Titel
Templerburgen.


Autor(en)
Biller, Thomas
Erschienen
Anzahl Seiten
172 S.
Preis
€ 39,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Wozniak, Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften, Philipps-Universität Marburg

Der Kunst- und Architekturhistoriker Thomas Biller schließt sein Buch über die „Templerburgen“ mit der Erkenntnis ab: „Einen Typus der Templerburg hat es nicht gegeben“ (S. 156, 166). In dem üppigen Band werden zwei Teilgebiete der mittelalterlichen Geschichte betrachtet, die in der öffentlichen Wahrnehmung von anachronistischen und romantischen Vorstellungen so verdeckt sind wie kaum zwei andere: zum einen die Burgenkunde, zum anderen die Ritterorden, besonders die Tempelherren.

Der vorliegenden Übersicht über die Templer und ihre Besitzungen ist denn auch ein sehr notwendiges Kapitel über „Die Templer – Mythos und Realität“ (S. 9–18) vorangestellt. Der zweite große Teil ist der „Geschichte des Templerordens“ (S. 19–56) gewidmet und im dritten Abschnitt geht es um die eigentlichen „Burgen des Templerordens“ (S. 57–149). Das letzte Kapitel fragt: „Gab es einen Typus der Templerburgen?“ (S. 150–166), worauf die Literaturauswahl (S. 167–171) und ein Bildnachweis (S. 172) folgen, während Indizes der Burgen, Orte oder Namen leider fehlen. Überaus reich ist das Buch mit 80 farbigen Abbildungen und 41 teilweise ebenfalls farbigen Auf- und Grundrissen ausgestattet, allesamt von hoher Qualität.

Die Templer, ihre Burgen und ihr vermeintlich immer noch unentdeckter Schatz bilden die konkreten Kondensationspunkte heutiger Templerphantasien (S. 10), bis hin zu den im 18. Jahrhundert entwickelten Konstrukten vom geheimen Weiterleben des Ordens. Thomas Biller stellt diesen oft erst viel später erfundenen und von Vermarktungswillen geprägten Phantasien, die sich mit den Begriffen „romantisch, geheimnisvoll und esoterisch“ (S. 14) beschreiben lassen und bei denen die sorgfältige Prüfung der (bau-)historischen Befunde oft eher stört (S. 14), die realen Zeugnisse des 12. und 13. Jahrhunderts gegenüber. Um aus der großen Zahl der im Laufe der Zeit als Templerbesitz deklarierten Anlagen die tatsächlichen herauszufiltern, müssen diese zwei Hauptkriterien erfüllen: Zum einen müssen sie in zeitgenössischen Schriftquellen genannt werden, zum anderen müssen die dazugehörigen Bauten zur Zeit der Templer errichtet worden sein. Bei etwa 13.000 vermuteten Templerbesitzungen in ganz Europa musste zwangsläufig eine Auswahl erfolgen. So konzentriert sich der Autor auf die Burgen in den zeitgenössischen Grenzzonen, also im sogenannten Heiligen Land und auf der Iberischen Halbinsel.

Der historische Teil – mit einigen wenigen Redundanzen durchsetzt – orientiert sich stark an der bekannten Darstellung über den Templerorden von Malcolm Barber.1 Als ältester Ritterorden im Heiligen Land verbanden die Templer das kriegerische Konzept des Rittertums mit den geordneten Wirtschaftsstrukturen der Mönchsorden, was immer wieder zu Spannungen zwischen ihrem Selbstverständnis und ihrer Außenwahrnehmung führte. Zur zeitgenössischen Kritik an der Vermischung von blutigem Kampf und Seelsorge aufgrund von Mt. 26,52 hat Gerd Althoff gerade neue Deutungen vorgeschlagen.2

