Die im Jahr 2012 bei Eckhart Hellmuth am Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität München abgeschlossene Dissertation widmet sich den Begräbnissen preußischer Herrscher im späten 17. und im 18. Jahrhundert als herausragenden zeremoniellen Ereignissen in ihren komplexen weltlichen und religiösen Dimensionen und nimmt sich damit eines Forschungsdesiderates an. Mit Blick auf die Konjunktur, die das Forschungsfeld der adeligen Funeralkultur in den letzten Jahrzehnten erfahren hat, erscheint es beinahe überraschend, dass eine Fallstudie hierzu bislang noch ausstand.1 Denn gerade der ausgewählte Untersuchungszeitraum und Personenkreis lassen Umbrüche in der Gestaltung der Begräbnisfeiern erwarten.
Basierend auf einer gründlichen Auswertung des Quellenmaterials werden Sterben, Tod und Trauerfeierlichkeiten des Großen Kurfürsten (1688) sowie der Könige Friedrich I. (1713), Friedrich Wilhelm I. (1740), Friedrich II. (1786) und Friedrich Wilhelm II. (1797) behandelt und auf die jeweiligen Inszenierungsstrategien und Aussageabsichten im Kontext von Todesvorstellungen, Zeremonialwesen und Herrschaftsverständnis hin befragt. In vergleichender Perspektive arbeitet Linda Brüggemann Kontinuitäten sowie Besonderheiten im Sterbe- und Begräbniszeremoniell der einzelnen Potentaten heraus und erklärt diese aus den sich während des Untersuchungszeitraums zum Teil deutlich wandelnden politischen, zeremoniellen und mentalitätsgeschichtlichen Rahmenbedingungen. Genannt seien an dieser Stelle exemplarisch die Standeserhöhung 1701 und die folgende Instrumentalisierung des Herrscherbegräbnisses als Krönungssubstitut und Inauguration des Nachfolgers, die sukzessive Abkehr der europäischen Hoföffentlichkeit vom höchst aufwendigen barocken Zeremoniell oder die im Zuge der Aufklärung aufkommenden Zweifel an christlichen Jenseits- und Unsterblichkeitsvorstellungen. Neben diesem offiziellen Anforderungshorizont werden auch etwaige testamentarisch verfügte, individuelle Wünsche des Verstorbenen sowie der Grad ihrer Umsetzung durch den jeweiligen Nachfolger in den Blick genommen. Als besonders prominentes Beispiel sei hierfür auf den letzten Willen Friedrichs II. verwiesen, in einem stillen Begräbnis unter der Terrasse des Schlosses Sanssouci beigesetzt zu werden, welchem bekanntermaßen jedoch nicht entsprochen wurde.
An eine Einleitung (S. 1–33) inklusive gründlicher theoretischer Verortung der Untersuchung zwischen Mentalitätsgeschichte, Hof-, Zeremonial- und Ritualforschung sowie eine kurze Einführung zu „Todesverständnis und höfischem Zeremoniell in der Frühen Neuzeit“ (S. 35–51) schließen sich fünf Hauptkapitel an, in denen die in Rede stehenden Herrscher chronologisch bearbeitet werden. Die Binnengliederung dieser Kapitel folgt jeweils dem Verlauf der Geschehnisse von den Sterbevorbereitungen und dem Ableben über die unter anderem zur Aufbahrung genutzte Zeitspanne zwischen Tod und Begräbnis bis hin zu den eigentlichen Begräbnisfeierlichkeiten mit ihren unterschiedlichen Elementen. Zwischen die Kapitel zu Friedrich I. (1713) und Friedrich Wilhelm I. (1740) ist zudem ein Exkurs zum „Wandel der Todesvorstellungen unter dem Einfluss der Aufklärung“ eingeschoben (S. 181–197), in welchem sowohl Distanzierungstendenzen gegenüber traditionellen christlichen Todes- und Jenseitsvorstellungen als auch medizinisch-naturwissenschaftliche Aspekte (zum Beispiel Furcht vor Scheintod, Verlegung von Friedhöfen aus hygienischen Gründen) thematisiert werden. Ein die Ergebnisse zusammenfassendes Resümee (S. 373–382) schließt die Untersuchung ab.
Anhand der gründlich recherchierten Einzelstudien wird der während des Untersuchungszeitraumes stattfindende Prozess einer schrittweisen Privatisierung und Entsakralisierung von Tod und Begräbnis deutlich sichtbar, der nach und nach zu einer „Erosion“ (S. 375) des herrscherlichen Sterbe- und Begräbniszeremoniells führte. Während bei Kurfürst Friedrich Wilhelm I. 1688 und König Friedrich I. 1713 noch eine öffentliche Idealisierung des christlich-frommen Sterbens zur Darstellung herrscherlicher Sakralität im Zentrum stand, wird mit dem Tod des ‚Soldatenkönigs‘ Friedrich Wilhelm I. 1740 ein Wandel hin zu einer zwar noch eindeutig christlichen, aber deutlich bescheideneren Inszenierung des verstorbenen Herrschers erkennbar. Per Testament verfügte er seine Beisetzung in Form eines stillen Begräbnisses und schlug damit einen Weg ein, den auch seine Nachfolger beschreiten sollten. Die ohne Leichnam stattfindenden offiziellen Trauerfeierlichkeiten trugen ein militärisches Gepräge bei reduzierter christlicher Symbolik. Vor dem Hintergrund dieses Prozesses erscheinen auch die in der Forschung durchaus prominenten Bestattungswünsche Friedrichs des Großen, sich gänzlich ohne christliche Zeremonien und herrscherlichen Prunk an profanem Ort bestatten zu lassen, in einem klareren Licht.2 Das Nichtbefolgen dieser individuellen Bestimmungen Friedrichs durch dessen Nachfolger führt die Verfasserin überzeugend auf ein „traditionelles Beharrungsvermögen“ (S. 323) zurück.
