R. Evans (Hrsg.): Mass and Elite in the Greek and Roman Worlds

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Titel
Mass and Elite in the Greek and Roman Worlds. From Sparta to Late Antiquity


Herausgeber
Evans, Richard
Erschienen
Oxford 2017: Routledge
Anzahl Seiten
XII, 215 S.
Preis
£ 115.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Timo Klär, Institut für Alte Geschichte, Universität des Saarlandes Saarbrücken

Der hier zu besprechende Sammelband „Mass and Elite in the Greek and Roman Worlds. From Sparta to Late Antiquity“ geht auf Beiträge des Fourteenth Classics Colloquium vom 24. bis 26. Oktober 2013 an der University of South Africa in Pretoria zurück. Anlass der Zusammenkunft war das bahnbrechende Werk „Mass and Elite in Democratic Athens“1, das Josiah Ober im Jahre 1989 veröffentlicht hatte. Dieser hatte den Aushandlungsprozess im demokratischen Athen der klassischen Zeit zwischen der Elite und der Masse der Bevölkerung folgendermaßen definiert: „Rhetorical communication between masses and elite […] was a primary means by which the strategic ends of social stability and political order were achieved“ (S. 338). Ausgehend von diesen Überlegungen, vereint der Sammelband neue Perspektiven zu dem Problem der Interaktion zwischen Masse und Elite in der Antike, indem einerseits der zu betrachtende geographische Raum und andererseits der chronologische Rahmen erweitert wurden. Die Rezension folgt allerdings nicht der Reihenfolge der Beiträge im Inhaltsverzeichnis, sondern fasst thematische Schwerpunkte zusammen.

Nur folgerichtig beginnt der Band mit den Überlegungen „Mass and elite revisited“ (S. 1–10) von Josiah Ober, der als key-note speaker nochmals seine Überlegungen zum demokratischen Athen aus den 1980er-Jahren präsentiert, bevor er einige grundlegende Überlegungen zur Dualität zwischen Masse und Elite anstellt, denen sich die Beiträge der Tagung und der hier zu besprechende Band in der Folge genauer widmen. Eine dieser Annahmen („[…] the citizen masses had the capacity and the tendency to act [e. g. in response to elite rhetoric in assembly or law court] as a reasonably coherent and consistent ‘collective agent’” [S. 5]) war insofern bahnbrechend, da sie zu einer völlig neuen Auffassung der nichtelitären Bevölkerungsschichten in Athen führte. Denn deren Rolle im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Raum Athens wurde nun anerkannt, was zu einem Umdenken in der Forschungslandschaft führte, weil die Elite nun nicht mehr alleine für das Kräftegleichgewicht verantwortlich war. Dieses neue Verständnis führte dazu, dass die Forschung eine funktionierende staatliche Ordnung nur noch dann gegeben sah, wenn die Masse der Bevölkerung am politischen Entscheidungsprozess beteiligt wurde. Die Beteiligung der Massen konnte natürlich je nach der vorherrschenden Staatsform durchaus in der Intensität variieren.

In seinem Beitrag „Coinage and democracy: economic redistribution as the basis of democratic Athens” (S. 11–20) sieht Matthew Trundle die Umverteilung ökonomischer Ressourcen als den eigentlichen Motor des gesellschaftlichen Zusammenhaltes an. Zugang zu ökonomischen Ressourcen hatte zuvor nur die Elite, doch im Laufe des späten 5. Jahrhunderts v.Chr. änderte sich dies etwa mit der Einführung des misthós für diejenigen, die eine öffentliche Funktion innerhalb Athens einnahmen, wie insgesamt, so argumentiert Trundle, erst die Münzzirkulation Athen überhaupt zu einer Demokratie werden ließ.

Es folgt eine eingehende Analyse der Rede des Spartaners Brasidas bei Thukydides (Thuk. 4, 126, 5) von Luca Sansone di Campobianco (S. 21–33). Er kann zeigen, dass in Sparta die kulturelle Identität mit militärischer Disziplin in Zusammenhang stand und so der gesellschaftliche Zusammenhalt propagiert werden konnte. Und auch Richard Evans analysiert in seinem close reading einer Episode aus Livius‘ 24. Buch, in der die Situation des Falls der Dynastie des Hieronymus in Syrakus 214 v.Chr. anhand der libertas, der multitudo und der uxores präsentiert wird (S. 49–62), wie Livius durch die benutzte Terminologie Ereignisse einer längst vergangenen Zeit seiner Leserschaft präsentierten konnte, um die Interaktion zwischen Masse und Elite in der römischen Zeit verständlich zu machen. Suzanne Sharland widmet sich der elitären Kommunikation in augusteischer Zeit mit ihrem Beitrag „Populating Satire 1.6: mass and elite in the poetry of Horace“ (S. 82–99). Sie zeigt, wie Horaz in seinen Satiren die Elite präsentiert, die sich durch Macht, Reichtum, Einfluss sowie Status definiert und sich so von der Masse der Bevölkerung abhebt. John Hilton schließlich untersucht in „The cost of leadership: the relationship between crowds and power in the Misopogon of the emperor Julian and the Aethiopica of Heliodorus” (S. 137–148) die Kommunikation zwischen Herrscher und Beherrschten. Es zeigt sich hier, dass trotz unterschiedlicher Literaturgattungen durchaus ähnliche Dynamiken der Herrschaftsausübung zu fassen sind.

