Cover
Titel
Cnut the Great.


Autor(en)
Bolton, Timothy
Reihe
English Monarchs
Erschienen
Anzahl Seiten
XVI, 244 S.
Preis
$ 40.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dominik Waßenhoven, Historisches Institut, Universität zu Köln

Timothy Bolton legt mit diesem Buch eine umfassende und detaillierte biographische Abhandlung über Knut den Großen, den König von England (1017–1035), Dänemark (1019–1035) und Norwegen (1028–1035) vor. Er schöpft dabei aus einer langen Beschäftigung mit dem Herrscher, die sich bereits in einer früheren Veröffentlichung niedergeschlagen hat.1 Anders als in seiner ersten Studie, in der er vor allem Fragen der Herrschaftssicherung und -organisation in den Fokus rückte, geht es Bolton in seinem neuen Buch für die Reihe „Yale English Monarchs“ um eine Gesamtdarstellung des Königs, die sowohl die englische als auch die skandinavische Herrschaft Knuts gleichermaßen in den Blick nimmt.

In seiner Einleitung (S. 1–27) stellt Bolton die bisherige Forschung sowie die heterogene Quellenlage ausführlich vor. Er ordnet seine Darstellung im Wesentlichen chronologisch, wobei er drei Phasen unterscheidet: Knuts Jugendzeit einschließlich der Eroberung Englands, die Konsolidierung und Ausweitung seiner Herrschaft auf Dänemark und Norwegen (1016–1028) sowie eine „reife“ Phase (Bolton spricht von „his mature life“, S. 210). Diese Einteilung wirkt sich aber nicht auf die Gliederung des Buchs aus, die stattdessen sieben etwa gleich lange Kapitel aufweist, beginnend mit Knuts Kindheit und Jugend (S. 28–52). Die beiden folgenden Kapitel (S. 53–128) nehmen England in den Blick: Zunächst werden die Eroberungen durch Knuts Vater, Sven Gabelbart, im Jahr 1013 sowie durch Knut selbst (1016) geschildert, anschließend geht es um die ersten Jahre seiner Herrschaft bis etwa 1023. Das vierte Kapitel (S. 129–157) wendet sich dann den skandinavischen Reichen zu und beschreibt die Dominanz über einen Großteil des skandinavischen Raums, die Knut entfalten konnte. Im folgenden, etwas kürzeren Abschnitt (S. 158–171) behandelt Bolton Knuts europäische Politik, die in seiner Teilnahme an der Kaiserkrönung Konrads II. 1027 in Rom ihren prägnantesten Ausdruck fand. Im sechsten Kapitel (172–195) werden die letzten Jahre von Knuts Herrschaft sowohl in England als auch in Dänemark und Norwegen behandelt, bevor Bolton sich abschließend (S. 196–208) dem Machtkampf um Knuts Nachfolge zuwendet und damit über eine rein biographische Darstellung hinausgeht.

Die Detailfülle, teils Akribie, mit der Bolton einzelnen Punkten nachgeht, etwa der Besiedlung Dorsets durch Knuts weltliche Anhänger (S. 115–120), ist einerseits bemerkenswert und positiv hervorzuheben, stört andererseits aber auch immer wieder den Lesefluss. Insgesamt ist die Darstellung aber flüssig geschrieben und weist nur wenige Fehler auf.2 Ein solcher offensichtlicher Fehler liegt im Zusammenhang mit Knuts Brief an die Engländer aus dem Jahr 1019/20 vor: Einige Anmerkungen in der Handschrift, die den Brief überliefert und die mit Erzbischof Wulfstan von York in Verbindung gebracht wird, seien, so Bolton, möglicherweise von Knut selbst eingetragen worden – tatsächlich sind von der Forschung aber Anmerkungen in Wulfstans Hand festgestellt worden.3 Auffällig ist außerdem Boltons zuweilen sehr positive Einstellung gegenüber Knut. So würde er sich wünschen, dass Knut länger gelebt hätte, um zu sehen, was ein solch tatkräftiger Herrscher noch alles hätte bewirken können.4

