Die Geschichte des SS-Helferinnenkorps erhellt sich nicht zuletzt von ihrem Ende her: Während der Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg 1945/46 löste Horst Pelckmann, einer der Verteidiger, die Helferinnen, die im Krieg als Fernschreiberinnen, -sprecherinnen und Funkerinnen für die SS im Dienst gewesen waren, explizit aus dem Ordensverband der SS heraus. Er argumentierte (fälschlich), dass diese keine Angehörigen der SS gewesen seien; wie die Helferinnen der Wehrmacht hätten sie nur zum Gefolge gezählt und zudem ähnliche Funktionen wie diese ausgeübt. Mit dieser Verteidigungsstrategie versuchte Pelckmann, den Einsatz der SS-Helferinnen von dem der SS-Aufseherinnen in Konzentrationslagern abzuheben und an den vermeintlich harmlos-unbedeutenden Einsatz der Helferinnen der Wehrmacht heranzurücken. Er schuf so gleichsam eine geschlechterspezifische Variante des Arguments von der „sauberen Wehrmacht“. Die Strategie war erfolgreich: Die Unklarheit über den Status der Helferinnen verbesserte deren Position im Prozess der Entnazifizierung, zog sich durch die Spruchkammerverfahren und führte dazu, dass die ehemaligen Helferinnen immer wieder unter die Jugendamnestie fielen, welche bei Angehörigen verbrecherischer Organisationen eigentlich keine Anwendung hatte finden sollen.
Liest man diese lehrreiche Anekdote gegen den Strich der Verteidigungslinie, so lässt sich vermuten, dass ein historisch-analytischer Blick substanzielle Unterschiede dieser beiden Formen weiblichen Kriegseinsatzes zutage fördern muss. Damit ist man auf der Spur, der Jutta Mühlenberg mit ihrer organisations- und strukturgeschichtlichen Arbeit folgt: In ihrer dichten Studie arbeitet sie gerade die historische Besonderheit der „Schwesterorganisation der Schutzstaffel“ heraus. Die SS-Helferinnen waren, anders als die Helferinnen der Wehrmacht, nicht Gefolge, sondern reguläre Mitglieder der SS-Sippengemeinschaft. Den genauen Ort der Helferinnen im institutionellen Gefüge der SS herauszuarbeiten, ist Mühlenberg wichtig, nicht zuletzt, um ein wissenschaftlich differenziertes Urteil über deren Einsatz fällen zu können. Denn die von der historischen Frauen- und Geschlechterforschung zum Nationalsozialismus in den letzten Jahren oft gestellten und gelegentlich leichtfertig beantworteten Fragen nach dem Kriegseinsatz und der (Mit-)Täterschaft von Frauen lassen sich nur dann seriös beantworten, wenn deren Tätigkeiten in den Kontext der Institutionen eingeordnet werden, in denen sie stattgefunden haben. Für eine solche Kontextanalyse bietet sich die überschaubare Helferinnenschaft an, deren kaum dreijährige Existenz Mühlenberg zusammen mit der Nachgeschichte bis 1949 untersucht. Auf dem Weg einer statistischen Analyse von gut 1.700 Personendaten zeichnet Mühlenberg ein prägnantes Profil dieser Helferinnenschaft.
Dass die SS (und zuallererst Heinrich Himmler selbst) kein schnödes, auf seine Funktion reduziertes Nachrichtenhelferinnenkorps nach dem Muster von Heer, Marine und Luftwaffe schaffen wollte, zeigen schon die 1942 aufgenommenen Planungen. Zwar antwortete die Gründung der SS-Helferinnenschaft auf personelle Engpässe, die durch die zunehmend schlechte Kriegslage entstanden waren. Die SS-Helferinnen sollten „einen SS-Mann für die Front freimachen“. Über diese Notwendigkeit hinaus aber beharrte Himmler auf seinen Vorstellungen von einem SS-Frauenkorps. Ihm schwebte vor, aus diesem eine weibliche Keimzelle der SS-Sippengemeinschaft zu generieren (S. 105), er sah die SS-Helferinnenschule im elsässischen Oberehnheim als „Mutterhaus“ seines Ordens, sprach sich gegen vermeintlich vermännlichende Uniformen und noch im März 1943 gegen Führerinnendienstränge aus. Der Chef des Fernmeldewesens, Ernst Sachs, hatte demgegenüber ein schlichteres Ziel: Er plante eine weibliche Ersatzgruppe, die durchaus nach Art der Wehrmacht funktionieren und effizient Männer für den Kampf freisetzen sollte. Am Ende dieses Konkurrenzkampfes war das Helferinnenkorps 1944 dem SS-Hauptamt und nicht mehr dem Chef des Fernmeldewesens unterstellt. Tatsächlich gab es in der SS-Helferinnenschaft nur eine ganz rudimentäre Führerinnenfolge, während viele Helferinnenschaften der Wehrmacht über breit ausdifferenzierte Hierarchiestufen verfügten.
