Berthold Rieses Buch über Mexikos Beziehungen mit Ostasien im 16. und 17. Jahrhundert darf nach Peter Kirsch1 als ein längst fälliger deutschsprachiger Beitrag zu einem außerhalb von Fachkreisen wenig bekannten Gegenstand begrüßt werden. Der Autor, vormals Professor für Altamerikanistik an der Universität Bonn, setzt sich zum Ziel, das Thema mithilfe selten vorgestellter Texte und Bilder zu beleuchten und dabei die Quellen für sich sprechen zu lassen. Das Tagebuch des aztekischen Chronisten Domingo Chimalpahin aus dem Jahr 1615, das der Autor zwischen 1995 und 1997 mit Unterstützung des Fördervereins japanisch-deutscher Kulturbeziehungen erschlossen hatte und welches seitdem mehrfach von anderen Historikern bearbeitet wurde2, bildet die Hauptquelle des Werkes. Auch wenn der Titel irreführend ist, bietet das Buch spannende Einblicke in die frühneuzeitlichen Kontakte zwischen Japan und Mexiko und regt zur Beschäftigung mit den Verflechtungen der tranzpazifischen Handelskommunikation an.
Positiv hervorzuheben ist Rieses Versuch, einer breiten Leserschaft durch eine Zweispaltenübersetzung seltene Einblicke in das in Nahúatel verfasste Tagebuch des Domingo Chimalpahin zu gewähren. Hierbei beschränkt sich Riese, der sich in den letzten Jahrzehnten mit zahlreichen Studien zu prähistorischen Sprachen und Sprachsystemen einen Namen gemacht hat, auf die deutsche Übersetzung jener Textstellen, die sich mit Ostasien beschäftigen (Kapitel III). Leider steht dieser Teil in krassem Widerspruch zum Rest des Buches (Kapitel I und II), der das Tagebuch kontextualisieren soll, sich jedoch beim besten Willen nicht an ein Fachpublikum richten kann.
Um ein derart komplexes Thema knapp und verständlich darzustellen, bedarf es einer umfassenden Systematik, einer präzisen Kenntnis des aktuellen Forschungsstandes, vor allem aber einer konkreten Fragestellung. Da der vorliegende Band keine dieser Kriterien erfüllt, handelt es sich weder um eine solide wissenschaftliche Darstellung noch um einen ernstzunehmenden Beitrag zur globalgeschichtlichen Forschung.
Horst Pietschmann kritisierte vor 40 Jahren „einige Ungenauigkeiten und zu weit gehende Simplifizierungen“ in Rieses „Geschichte der Maya“.3 Eben diese Merkmale finden sich in großer Zahl auch im vorliegenden Band. Terminologische Ungenauigkeiten wie „völkerrechtlich“ (S. 23) oder der „König weilte häufig in seinen nördlichen und östlichen Reichsteilen in Deutschland, den Niederlanden oder Italien“ (S. 24) sind verwirrend und machen deutlich, dass der Autor kein ausgebildeter Historiker ist, auch wenn zahlreiche geschichtswissenschaftliche Titel seiner langen Publikationsliste diesen Eindruck erwecken. Die wiederholte fälschliche Bezeichnung Toyotomi Hideyoshis als Shogun lässt darauf schließen, dass er seine Kenntnisse der ostasiatischen Geschichte im Eiltempo zusammengetragen hat. Der Vergleich William Adams’ mit Engelbert Kämpfer oder die Aussagen, Philipp Franz von Siebold hätte als einer der letzten (Anm. der Verfasserin: der letzten wovon?) das „verschlossene Kaiserreich besucht“ (S. 55), gelten nicht nur aus japanologischer Sicht als unzulänglich.
Vor diesem Hintergrund irritieren insbesondere die fehlende Quellenkritik und die Missachtung neuerer Forschungsansätze. Gerade der Verzicht auf eine Einbeziehung der reichhaltigen spanischen Literatur der letzten Jahrzehnte überrascht bei einem Spezialisten für Hispano-Amerika. Dieses rechtfertigt der Ethnologe damit, dass die spanisch-japanischen Beziehungen der frühen Neuzeit bereits durch „wissenschaftliche Veröffentlichungen erschlossen“ (S. 9) seien. Ein kurzer Blick in nicht-deutschsprachige Standardwerke zum Thema4 hätte allerdings schon gereicht, diverse Fehlschlüsse wie beispielsweise über das Auftreten eines „japanisch-chinesischen Flottenverbandes“ vor Manila (S. 45) oder den Widerspruch in Date Masamunes Beteiligung an Hideyoshis Koreainvasion (S. 99–100) zu verhindern. Auch wüsste der Autor dann, dass Mönche nicht nur als „geheime Botschafter“ (S. 27) galten, sondern ganz offiziell sowohl von der spanischen als auch von der japanischen Seite als Gesandte eingesetzt wurden.
