Das biografisch angelegte, liebevoll gestaltete Büchlein bietet eine im besten Sinne populärwissenschaftliche, unterhaltsame Darstellung zu Leben und politischem Wirken Heinrich Jasomirgotts, des ersten österreichischen Herzogs aus der Familie der Babenberger. Außerdem beschäftigt sich Helmut Hanko, der aus seiner wohlwollenden Sicht auf den Herzog kein Hehl macht (S. 9), mit den Urteilen der Nachwelt über seinen Helden. Dabei liefert er in neun Kapiteln zuverlässige Informationen aus den Quellen und der gängigen Literatur. Die wichtigsten Fragen zur Person werden abgehandelt: Wie kam Heinrich zu seinem ungewöhnlichen Beinamen und was könnte er bedeuten? Welchem glücklichen Umstand verdankt der Babenberger seine byzantinische Ehefrau aus dem komnenischen Herrscherhaus? Wie stand er zu seinen königlichen Verwandten Konrad III. und Friedrich I.? Wie gelang ihm der vom Kaiser privilegierte Aufstieg vom Markgrafen zum Herzog in schwieriger politischer Situation? Wie gestalteten sich die Beziehungen zu den Nachbarn in Böhmen und Ungarn sowie zum byzantinischen Imperium, das damals noch bis zur Donau reichte? Welche Position nahm er in den kirchlichen Fragen seiner Zeit, vor allem dem Alexandrinischen Schisma, ein? Welchen Anteil hatte er an der Entwicklung Wiens zur ‚Hauptstadt’ des Landes?
Wer allerdings mehr sucht als die solide Nacherzählung des weithin Bekannten in subjektiver Färbung des Autors, wer sich nach Neuem oder Außergewöhnlichem sehnt, wird nicht völlig zufrieden gestellt. Da hilft es nicht, dass der Leser, der „mehr über die Babenberger und ihre Zeit wissen will“ (S. 9) auf Georg Scheibelreiter1 verwiesen wird, denn dieser führt im Folgenden ebenfalls nicht weiter. Zwei Beispiele, bei denen es sich als Nachteil erweist, dass Hanko die Forschungsliteratur und die – zugegeben etwas abgelegenen – Quellen nicht umfassend bekannt sind, sollen das belegen: Im Sommer 1165 (Ende Juli, Anfang August) fand in oder bei Wien, jedenfalls im babenbergischen Österreich, ein ostmitteleuropäisches Gipfeltreffen statt. Kaiser Friedrich Barbarossa, König Vladislav von Böhmen und sein Verbündeter aus den Tagen König Konrads III., Herzog Heinrich Jasomirgott, Gesandte des ungarischen Königs Stephan III. sowie ein regulus Ruthenorum, ein Fürst aus dem Kiewer Reich, trafen sich und verhandelten wichtige ,außenpolitische' Probleme, unter anderem bezüglich des ungarischen Thronstreits, in den auch Konstantinopel involviert war. Der altrussische Kleinkönig, vielleicht Fürst Jaroslav von Halič (Galizien), unterstellte sich – unter dem Geleit des Böhmenkönigs – der kaiserlichen Herrschaft. Mit dabei waren weitere bedeutende bayerische Reichsfürsten, die Bischöfe von Freising, Passau und Regensburg, und umstrittene Persönlichkeiten wie Propst Gerhoch von Reichersberg. Gerhoch hatte Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch mit dem Kaiser und war ein erbitterter Gegner des Magisters Petrus von Wien.2 Auch dieser herausragende Intellektuelle, der zur Zeit Herzog Heinrichs in Wien lebte, Magister Petrus († 1183) – sein Freund Hugo von Honau nannte ihn einen vir eloquentissimus – wird uns vorenthalten. Peter von Wien war ein Porretaner, ein Schüler des französischen Scholastikers Gilbert von Poitiers, und ein früher sprachphilosophischer Vorläufer eines anderen berühmten Wieners, Ludwig Wittgensteins. Meister Peters Beziehungen reichten bis nach Konstantinopel. Er stand in Kontakt zu Hugo Etherianus und zum kaiserlichen Dolmetscher Leo Tuscus, die beide am Hofe des Basileus Manuel Komnenos tätig waren. Peter dürfte in vielerlei Hinsicht den Herzog beraten haben.3 Bischof Otto von Freising, der hochtalentierte geschichtsschreibende Bruder Herzog Heinrichs, schätzte die Schule Gilberts sehr, welcher der bereits erwähnt Hugo von Honau ebenfalls angehörte.