Als Wallfahrer neuen Typs (S. 27) gelobten sie Armut, Keuschheit und Gehorsam, wurden aber durch viele Schenkungen und päpstliche Privilegien (Zehntbefreiung, Recht zur Sammlung von Kollekte, eigene Jurisdiktion) schnell zu einer wirtschaftlich starken und von der Kirchenhierarchie weitgehend unabhängigen Wirtschaftsmacht. In diese Selbständigkeit griffen aber bei mindestens sieben von 22 Großmeisterwahlen weltliche Herrscher ein. Die Templer entwickelten sich zu Spezialisten der Kriegsführung, für die sie eine vergleichsweise große Zahl an Pferden bereit hielten und übernahmen im Königreich – wie die anderen Ritterorden auch – die Funktionen, die später einem stehenden Heer zukamen. Ihre Gesamtzahl im Heiligen Land wird auf insgesamt 2.500 bis 3.000 Ritter und Sergeanten geschätzt. In der ganzen Zeit seiner Geschichte schwankte der Orden je nach Großmeister zwischen entschlossenem Angriff und strategischer Zurückhaltung, was ihm jeweils Kritik einbringen konnte. Durch viele Schenkungen konzentrierte sich der überwältigende Besitz (vgl. Karte auf S. 42) in Frankreich und England. Besonders in der Champagne, wo der Orden gegründet worden war, fanden sich viele Förderer. Die Pariser Templerniederlassung verwaltete auch die königlichen Finanzen. Biller nennt die bekannten finanziellen Gründe, die Philippe IV. von Frankreich zu seinen Auflösungsbestrebungen veranlassten (S. 47).

Bei der Besprechung der Besitzungen wird klar, dass zahlreiche Templerhäuser eher Klöstern glichen und vor allem Überschüsse für die Kämpfe in den Grenzzonen erwirtschaften sollten (S. 57). In Bezug auf den wissenschaftlichen Forschungsstand werden insbesondere die Arbeiten von Denys Pringle für den Nahen Osten und von Alan J. Forey, Maria Jorge Barroca und Nuno Villamariz Oliveira für die Iberische Halbinsel inklusive Portugal hervorgehoben.3 Ausgehend vom Tempelberg in Jerusalem, dem Ursprungsort des Ordens, werden detailliert die Templerburgen im Nahen Osten beschrieben. Die ersten Templerburgen lagen im Amanusgebirge und besonders die 1216 wiederaufgebaute Burg Gaston/Bağras über dem Orontestal macht einen unerwartet intakten Eindruck. Demgegenüber ist von der Templerburg in Gaza fast nichts überliefert. Die ehemals in der Grafschaft Tripolis gelegenen Burgen Chastel Blanc/Sāfithā, Arima/al-Arīmah und besonders Tortosa/Tartous werden ausführlich mit Text und Bild dokumentiert, doch konnten die neuen Forschungen zu Tortosa von Mathias Piana leider nicht mehr berücksichtigt werden.4 Templerburgen wie Latrun/Toron des Chevaliers, Casal de Plains/Yazur, Castel Amald/Yalu, Ma’ale Adumim/Maldoim oder Le Destroit/Khirbet Dustray, dienten immer wieder zur Sicherung der Verbindungsstraßen von Jaffa nach Jerusalem, von Jerusalem nach Jericho, am Loch von Homs oder der Nord-Süd-Tangente in Outre-Jourdain. Ausführliche Informationen bietet der Band über ’Athlit/Chastel Pèlerin, die wahrscheinlich stärkste Templerniederlassung im Heiligen Land (S. 84) – sie wurde nie erobert, sondern 1291 verlassen. Die Reste der Templerburg in Akkon wurden durch Steinraub und steigenden Meeresspiegel beseitigt und auch von den großen Burgen in Safed/Saphet oder Beaufort/Qala’at Sheqif Arnoun sind nur mehr Spuren zu erahnen. Hervorzuheben ist ein erstmals mit deutschen Bezeichnungen publizierter Grundriss der Anlage Vadum Jacob/Le Chastellet (S. 97), die seit den 1990er-Jahren archäologisch untersucht wird. Sie wurde zwar nie fertig gestellt, ist historiographisch aber gut fassbar und steht zudem genau auf einer aktiven Erdbebenspalte.