Unterstützt wurde dieser Erosionsprozess, wie Brüggemann zeigt, durch den europaweiten Wandel des höfischen Zeremoniells während des 18. Jahrhunderts: Verschwendungsvorwürfe etwa seitens der Kameralwissenschaft führten zu einer Reduzierung des zeremoniellen Aufwandes, was in Preußen ab dem Begräbnis Friedrich Wilhelms I. 1740 erkennbar wird. Dienten die Prunkbegräbnisse des Großen Kurfürsten 1688 und König Friedrichs I. 1713 der dynastischen und staatlichen Repräsentation und Statussicherung, besonders auch gegenüber der europäischen Hoföffentlichkeit, schlug sich in den Leichenbegängnissen ab 1740 ein mit der Aufklärung gewandeltes Staats- und Herrschaftsverständnis nieder. Inhaltlich fand eine Verschiebung von der Inszenierung des Gottesgnadentums hin zu einer Darstellung des Herrschers als auf das Allgemeinwohl zielenden ersten Dieners des Staates statt. Vor allem die offiziellen Feierlichkeiten anlässlich des Todes Friedrichs des Großen 1786 richteten sich in diesem Sinne in identitätsstiftender Absicht an die Untertanen, die an den preußischen Staat gebunden werden sollten. Hier zeige sich, so die Autorin, ein grundlegender „Transformations- oder Ablösungsprozess religiöser Identitätskonstruktionen, der an die Stelle der Bezugsgrößen Gott bzw. Gottesgnadentum den Staat setzte“ (S. 378). Aus der Adressierung des herrscherlichen Begräbnisses an die Untertanen anstatt an die europäische Hoföffentlichkeit resultierte zudem ein Wandel der Inszenierungsmedien, der sich unter anderem im Verzicht auf die Feierlichkeiten dokumentierende und stilisierende Prachtfolianten oder der Errichtung von Zuschauertribünen entlang des Prozessionsweges zeigte.
Insgesamt gelingt es der Verfasserin, ein schlüssiges Gesamtbild herrscherlicher Funeralkultur in Brandenburg-Preußen im späten 17. und 18. Jahrhundert zu zeichnen, das besonders durch die zugrunde gelegten Archivalien viel neues Material enthält. Die Untersuchung bildet nicht nur einen einschlägigen Beitrag zur Repräsentationskultur der Hohenzollern, sondern liefert darüber hinaus auch wichtige Grundlagen für weitergehende Vergleiche zwischen den Bestattungskulturen verschiedener Höfe im Heiligen Römischen Reich sowie innerhalb des europäischen Raumes. Kritisch anzumerken ist, dass der mit der chronologischen Aneinanderreihung von Einzelstudien gewählte Darstellungsmodus eine gewisse Langatmigkeit mit sich bringt. Systematische Vergleiche der Herrscherbegräbnisse untereinander hätten stärkeres Gewicht erhalten können, um die Wandlungsprozesse in ihren vielfältigen Kontexten pointierter darzustellen. In methodischer Hinsicht erscheint es fraglich, wie gewinnbringend die Anwendung von Arnold van Genneps Modell der Übergangsriten auf verschiedene Handlungskomplexe um das Begräbnis eigentlich ist. Die Autorin führt dieses ethnologische Konzept im ersten Hauptkapitel zum Tod des Großen Kurfürsten exemplarisch ein, indem sie Sterben und Tod als Trennungs-, die Prozession als Umwandlungs- und Gottesdienst, Leichenpredigt sowie Beisetzung als Aneignungsphase charakterisiert. Im Verlauf der Untersuchung wird jedoch nur selten zur Erklärung bestimmter Sachverhalte auf dieses Schema zurückgegriffen.
Anmerkungen:
1 Als konzeptionell vergleichbar angelegte Untersuchungen seien zum Beispiel genannt Cornell Babendererde, Sterben, Tod, Begräbnis und liturgisches Gedächtnis bei weltlichen Reichsfürsten des Spätmittelalters, Ostfildern 2006; Helga Czerny, Der Tod der bayerischen Herzöge im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit 1347–1579. Vorbereitungen – Sterben – Trauerfeierlichkeiten – Grablegen – Memoria, München 2005; Magdalena Hawlik van de Water, Der schöne Tod. Zeremonialstrukturen des Wiener Hofes bei Tod und Begräbnis zwischen 1640 und 1740, Wien 1989.
2 Dazu zuletzt Annette Dorgerloh, Strategien des Überdauerns. Das Grab und Erinnerungsmal im frühen deutschen Landschaftsgarten, Düsseldorf 2012, bes. S. 161–168.