L. de Blois: Image and Reality

Title
Image and Reality of Roman Imperial Power in the Third Century AD. The Impact of War


Author(s)
de Blois, Lukas
Series
Routledge Studies in Ancient History
Published
Abington 2019: Routledge
Extent
XVI, 312 S.
Price
£ 115.00; € 125,04
Reviewed for H-Soz-Kult by
Nikolas Hächler, Historisches Seminar, Universität Zürich / Institut d'histoire et civilisation de Byzance, Collège de France

Mit der vorliegenden Publikation bringt Lukas de Blois (B.) seine Studien zum 3. nachchristlichen Jahrhundert, die er mit seinen noch immer grundlegenden Arbeiten zur Herrschaft der Kaiser Gallienus und Philippus Arabs in den 1970er-Jahren begann1, zu einem vorläufigen Abschluss. Sie markiert damit ein wichtiges Ereignis innerhalb der aktuell sehr lebendigen Forschung zur so genannten Reichskrise des 3. Jahrhunderts und wird künftige Diskussionen zur Beurteilung des Zeitalters der Soldatenkaiser mit Sicherheit mit neuen Impulsen versehen.2 Ausgehend von theoretischen Überlegungen des Soziologen Michael Mann untersucht B. dabei die ökonomisch-fiskalischen, politischen, militärischen und ideologischen Fundamente imperialer Herrschaft zwischen 193–284 n.Chr., wobei er dazu literarische und dokumentarische Quellen gleichermassen berücksichtigt.3 Der Studie gehen sechs detaillierte Kartenabbildungen zur Situation des Römischen Reiches im Untersuchungszeitraum voraus.

In seiner Einleitung (Introduction, S. 1–36) bietet B. einen fundierten Überblick über die Geschicke des Römischen Reiches um 200 n.Chr. Gleichzeitig vermittelt er eine lesenswerte Einführung in die kaiserzeitliche Organisation des Imperium Romanum, die insbesondere Studierenden der römischen Geschichte von grossem Nutzen sein wird (S. 1–9). Es folgt eine Einführung in die Theorien und Methoden zur Untersuchung von Macht- und Herrschaftsstrukturen innerhalb sozio-politischer Systeme (9–12) sowie eine pointierte Übersicht über die Quellenlage (S. 12–20). Bei seiner umfassenden Darstellung der aktuellen Forschungslandschaft ist hervorzuheben, dass B. am Begriff der „Reichskrise“ bewusst festhält, um die komplexen und für das Römische Reich vielfach negativen Entwicklungen im Untersuchungszeitraum adäquat zu beschreiben. Versuche der jüngeren Forschung, den strittigen Terminus durch die Bezeichnungen „Transformation“ oder „beschleunigter Wandel“ zu ersetzen, weist er zurück (S. 20–25).

Kapitel 2 (Wars, S. 37–131) behandelt die Geschicke des Imperium Romanum zwischen 193–284 in vier Teilabschnitten. Dabei liegt der Schwerpunkt der detailreichen Darstellung primär auf konventioneller Ereignis- und Personengeschichte. Die Herrschaft der Severer zwischen 193–230 beurteilt B. in Abgrenzung zur teilweise turbulenten Regierung der Antoninen als sehr positiv. Besonders hervorgehoben werden dabei die militärischen Erfolge des Septimius Severus in Mesopotamien, die für das gesamte Reich eine stabilisierende Funktion entfalteten, der Erlass der constitutio Antoniniana im Jahr 212 sowie die Abfassung bedeutender juristischer Grundlagenwerke, die nachfolgenden Epochen als Vorbilder dienen sollten. Zwischen 231–249 beobachtet B. zahlreiche Eskalationen an Kriegsschauplätzen der nördlichen und östlichen Reichsgrenzen. Obschon sich in Reaktion auf diese Herausforderungen bereits erste Anzeichen für Veränderungen des römischen Herrschafts- und Verwaltungssystems abzeichneten, strebten die Kaiser Maximinus Thrax, Gordian III. und Philippus Arabs in den meisten Fällen danach, die von den Severern gefestigten Staatsstrukturen möglichst unverändert zu erhalten. Die Jahre von 249–268 sind dagegen klar durch eine Häufung militärischer Niederlagen an den Reichsgrenzen und innenpolitischer Usurpationsversuche geprägt. Auf diese Herausforderungen suchten die Kaiser Decius, Trebonianus Gallus, Valerian I. und Gallienus zu reagieren. Insbesondere Letzterer lancierte eine Reihe von Massnahmen, welche die Grundlagen für die schrittweise Erholung des Reiches unter Aurelian, Tacitus, Probus, Carus, Carinus, Numerianus und schliesslich Diokletian bildeten. Trotz einiger Gebietsverluste überstand das Römische Reich diese bewegte Phase seiner Geschichte durch schrittweise und letztlich umfassende strukturelle Reformen, wie B. in den nachfolgenden Abschnitten seiner Untersuchung aufzeigt.

