Cover
Titel
Der Limes. Auf den Spuren der Römer


Autor(en)
Reuter, Marcus; Thiel, Andreas
Erschienen
Darmstadt 2015: Theiss Verlag
Anzahl Seiten
224 S.
Preis
€ 49,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Arne Döpke, Alte Geschichte, Universität Trier

Das von Marcus Reuter und Andreas Thiel stammende Buch „Der Limes. Auf den Spuren der Römer“ ist im Konrad Theiss Verlag erschienen und behandelt in fünf Großkapiteln die Genese der römischen Grenzen in den germanischen Provinzen und entlang Raetiens von ihren Ursprüngen zu Beginn unserer Zeitrechnung bis zum Zerfall in der Spätantike.

Mit den beiden Autoren widmen sich zwei ausgewiesene Experten einem Themenfeld, welches trotz der langen Forschungstradition und den bereits zahlreich erschienenen Detail- und Gesamtstudien nicht an Faszination eingebüßt hat und sich mehr denn je – auch durch größtenteils hochwertige touristische Erschließung – geschichtlich Interessierten in mannigfaltiger Form präsentiert.

Optisch ansprechend gestaltet mit zahlreicher aktueller und zumeist sehr hochwertiger Bebilderung möchte das Buch die vielen „unterschiedlichen Limesanlagen in einer Gesamtschau zeigen und mit den aktuellen Ergebnissen der archäologischen Forschung verbinden.“ (S. 7) Entsprechend gliedert es sich in schlüssiger Reihenfolge auf und behandelt die Entwicklung hin zur mitunter stark gesicherten Festungslinie (Kapitel 1), widmet dann den drei Teilabschnitten des Limes in angemessener Tiefe den Hauptteil des Buches (Kapitel 2–4) und beschließt die Abhandlung mit der zwangsläufig angepassten römischen Verteidigungsdoktrin im 4. nachchristlichen Jahrhundert (Kapitel 5).
Ausgehend von frühen Expansionsbestrebungen während des 1. Jahrhunderts n.Chr. zeichnen Reuter und Thiel im Kapitel „Der lange Weg zum Limes – Entwicklung der römischen Grenzanlagen“ (S. 9–41) in gebotener Kürze die politischen und militärischen Veränderungen nach, die zur Sicherung der Flussgrenzen in Niedergermanien und an der Donau führten. Parallel skizzieren sie die Vorverlegung der Grenzanlagen unter den Flaviern am Oberrhein sowie die Ausbaustufen unter Traian oder Hadrian, bevor sich dann nach dem 3. Jahrhundert ein strategischer Wandel in der Grenzverteidigung andeutet.

Im zweiten Kapitel (S. 43–77) widmen sich die Autoren nun dem nördlichsten Grenzabschnitt von Remagen bis nach Katwijk-Brittenburg an der Rheinmündung. Trotz der starken Truppenreduktion vom 1. bis zum Anfang des 2. Jahrhunderts, in der sich der Schwerpunkt römischer Militäraktionen in den Süden nach Raetien verschob, blieb der Rhein als Grenzfluss zwischen Imperium und Barbaricum nahezu 400 Jahre lang bestehen. Auch die kurze Zeit der Abspaltung des sogenannten Gallischen Sonderreiches aus dem imperialen Machtbereich zog keine grundsätzliche Schwächung der Grenze nach sich. Ungünstige geographische Erhaltungsbedingungen sind für eine schmale archäologische Basis verantwortlich, wodurch die Rekonstruktion der Wehranlagen erschwert wird oder zum Teil unmöglich gemacht wurde. In kurzer Abhandlung wird eine Auswahl der bekannten römischen Truppenstützpunkte im heute niederländischen Bereich des Limes beleuchtet. Dabei streuen Reuter und Thiel Befundsituationen von Militaria, Ziegelstempeln oder Baustrukturen ein und zeichnen den wissenschaftlichen Erkenntnisweg nach. Wie im Fall des Lagers Traiectum liefern sie auf inschriftlicher Basis belegte Truppenkontingente und zeigen in ihrer Darstellung die stark lückenhafte Überlieferungssituation von Standorten bezüglich der stationierten Soldaten bzw. deren Verlegungen im Lauf der Zeit auf.