Die Leser/innen werden auch feststellen müssen, dass Berthold Riese dazu neigt, bei Zitaten zu blenden, indem er in den Fußnoten Verweise auf andere Textstellen im Buch macht, die angesichts spärlicher bibliographischer Angaben und fehlender Fundstellennachweise letztlich unzuverlässig bleiben. Willkürliche und fehlende Quellenangaben ziehen sich durch das gesamte Buch und sind im Falle bedeutsamer Ereignisse, wie der Reise des Engländers William Adams als Botschafter von Tokugawa Ieyasu nach Manila 1604 (S. 72) oder des Schicksals der „kakure kirishitan“ (S. 54) nach dem endgültigen Verbot des Christentums in Japan 1614 besonders ärgerlich. Der Autor nimmt es also weder mit historischen Fakten noch mit der Wissenschaftlichkeit besonders genau, was beispielsweise bei seiner Verwechslung König Philipps II. mit dessen Sohn (S. 101) sowie seinem unreflektierten Umgang mit Begrifflichkeiten wie Staat, Ausländer, Flotte, Koreakrieg oder „christlich katholische Kirche“ (S. 47) sichtbar wird.
Jene, die das Buch trotz dieser Enttäuschungen nach den ersten siebzig Seiten noch nicht zur Seite gelegt haben, werden nach der Lektüre der Quellenübersetzung dann doch wieder Nachsehen walten lassen. Neben kaum bekanntem Bildmaterial, namentlich den Fresken aus der Kathedrale von Cuernavaca (nahe der mexikanischen Hauptstadt) und aus dem Franziskanerkloster in Tecamachalco bei Puebla, die das Schicksal der 1597 in Nagasaki gekreuzigten Ordensbrüder darstellen, bieten vor allem Chimalpahins Aufzeichnungen seltene Einblicke in frühneuzeitliche Unternehmungen der Spanier in Ostasien. Zwei ausführlich beschriebene japanische Botschaften, die Mexiko zwischen 1611 und 1614 erreichten, geben Auskunft über die Alltagsschwierigkeiten des vormodernen interkulturellen Gesandtschaftswesens. Über die Bedeutung dieser Ereignisse für die indigene Bevölkerung erfährt die kritische Leserschaft bedauerlicherweise aber ebenso wenig wie über die Quelle selbst.
Durch gezielte Fragen hätten Chimalpahins Aufzeichnungen, die zahlreiche Informationen über das Weltbild der Azteken und deren Integration in das spanische Kolonialsystem bieten, das Potenzial, politische und geographische Diskurse sowie den Informationsfluss innerhalb des spanischen Überseeimperiums sichtbar zu machen. Doch Rieses Zugang bleibt auch in diesem Teil des Buches empirisch holprig. Dazu kommt der unpräzise Übersetzungsstil des Autors, der zu vorschnellen Schlüssen verleitet; so zum Beispiel im Falle des ersten Eintrages, der auf Deutsch den Titel „Tod eines für China vorgesehenen Kriegshauptmannes [27. März 1564]“ trägt, bei dem es sich allerdings lediglich um die Vorbereitung einer Philippinen-Flotte handelte. Darüber hinaus wird das Verständnis durch eine eigenwillige Wortwahl und antiquierte Begrifflichkeiten, vor allem aber durch den fehlenden letzten stilistischen Schliff erschwert.
Letztlich richtet sich diese Kritik auch an den Verlag und die Reihenherausgeber. Was die Peter Lang AG betrifft, verwundert es einigermaßen, warum ein Verlag, der sich selbst als Internationaler Verlag der Wissenschaften bezeichnet und zu dessen Hauptkunden Universitätsbibliotheken zählen, so wenig Interesse hat, wissenschaftliche Qualität – etwa mithilfe von Peer-Reviews – zu gewährleisten. Des Weiteren scheint der Verlag einer eigenartigen Sparpolitik anzuhängen. Käufer bekommen zwar 22 Abbildungen – einige davon in Hochglanz und Farbe –, aber kein (Minimal-)Lektorat geboten. Abgesehen von uneinheitlichen Schreibweisen und Kursivsetzungen ist das Buch von Tippfehlern übersät. Die Abbildungen selbst, deren schwer auffindbares Verzeichnis, ihre unvollständige Zitierweise und der unzulängliche Fußnotenapparat sind bei näherer Betrachtung allenfalls peinlich: Abgesehen von einer unsystematischen Aufbereitung des Bildmaterials ist das Potpourri aus englischsprachigen Karten aus dem Internet, privaten Photographien, politischen Karten aus Atlanten aus der Mitte des 20. Jahrhunderts und willkürlich zusammengetragenen Porträts japanischer Territorialfürsten an Amateurhaftigkeit kaum zu übertreffen.
Anmerkungen:
1 Peter Kirsch, Die Barbaren aus dem Süden. Europäer im Alten Japan 1543 bis 1854, Wien 2004.
2 Rafael Tena (Ed.), Domingo Chimalpahin: Diario (1615), Mexico C.F. 2001; James Lockhart, Susan Schroeder, Doris Namala (Hrsg.), Annals of His Time. Don Domingo De San Antón Muñón Chimalpahin Quauhtlehuanitzin, Stanford 2006.
3 Horst Pietschmann, Rezension zu Berthold Riese, Geschichte der Maya. Stuttgart 1972, in: Historische Zeitschrift 216 (1973), S. 754–755.
4 William Lytle Schurz, The Manila Galleon, New York 1939; Juan Gil, Hidalgos y Samurais. España y Japon en los Siglos XVI y XVII, Madrid 1991.