Kapitel 3 (Economic sources of imperial power, AD 193–284, S. 132–175) behandelt den in der bisherigen Forschung vergleichsweise selten untersuchten kriegsbedingten Verlust ökonomischer und fiskalischer Grundlagen imperialer Herrschaft sowie die Strategien, durch welche die Kaiser diesen Entwicklungen entgegenzutreten suchten. Damit stellt gerade dieser Abschnitt einen wertvollen Mehrwert der Publikation dar. Es stellt sich heraus, dass sowohl Produktivität als auch Prosperität zahlreicher Reichsgebiete im Laufe des 3. Jahrhunderts einbrachen, was zu einem generellen Rückgang steuerlicher Einkünfte und konsequenterweise einer erhöhten Belastung wirtschaftlich intakter Gebiete führte. Eine Kompensation dieser finanziellen Ausfälle mittels der Einkünfte staatlicher Minen scheint ausgeschlossen; unklar bleibt die Rolle kaiserlicher Domänen. In Ermangelung alternativer Lösungen begannen Kaiser ab der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts zwecks der dringend notwendigen Finanzierung ihrer Armeen mit der Vermehrung von Münzen bei gleichzeitiger Minderung der allgemeinen Münzqualität, was gemäss B. mit ein Grund für Inflationserscheinungen insbesondere unter Kaiser Aurelian war. Bekanntlich wurde die wirtschaftliche Stabilität des Reiches erst mit den umfassenden Reformen Kaiser Diokletians wiederhergestellt.

In Kapitel 4 (Sources of military and political imperial power, S. 176–225) achtet der Verfasser auf strukturelle Transformationen des Heeresdienstes und der Provinzialverwaltung sowie auf damit zusammenhängende Folgen für die sozio-politische Organisation des Imperium Romanum. Um das Wegfallen fiskalischer Ressourcen zur Stabilisierung ihrer eigenen Herrschaft zu kompensieren, suchten die Kaiser vermehrt nach Möglichkeiten, den Kontakt zu den Soldaten zu stärken. Damit die Angehörigen der Armee fortlaufend versorgt und besoldet werden konnten, musste die Provinzialadministration sowie die Verwaltung Italiens so effizient wie möglich organisiert werden, weswegen im Staats- und Heeresdienst erfahrenen, erfolgreichen und dem Kaiser gegenüber loyal eingestellten Rittern immer häufiger anstelle von Senatoren hohe Funktionen im Staatsdienst zugesprochen wurden. Anstelle von paideia und hohem Sozialstatus wurden effektiv erbrachte Leistungen bei der Besetzung hoher Positionen im Staats- und Heeresdienst wichtig. Eine fortschreitende Militarisierung des Staatsapparats zeigt sich B. zufolge ausserdem daran, dass in den Quellen anstelle ritterlicher Juristen zusehends Militärführer aus dem ordo equester im Umfeld des Kaisers greifbar sind.

Abschnitt 5 (Ideological sources of Roman imperial power, S. 226–253) thematisiert den Wandel der Herrschaftsideologie. Durch die Zurschaustellung traditioneller Herrschertugenden suggerierten die Kaiser allen Bewohnern des Reiches Frieden in Zeiten der akuten Not. Dazu inszenierten sie sich als fortwährende Sieger im Angesicht vielzähliger Herausforderungen, um den Anschein zu erwecken, als Auserwählte der Götter dem Reich Stabilität zukommen zu lassen. Hinzu traten in der Regel vergebliche Versuche, eigene Herrschaftsdynastien zu etablieren.

In seiner Zusammenfassung (Conclusions, S. 254–260) präsentiert B. überzeugende Kausalzusammenhänge, um die krisenhafte Situation des Römischen Reiches schlüssig zu erklären. Mannigfache Kriege führten zu wirtschaftlichen und damit fiskalischen Einbrüchen. Um den militärischen Herausforderungen zu begegnen und gleichzeitig ihre eigene Herrschaft zu wahren, waren die Kaiser gezwungen, Armeen zu stärken. Die dafür notwendigen Mittel wurden schrittweise mittels Massnahmen im Bereich der Provinzialadministration und Heeresführung aufgetrieben sowie durch minderwertige Neuprägungen erzeugt. Gleichzeitig wurde die ideologische Stellung der principes als Soldatenkaiser beständig gestärkt.

Abschliessend ist zu konstatieren, dass die vorliegende Veröffentlichung eine klar strukturierte, reichhaltige und inspirierende Studie zur Geschichte des Römischen Reiches zwischen 193–284 n.Chr. darstellt. Als innovativer Ansatz B.s ist dabei der reflektierte Rückgriff auf die theoretischen Überlegungen von Michael Mann anzusehen, durch welche es auf der einen Seite möglich ist, Problemfelder des römischen Staates systematisch zu erschliessen und andererseits kausale Zusammenhänge zwischen diesen auszuloten. Damit bietet die Studie wertvolle Einblicke in die Funktionsweise des Römischen Reiches in einem Zeitalter rapider und brutaler Umbrüche, die es in künftigen Forschungen zur Thematik zu berücksichtigen gilt.

Anmerkungen:
1 Lukas de Blois, The Policy of the Emperor Gallienus, Leiden 1976; ebd., The Reign of the Emperor Philip the Arabian, in: Talanta 10/11 (1978/1979), S. 11–43.
2 Exemplarisch sei verwiesen auf die Arbeiten von Armin Eich / Stefan Freund / Meike Rühl / Christoph Schubert (Hrsg.), Kontinuitäten, Brüche, Übergänge. Ergebnisse der Tagung der Mommsen-Gesellschaft am 21.–22.11.2014 an der Bergischen Universität Wuppertal, Palingenesia 108, Stuttgart 2017; Ben Berressem, Die Repräsentation der Soldatenkaiser. Studien zur kaiserlichen Selbstdarstellung im 3. Jh. n.Chr., Philippika 122, Wiesbaden 2018; Sophie Röder, Kaiserliches Handeln im 3. Jahrhundert als situatives Gestalten. Studien zur Regierungspraxis und zu Funktionen der Herrschaftsrepräsentation des Gallienus, Prismata, Berlin 2019.
3 Michael Mann, The Sources of Social Power I–IV, Cambridge 2012–2013.

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