S. Geppert u.a. (Hgg.): Johann Peter Hasenclever

Titel
Johann Peter Hasenclever (1810-1853). Ein Malerleben zwischen Biedermeier und Revolution. Katalog-Handbuch


Herausgeber
Geppert, Stefan; Soechting, Dirk
Erschienen
Anzahl Seiten
307 S.
Preis
€ 45,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Gerber, Historisches Institut, Friedrich-Schiller-Universität Jena

In seinen 1854 erschienenen „Kunstgeschichtlichen Briefen“ über Düsseldorfer Künstler der letzten zwei Jahrzehnte ritt der rheinische Dichter und Kunstkritiker Wolfgang Müller von Königswinter, bewegt wohl vor allem von der nach den Revolutionsjahren als bedrückend empfundenen Gegenwart der Reaktionsperiode, eine polemische Attacke gegen den „deutschen Stockphilister“, jene „eigenthümlich deutsche Pflanze“, deren „Existenz zäher ist als das wuchernde Unkraut.“ Philisterexistenzen dieses Schlages, so Müller, säßen heute in den Staatsministerien, in der Bürokratie und auf den deutschen Universitäten; wie den Staat, so prägten sie auch die Gesellschaft. Stets nur auf die eigene enge Lebenswelt, die „eigene kleine Person“ bedacht, sei ihnen das „Wohl der Menschheit“ gleichgültig, präsentierten sie sich als Ignoranten, die allen Forderungen der Zeit indolent oder ablehnend gegenüberstünden, wenn sie nur „im behaglichen Genusse die materiellsten Leckereien“ schlürfen könnten. Zwar sei, so der Schriftsteller resigniert, dieser Typus des deutschen Spießbürgers längst unsterblich, doch werde man ihn, ginge er wider Erwarten doch einmal unter, für alle Zeiten als „lebendige und erschreckende Warnung“ auf den Bildern Johann Peter Hasenclevers betrachten können. 1

Was Müller, der Johann Peter Hasenclevers Entwicklung kritisch begleitet hatte, hier wenige Monate nach dem Tod des Malers im Dezember 1853 als Kern seiner Kunst herausstellte, sollte in den folgenden Jahrzehnten zugunsten einer entpolitisierten Rezeption Hasenclevers als „Hofmaler des Weins, der Urbanität und des Humors“ – so ein viel zitiertes Briefwort Gottfried Kellers 2 – zurücktreten. Seine im humoristischen Gewande erscheinende Kritik an kleinbürgerlichem Selbstgenügen und biedermeierlicher Betulichkeit wurde zur jovial-witzelnden, doch mit den dargestellten Verhaltensweisen und Zuständen im Grunde augenzwinkernd einverstandenen Schilderung entschärft. Werke des Malers, die wie „Arbeiter und Stadtrath“ – „dem wichtigsten in Hasenclevers Schaffen“ 3 – in dieses Deutungsschema nur schwer einzufügen waren, wurden ignoriert. So entwickelte schon die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts vielfach eine selektive Wahrnehmung des Düsseldorfer Malers, der das Desinteresse von Kunstkritik und Kunstgeschichte auf dem Fuße folgen musste: Ein „gemütvoller Schilderer geselliger Interieurszenen“ und „weinseliger Humorist“ 4, als den das bürgerliche Publikum sich Johann Peter Hasenclever nach 1850 mehr und mehr zurechtgemacht hatte, war weiterer Aufmerksamkeit kaum wert und bestätigte das Vorurteil gegenüber der Genremalerei, die, anders als Landschaftsdarstellung und Historienmalerei mit ihren „großen“ Themen, nur anekdotisch-erheiternd und obendrein von einer „Tendenz zum Idyll“ 5 gekennzeichnet war. Bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus war Johann Peter Hasenclever für die Kunstgeschichte kein Thema.