Die Beschreibung der Templerburgen in Aragón und Katalonien beginnt mit den eindrucksvollen Anlagen in Montsó/Monzón, Gardeny und Miravet. Die Reihe der Burgen in Portugal setzte mit Tomar (S. 120) ein und gibt dann ausführliche Beschreibungen zu Almourol, aber auch zu Pombal, Soure, Castel Branco und dem „Höhepunkt unter den portugiesischen Templerburgen“ (S. 130) Monsanto. Auch die Burgen in Kastilien werden beschrieben wie das eindrucksvolle Ponferrada oder Montalbán. Nur sehr kurz bleibt dagegen der Überblick über die Niederlassungen der Templer im übrigen Europa (S. 141–149).

Wünschenswert wäre in der Karte, die die Kreuzfahrerstaaten in ihrer größten Ausdehnung zeigt (S. 18), eine Markierung aller im Text besprochenen Templerburgen gewesen. Zudem hätte man sich bei einigen Textstellen Anmerkungen in Form von Endnoten gewünscht, was aber vermutlich vom Verlag nicht vorgesehen war. Auch wären bei den immer wieder eingestreuten Quellenberichten im Literaturverzeichnis Hinweise auf die Editionen nützlich gewesen.

Fazit: Ein sehr gut zu lesender, fast kurzweiliger Überblick, der den vielen Klischees über die Templer und ihre Besitzungen die Realität der baugeschichtlichen Überlieferung gegenübergestellt. Die zahlenmäßig klar unterlegenen Spezialisten der Kriegsführung übernahmen alle Neuentwicklungen im Burgenbau schnell in ihre Befestigungen – „abhängig von den Mitteln der Bauherrn, aber kaum von Idealvorstellungen ästhetischer Art“ (S. 157). Insgesamt hilft die Darstellung von Thomas Biller in einem Forschungsbereich, der jahrhundertelang von Phantasien geprägt wurde, das tatsächlich sehr geringe Wissen über die Realitäten des 12. und 13. Jahrhunderts anhand der baulichen Überlieferung zu erhellen. Die in hervorhebenswerter Qualität gedruckten Farbfotos und Pläne helfen auch dem Nichtspezialisten einen Eindruck von den Resten der Templerburgen zu erhalten und sich den historischen Fakten aufgrund belastbarer Forschung zu nähern.

Anmerkungen:
1 Malcolm Barber, The New Knighthood. A history of the Order of the Temple, Cambridge 1994.
2 Gerd Althoff, „Selig sind, die Verfolgung ausüben“. Päpste und Gewalt im Hochmittelalter, Darmstadt 2013.
3 Denys Pringle, The Churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem, 4 Bde., Cambridge 1993–2009; Ders., Secular Buildings in the Crusader Kingdom of Jerusalem. An Archeological Gazetter, Cambridge 1997; Allan J. Forey, The Templars in the Corona de Aragón, London 1973 (online: <http://libro.uca.edu/forey/templars.htm> [14.01.2015]); Nuno Villamariz Oliveira, Castelos Templários em Portugal (1120–1314), Lissabon 2010; Mario Jorge Barroca, A Ordem do Templo e a Arquitectura militar Portugesa do Seculo XII, in: Portugalia, N.S., Bde. XVII–XVIII, 1996/97, S. 171–209; Mario Jorge Barroca, Os castelos das Ordens Militares em Portugal (séc.s XII a XIV), in: Mil anos de fortificações na Península Ibérica e no Magreb (500–1500), Lissabon 2001, S. 535–548.
4 Mathias Piana, A Bulwark Never Conquered. The Fortifications of the Templar Citadel of Tortosa on the Syrian Coast, in: Mathias Piana / Christer Carlsson (Hrsg.), Archaeology and Architecture of the Military Orders. New Studies, Farnham 2014, S. 133–174. Vgl. hierzu die Rezension von Thomas Wozniak, in: H-Soz-u-Kult, <http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22728> (14.01.2015).