Am Schluss (S. 121–124) wirft Hanko die Frage nach den Kriterien zur Bewertung eines Fürsten im 12. Jahrhundert zwar auf, beantwortet sie dann jedoch nur sehr sparsam. Als bedeutendste Leistung des Babenbergers sieht er völlig zu Recht dessen Förderung Wiens, das er zum Herrschaftsmittelpunkt mit herzoglicher Pfalz und höfischem Leben machte und dem er ein Schottenkloster schenkte. Zugute hält er dem Herzog auch die beharrliche Fortsetzung des Landesausbaus, der durch die relativ lange Herrschaft Heinrichs begünstigt wurde. Und Heinrich Jasomirgott hatte Glück mit den Frauen. Gleich zweimal heiratete er über seinem Niveau in kaiserliche Familien ein: zuerst die sächsische Gertrud, die einzige Tochter Kaiser Lothars III., dann die Komnenin Theodora. Weniger erfolgreich war Heinrich bei seinen militärischen Unternehmungen: An der Leitha bezog er 1146 eine katastrophale Niederlage gegen die Ungarn und seine Auftritte auf dem Kreuzzug (1147/48) seines königlichen Halbbruders Konrad III. oder beim 2. Italienzug seines Neffen Friedrich Barbarossa vor Mailand 1158 bleiben besser unerwähnt. Der Tod ereilte ihn bei einem weiteren kriegerischen Unternehmen: Er fiel auf einer Heerfahrt Ende November 1176 gegen die Böhmen vom Pferd und erlag sechs Wochen später den Verletzungen, die er sich dabei zugezogen hatte.
Mit einer Stammtafel und einer Karte, die weder Titel noch Legende hat, verschafft Hanko dem Leser einen raschen Zugriff auf die zahlreichen babenbergischen Leopolde und Heinriche und erleichtert so die politisch-geografische Orientierung in der südöstlichen Region des römisch-deutschen Reiches der Barbarossazeit. Die Abbildungen – zeitgenössisch sind nur die Münzen des Herzogs – dienen der Illustration und beanspruchen keinen eigenen Erklärungswert. Eine Zeittafel gibt einen parallelen Überblick zu den wichtigsten Ereignissen mit Nennung der daran beteiligten Fürsten im babenbergischen Österreich und dem Reich. Ein Register der Orte und Personen schließt den Band ab, der Heinrich Jasomirgott dem interessierten Laien lesefreundlich nahebringt.
Anmerkungen:
1 Georg Scheibelreiter, Die Babenberger. Reichsfürsten und Landesherren, Wien 2010.
2 Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii 4/2. Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I., 2. Lieferung 1158–1168, neubearbeitet von Ferdinand Opll, Wien 1991, Nr. 1495f., 1498; vgl. ausführlich Michael Lindner, Ein regulus Ruthenorum am Hofe Kaiser Friedrich Barbarossas. Das Wiener Dreikönigetreffen des Jahres 1165 und die "Ostpolitik" des Staufers, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung 50 (2001), S. 337–369.
3 Die Erkenntnisse zu Magister Petrus verdanken wir einem Altmeister der österreichischen Geschichtswissenschaft: Heinrich Fichtenau, Magister Petrus von Wien, in: Ders. (Hrsg.), Beiträge zur Mediävistik. Ausgewählte Aufsätze, Bd. 1, Stuttgart 1975, S. 218–238.