Abgerundet wird dieses Kapitel mit vier detaillierten Einzelbetrachtungen der Militärager Bonna, Köln-Altenburg, Novaesium und Vetera. Das südlichste dieser Lager, Bonna, wurde trotz wiederholter Zerstörungen (etwa im Zuge des Bataveraufstandes 69/70 n.Chr.) als mächtiger Truppenstandort bis zum endgültigen Abzug römischer Truppen um 400 n.Chr. immer wieder auf- und umgebaut. Der relativ geringen tiefgehenden Bebauung wegen sind nach wie vor erhebliche Befunde erwartbar, wie auf der Grundrisskarte (S. 61) mit römischen und überblendeten modernen Baustrukturen verdeutlicht wird.

Der Hauptstützpunkt der römischen Rheinflotte in Köln-Altenburg wird im zweiten Abschnitt betrachtet. Reuter und Thiel weisen prägnant auf das Lagerleben und die Rolle der Flottensoldaten sowohl als Besatzung für Patrouillenschiffe als auch außerhalb von regulären Einsätzen in der römischen Heereslogistik hin. Auch hier lässt sich eine flächendeckende Zweitverwendung von Baumaterialien nach dem Zusammenbruch des Gallischen Sonderreiches feststellen, obschon die Gründe für die endgültige Aufgabe des Standortes noch ungeklärt sind.

Die archäologische Forschung hat für den Truppenstandort Novaesium/Neuss zahlreiche Militärlager belegen können. Eine wechselvolle Geschichte, durchsetzt mit Truppenverschiebungen und zweifelhaftem Verhalten in Krisenzuständen (eine Hilfstruppe ergab sich laut Aussage des römischen Geschichtsschreibers Tacitus kampflos den vorrückenden aufständischen Batavern) ist die Ursache für den Umstand, dass immer wieder neue Standorte fortifikatorisch ausgebaut wurden. Ein besonderes Beispiel stellt das sogenannte Koenenlager dar, dessen Namensgeber bereits am Ende des 19. Jahrhunderts die Garnison der legio VI victrix erforscht hatte.

Das erste der römischen Legionslager nahe Xanten, der Stützpunkt Vetera, wurde zunächst als einer der entscheidenden Truppenstandorte für die Eroberung Germaniens um 13/12 v.Chr. gegenüber der Lippemündung auf linksrheinischem Gebiet errichtet. Nachdem die Besatzung durch einen massiven Truppenabzug unter Vitellius im Jahr 69 n.Chr. erheblich geschwächt worden war, wurde das vormals gewaltige Lager im Zuge des Bataveraufstandes vollständig zerstört. Das Lager Vetera II wurde im Nachgang an anderer Stelle neu errichtet und blieb bis zum Ende des 4. Jahrhunderts unter römischer Herrschaft.

Das dritte Kapitel (S. 79–121) behandelt den Grenzverlauf „vom Rhein zur Rems“. Hier zeigen die Autoren einmal mehr auf, mit welchen Fragen sich die Archäologie hinsichtlich der Limesforschung auseinander setzt: Warum genau wurde am Caput Limitis der erste Wachturm jenseits des natürlichen Flussverlaufes errichtet? Welche strategischen Gründe sprechen für bzw. gegen die Positionierung und welche militärischen Vorteile bietet dieser Platz? Auch methodische Ansätze zur Altersbestimmung finden Beachtung, sind sie doch der Grund dafür, dass sich unter der Herrschaft Domitians am Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. bereits erste hölzerne Palisadenanlagen im Taunus nachweisen lassen, bevor Mitte des 2. Jahrhunderts n.Chr. durchgehende Sperranlagen errichtet wurden.