Philip Bosman, „Ancient Cynicism: for the elite or for the masses” (S. 34–48), und Nicholas Baker-Brian, “Mass and elite in late antique religion: the case of Manichaeism” (S. 165–184), widmen sich zwei Sonderformen der Elite-Masse-Interaktion. Bosman sieht die philosophische Richtung der Kyniker entgegen der landläufigen Meinung nicht als Massenbewegung an, sondern interpretiert sie als soziale Randgruppe, die ihre Anziehungskraft durch ihre Einbettung in die griechischen philosophischen Traditionen entwickeln konnte. Baker-Brian widmet sich in seinem Beitrag der inneren Struktur der Manichäer, die in eine elitäre Gruppierung der electi und in die einfachen Gemeindemitglieder, die auditores, aufgeteilt werden können. Er kann zeigen, dass die Zusammenarbeit beider Gruppierungen innerhalb der religiösen Bewegung des Manichäismus auf gegenseitigem Respekt beruhte.

Mehrere Beiträge liefern den theoretischen Hintergrund der Auseinandersetzung mit der Interaktion zwischen der einfachen Bevölkerung und der Elite. Loonis Looghe präsentiert in seinem Artikel „Plebeian agency in the later Roman Republic“ (S. 63–81) zunächst die beiden vorherrschenden Forschungsrichtungen der Auseinandersetzung mit der republikanischen Politik, nämlich die Verfechter einer eher demokratischen Richtung, etwa vertreten durch Fergus Millar und Robert Morstein-Marx2, und einer eher oligarchischen Richtung, vertreten durch Martin Jehne, Karl-Joachim Hölkeskamp und Egon Flaig.3 Von der demokratischen Richtung her argumentierend, identifiziert Looghe die Plebejer als politisch interessiert, die auch am politischen Diskurs teilnahmen, indem sie ihre eigenen Kanäle nutzten, um mit der Elite in Kontakt zu treten. Erinnert sei etwa an das Volkstribunat. Lisa Marie Mignone wendet in ihrem Aufsatz „Living in Republican Rome: ‚shanty metropolis‘ (S. 100–117) das Konzept des spatial-turn auf die politische und geographische Bühne Roms in der Republik an, indem sie die Wohnsituation auf dem Palatin, der zunächst vornehmlich der gesellschaftlichen Elite vorbehalten war, analysiert. Sie kann zeigen, dass die Eliten mit der Zeit immer mehr in die Wohngegenden der einfachen Bevölkerung umzogen, wodurch eine Vermischung der gesellschaftlichen Klassen möglich wurde, die von dem privaten Raum in den öffentlichen politischen Raum überging. Clifford Ando entwickelt diesen Ansatz in „City, village, sacrifice: the political economy of religion in the early Roman Empire” (S. 18–136) weiter, indem er dem politischen Raum der Stadt das Umland entgegenstellt und herausstellen kann, dass in einzelnen Dörfern bzw. dem Umland von Städten, wie etwa in Oenoanda, ein stärkeres Gleichgewicht zwischen Elite und Masse der Bevölkerung vorherrschen konnte, das sogar so weit ging, dass Dörfer mit den Städten konkurrierten. Dem Problem der sozialen Mobilität geht Hartmut Ziche in „From mass to elite in the later Roman Empire: framing the problem of mass to elite social mobility” (S. 149–164) nach. Ziche argumentiert, dass die Welt der Spätantike sozial viel durchlässiger war, als gemeinhin angenommen wird, was er mit einem Ansteigen der elitären Bevölkerungsschicht im 5. Jahrhundert n.Chr. erklärt. Dies ist durchaus nicht neu, innovativ ist allerdings, dass Ziche sozioökonomische Faktoren für diesen Wandel identifiziert.

Insgesamt ist Richard Evans zu seinem Tagungsband zu gratulieren. Gewünscht hätte man sich vielleicht eine etwas einheitlichere Zusammenstellung der einzelnen Beiträge, denn eine thematische Gliederung sucht man vergebens, wodurch die Beiträge etwas durcheinandergehen. Doch indem der Fokus von Athen auf andere Städte, wie etwa Syrakus, Pompeji, Rom und die kleinasiatischen Städte gerichtet wird und dazu der literarische und philosophische Diskurs Eingang in die Diskussionen um die Kommunikation zwischen Masse und Elite findet, ergibt sich ein interessanter und gelungener Forschungsbeitrag, der die Beschäftigung mit diesem Themengebiet bereichert.

Anmerkungen:
1 Josiah Ober, Mass and Elite in Democratic Athens. Rhetoric, Ideology, and the Power of the People, Princeton 1989.
2 Fergus Millar, The Crowd in Rome in the Late Republic, Ann Arbor 1998; Robert Morstein-Marx, Mass Oratory and Political Power in the Late Roman Republic, Cambridge 2004.
3 Siehe z.B.: Martin Jehne (Hrsg.), Demokratie in Rom? Die Rolle des Volkes in der Politik der römischen Republik, Stuttgart 1995.

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