An manchen Stellen geht Boltons Buch über eine rein biographische Darstellung hinaus und bietet neue Forschungsthesen. Im Kapitel zu den letzten Herrschaftsjahren heißt es recht unvermittelt, dass Knut erfolgreich eine entstehende Kultur hervorgebracht habe, eine gänzlich neue anglo-skandinavische Identität (S. 173). Bolton verknüpft diese Identität mit der anglo-skandinavischen Ethnizität vieler Gefolgsleute von Knut. Hier werden die Begrifflichkeiten nicht präzise genug verwendet, außerdem werden Ethnie und Identität miteinander in Verbindung gebracht, ohne das zu begründen oder zu reflektieren. Bolton zufolge habe diese von ihm postulierte anglo-skandinavische Identität – beziehungsweise genauer „die Idee von England und Dänemark als verknüpften politischen Einheiten“ (S. 206) – noch fast im gesamten 11. Jahrhundert nachgewirkt. Als Beispiele nennt er hierfür die Ansprüche, die Sven Estridsson (1070 und 1075) sowie Knut der Heilige (1085) durch ihre Eroberungsversuche angemeldet hätten.

Überzeugender ist die Beobachtung, dass Knut in den englischen Quellen als Paradebeispiel eines christlich-frommen angelsächsischen Königs gezeichnet wird, während die skandinavischen Quellen – und hier vor allem die zeitgenössischen Skaldengedichte – in ihm einen „idealen Herrscher der Wikingerzeit“ sehen, dessen Erfolg sich in siegreichen Schlachten offenbart (S. 210f.). Für zu weitgehend hält der Rezensent dagegen die Vermutung, hinter diesen Repräsentationen, die für die unterschiedlichen Gruppen seiner Gefolgsleute bestimmt gewesen seien, stünde Knut selbst („his direct agency may have lain behind these different representations of him“, S. 213).

Eine große Stärke des Buchs liegt aber zweifellos darin, dass Bolton die gesamte Überlieferung berücksichtigt – sowohl von englischer als auch von skandinavischer Seite (sowie die wenigen kontinentalen Quellen) – und gleichermaßen auf Geschichtsschreibung wie Sagas, Urkunden, Münzen und auch Skaldendichtung zurückgreift. Gerade die Skaldendichtung, die nicht immer leicht zu interpretieren ist, wirft ein anderes Licht auf Knut und wird von Bolton gewinnbringend einbezogen. Insgesamt eignet sich die umfassende Studie als Einstiegslektüre zu Knut dem Großen, sollte daneben aber auch von allen herangezogen werden, die sich mit England oder Skandinavien im 11. Jahrhundert befassen, und hält schließlich aufgrund ihrer Detailfülle und Quellengebundenheit auch für Spezialisten genügend Material und Anregungen zur Diskussion bereit.

Anmerkungen:
1 Timothy Bolton, The Empire of Cnut the Great. Conquest and the Consolidation of Power in Northern Europe in the Early Eleventh Century, Leiden 2009; siehe dazu meine Rezension in: H-Soz-Kult, 19.10.2009, www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-13010 (02.01.2019).
2 Auf S. 112 wird für die Ermordung Ælfheahs das Jahr 1009 (statt 1012) angegeben. Außerdem werden in der Bibliographie drei Aufsätze von Else Roesdahl fälschlicherweise Levi Roach zugeschrieben (S. 236f.).
3 S. 108: „[…] perhaps annotated in Cnut’s own hand […]“. In Anm. 49 auf derselben Seite ist dagegen richtigerweise von „Wulfstan’s own hand“ die Rede. In dieser Anm. ist bei einem Querverweis statt einer Seitenzahl der Stellvertreter „&&&“ stehengeblieben.
4 S. 210: „We might wish that the years of his mature life had been longer, if only to see what such an energetic ruler could produce when not pinned down by threats to his authority […]“.

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