellt werden, soll über die Rechtssachen und zwischen den streitenden Parteien, über die und zwischen denen den Duumvirn Gerichtsbarkeit zusteht, bis zum Streitwert von 200 Sesterzen Gerichtsbarkeit sowie Ernennung und Zuerkennung eines Urteilsrichters und von recuperatores, soweit es nach diesem Gesetz erlaubt ist, zustehen.“ S. 95, Rubrik 66, Zeile 10–13: „Die Geldbußen, die in diesem municipium von den Duumvirn oder dem Präfekten verhängt worden sind, ebenso <auch> von den Ädilen, die diese <Bußen> in ihrer <Funktion> als Ädile verhängt zu haben, vor den Duumvirn, vor beiden oder vor einem von ihnen, erklärt haben: daß diese <diese Bußen> in die öffentlichen Register der Bürger dieses municipium eingetragen werden, soll der Duumvir, der der Rechtsprechung vorsteht, anordnen.“
4 Vgl. S. 47, Rubrik 19, Zeile 15; S. 77, Rubrik 49, Zeile 40/42; S. 131, Rubrik 90, Zeile 26.

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