Dass die Helferinnen vollgültige Mitglieder des elitär-rassistischen SS-Ordens sein sollten (und wollten, wie die ausgewerteten Bewerbungsschreiben eindrücklich zeigen), wird auch an vielen anderen, von Mühlenberg erforschten Details erkennbar: etwa daran, dass die Frauen, waren sie noch nicht feierlich vereidigt und in die SS aufgenommen, als bloße „Kriegshelferinnen“, gleichsam als Helferinnen zweiter Klasse also, firmierten. Langfristig sollten, so plante Himmler, nur auserlesene, den rassistischen Kriterien entsprechende und ideologisch verlässliche SS-Helferinnen im Orden arbeiten, die freiwillig gekommen, über andere SS-Angehörige geworben, durch einen akribischen Ausleseprozess geschleust worden waren. Es mutet paradox an, wie sehr die SS trotz der bedrohlich heranrückenden Kriegssituation auf ihren rassistischen Auslesekriterien beharrte: Ideologie und Bürokratie siegten über die Kriegsnotwendigkeiten. Die „Betonung einer strengeren Auswahl“, schlussfolgert Mühlenberg, „weist erneut darauf hin, dass das SS-Frauenkorps nicht lediglich gegründet wurde, um Nachrichtenmänner für die Front freizustellen, sondern dass es um die Bildung eines Ordens ging“ (S. 105). Oder in den Worten der Bewerberin Helga P., die im Oktober 1943 einen Brief an Sachs schrieb: „Man braucht also ein ganzes Jahr, um bei der SS als Nachrichtenmaid eingesetzt zu werden. Sie müssen doch selbst zugeben, daß das für die Verhältnisse des 20. Jahrhunderts und gerade in der augenblicklichen Kriegszeit, etwas reichlich lange ist.“ (S. 121) Zweckrationale, den Kriegsnotwendigkeiten folgende und ideologische Motive waren also eng verwoben und lagen im stetigen Widerstreit.
Welchen Anteil aber hatten die Helferinnen, die in der Kernorganisation nationalsozialistischer Vernichtungspolitik arbeiteten, am Holocaust? Was wussten sie? Eindrucksvoll schildert Mühlenberg die Nähe der Helferinnen-Schule zum Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof, dessen Häftlinge beim Aufbau wie bei der Unterhaltung der Schule eingesetzt wurden und einer teilweise drakonischen Behandlung unterlagen. So wurde der Umgang mit Konzentrationslagerhäftlingen für die SS-Helferinnen, wie Mühlenberg lakonisch feststellt, schon zur „Normalität“, bevor sie in die Einsätze entlassen wurden (S. 189). Ist man allerdings nach knapp 300 Seiten, auf denen Mühlenberg akribisch Planungen, Ausleseprozess, die altersmäßige und sozialstrukturelle Zusammensetzung des Korps nachzeichnet, endlich bei den Einsätzen angelangt, wird man ein wenig enttäuscht, weil auch Mühlenberg Fragen nach Mitwisserschaft und Beteiligung nicht präzise beantworten kann. Sie geht gut begründet davon aus, dass die Helferinnen durch ihren Einsatz über den rassistischen Mordprozess im Bilde waren, da sie in den Vermittlungsstellen sämtlicher Einrichtungen der SS eingesetzt waren: in den Konzentrationslagern ebenso wie im Reichssicherheitshauptamt oder bei der Volksdeutschen Mittelstelle. Das breite Spektrum der Einsätze versucht Mühlenberg auszuleuchten, indem sie zwei Beispiele an den Polen dieses Spektrums herausgreift: den Einsatz im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz und den Einsatz in der Nebelabteilung auf dem Obersalzberg, die bei einem Angriff das Ziel unsichtbar machen sollte. Gerade das nur rund 15 Seiten umfassende Kapitel über den Einsatz in Auschwitz aber bleibt dünn im Vergleich zur Darstellung der Planungs-, Auslese- und Ausbildungsgeschichte: Zwar erarbeitet Mühlenberg Kurzbiografien aller im Lager eingesetzten Frauen, kann aber deren Mitwisserschaft nur über die scharfe Geheimhaltungspflicht, der die Frauen unterlagen, ex negativo ableiten.
Gelegentlich nimmt die quantifizierend-statistische Auswertung der Autorin eine Eigenlogik und Eigendynamik an, die seltsame Blüten treibt. Korrelationen werden dargestellt, nur weil sie möglich sind, auch wenn die Ergebnisse im Gesamtbild der Studie keinen besonderen Stellenwert besitzen. Diese Schwäche aber ist zugleich eine Stärke des Buches: Mühlenberg arbeitet bis ins kleinste Detail hinein. Gerade diese genaue Tatsachenzusammensetzung gibt dieser kleinen Helferinnenschaft, die kaum drei Jahre bestand, ein klares Gepräge. Ihre Spezifik tritt deutlich hervor, sie hebt sich eindrücklich etwa von den Helferinnenschaften der Wehrmacht ab. Auch wenn die Kulturgeschichte quantifizierenden Ansätzen und einer positivistischen Aktenanalyse skeptisch gegenübersteht: Mühlenberg beweist mit ihrer historischen Rekonstruktion und ihren in Zahlen abgewogenen Befunden, wie gewinnbringend ein solcher Ansatz sein kann. Er ermöglicht am Ende eine nüchterne Antwort auf die Frage nach der Qualität der weiblicher Beteiligung: „Die Schuld der ehemaligen Helferinnen besteht in ihrer freiwilligen Mitarbeit im bürokratischen Apparat der SS, sie waren innerhalb einer verbrecherischen Organisation tätig.“ (S. 420)