Besonders hervorzuheben ist neben der insgesamt sehr ansprechenden fotographischen Ausgestaltung des Buches in diesem Kapitel die erste einer Reihe von sehr hochwertigen digitalen Visualisierungen (S. 81), die durch erstaunlichen Detailreichtum besticht – obgleich die Mastposition des Prahms eher im vorderen Schiffsdrittel zu verorten sein sollte. Besondere Aufmerksamkeit erhält die bereits Anfang des 20. Jahrhunderts unter der Schirmherrschaft Kaiser Wilhelms II. rekonstruierte Saalburg nahe Bad Homburg und dies aus gutem Grund, ist sie doch „das einzige Limeskastell, das so vollständig wieder aufgebaut wurde.“ (S. 94)

Im vierten Kapitel widmen sich Reuter und Thiel dem „Raetische[n] Limes von der Rems bis an den Inn“ (S. 122–171). Sie erläutern darin zunächst Roms Motive für die Vorverlegung der Grenze über die Donau hinaus nach Norden und skizzieren in aller Kürze und ereignisgeschichtlich nach, wie dieses Gebiet in den folgenden rund 90 Jahren trotz germanischer Einfälle unter imperialer Herrschaft bleiben konnte, bevor 254 n.Chr. die Truppen als Reaktion auf feindliche Vorstöße auf das südliche Donauufer zurückverlegt wurden.

Besonderes Augenmerk legen die Autoren auf die Befunde des Reiterlagers Aalen, dessen Besatzung aus 1000 Soldaten bestand und lange Zeit die wichtigste Militäreinheit der raetischen Provinz darstellte. Beeindruckend sind die auf Basis der archäologischen Befunde digital nachempfundene Exerzierhalle sowie der reale Teilnachbau einer Mannschaftsunterkunft. Die Existenz dieses Lagers wird neben der strategischen Bedeutung mit der logistisch vorteilhaften Position inmitten großer und ertragreicher Weidekoppeln für die immerhin 2000 ständig vorgehaltenen Reitpferde plausibel begründet.

Mit Blick auf die sich verändernde großpolitische Lage im Imperium beschreiben die Autoren in gebotener Breite im fünften Kapitel (S. 172–214) den Weg Roms in die krisenhaften Jahrzehnte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts, das nicht nur Einfälle rechtsrheinischer Germanenstämme über die Limesgrenze hinaus bereithielt, sondern auch die Belastungen des Gallischen Sonderreiches und die im Osten erstarkenden Sassaniden. Auch die Bedrohungen entlang der unteren Donau und am Schwarzen Meer durch gotische Einfälle erforderten Truppenverlegungen in die Krisenregionen, die insgesamt eine Schwächung des germanisch-raetischen Limes nach sich zogen.

Abschließend umreißen die Autoren die Geschichte der Limesforschung, beginnend mit den ersten beschreibenden Berichten Johannes Turmairs und Simon Studions bis hin zur wachsenden Verwissenschaftlichung im Umgang mit den antiken Überresten durch August von Cohausen, Ernst Fabricius oder Theodor Mommsen. Auch Personen wie Louis Jacobi als verantwortlichem Baurat bei der Errichtung des Kastells Saalburg unter der Schirmherrschaft Kaiser Wilhelms II. finden Beachtung und so rundet das letzte Großkapitel den Textteil des Buches ab.

Ein hilfreiches Glossar mit wichtigen militärischen, historischen und geographischen Begriffserklärungen erfreut ebenso wie die beiden angeschlossenen Register zu Personen, Truppen und Orten. Ausgewählte Literatur in prägnanter Kürze ermöglicht es dem Leser, sich thematisch breiter zu informieren – hier ist vor allem die Einbindung aktuellster Forschungsergebnisse zu begrüßen.

Insgesamt erfüllt der Band das selbstgesteckte Ziel zur Gänze und bietet einem breiten Publikum fundiert interessante, zahlreich und hochwertig bebilderte Einblicke in das faszinierende Grenzsystem im Norden des römischen Imperiums.

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