Nicht zufällig zeichnete sich dann in den sechziger- und siebziger-Jahren eine kleine „Hasenclever-Renaissance“ ab, die, zugespitzt formuliert, am „Subversiven“ der Hasencleverschen Malerei interessiert war und es neu aufzuspüren und zu definieren suchte. In der DDR machte Wolfgang Hütt mit seiner zuerst 1964 erschienenen, dann 1984 und zuletzt 1995 wieder aufgelegten Untersuchung zur Düsseldorfer Malerschule 6 aus marxistischer Sicht auf das Revolutionsbild Hasenclevers und seine Verbindungen zur rheinischen Demokratie aufmerksam. Eine Folge von Ausstellungen, in denen Hasenclever immer weiter reichende Beachtung fand, eine erste monografische Darstellung mit dem bezeichnenden Untertitel „Ein wacher Zeitgenosse des Biedermeier“ 7 und schließlich die auf jahrzehntelanger Beschäftigung fußende Arbeit von Knut Soiné aus dem Jahre 1990 8 sind Wegmarken der Neuentdeckung Johann Peter Hasenclevers in der alten Bundesrepublik.

Es kann daher kaum verwundern, dass es wiederum Wolfgang Hütt und Knut Soiné waren, die wesentliche Beiträge zu dem vorliegenden, 2003 als Begleit- und Katalogband einer Hasenclever-Ausstellung im Bergischen Museum Schloss Burg an der Wupper publizierten Buch beisteuerten. Schon als er Johann Peter Hasenclever 1990 programmatisch als „Maler im Vormärz“ vorstellte, umschrieb Knut Soiné seinen kunsthistorischen Zugriff mit den Forderungen, es müsse auf der einen Seite „immer wieder nach den gesellschaftspolitischen Hintergründen“ der Kunst Hasenclevers gefragt werden, um „eine oberflächliche ‚biedermeierliche‘ Betrachtungsweise zu vermeiden“, auf der anderen Seite aber durch den Blick auf die künstlerischen Traditionen, in denen der Maler stand, der Gefahr begegnet werden, „sein Schaffen als bloß dokumentarisches Material sozialpolitischer Prozesse zu verstehen“. 9 Neigen kunsthistorische Publikationen zum Bedauern des Historikers bisweilen dazu, die sozialen und politischen Aspekte künstlerischen Schaffen zu stark in den Hintergrund treten zu lassen und beklagen Kunsthistoriker sicher immer wieder zu Recht, daß Historiker Kunst zur bloßen Illustration ihrer aus anderen Quellen geschöpften Darstellung degradieren, ist der hier zu besprechende Hasenclever-Band erkennbar darum bemüht, ganz im Sinne der Prämissen Soinés eine Synthese beider Sichtweisen zu bieten.

Eine „Historische Einleitung“ steckt mit Beiträgen zum napoleonischen Modellstaat Berg, in dem Hasenclevers Heimatstadt Remscheid bis 1813 lag, zur preußischen Rheinprovinz und zum regionalen Kleineisengewerbe, in dem der Vater des Malers tätig war, den allgemeinen geschichtlichen Rahmen ab. Die folgenden Beiträge zur Jugend Hasenclevers bieten – abgesehen von dem im Kapitel „Herkunft und Kindheit“ deplazierten allgemeinen Aufsatz Wolfgang Hütts – die üblichen biografischen Informationen zur „Entwicklungsgeschichte“. Die Beiträge der beiden folgenden, auf die künstlerische Entfaltung des Malers abhebenden Abschnitte verbinden informativ allgemeine, mit dem Lebenslauf verflochtene Gegenstände wie die Geschichte der Düsseldorfer Kunstakademie (Dawn Leach) oder die Rolle Münchens als künstlerisches Zentrum der Zeit (Simone Paulik) mit speziellen Betrachtungen zum Weg Hasenclevers als Maler. Die Wiedergabe einer autobiografischen Notiz Johann Peter Hasenclevers und eines 1910 zum hundertsten Geburtstag des Malers erschienenen Artikels von Ludwig Pietsch beschließen den Aufsatzteil, an den sich der ausführlich kommentierte Katalog zur Ausstellung anschließt.

Aus den 27 Aufsätzen des Bandes seien an dieser Stelle drei herausgegriffen, die sich nicht nur mit den bedeutsamsten Werken Johann Peter Hasenclevers beschäftigen, sondern alle in unterschiedlicher Perspektive die zentrale Frage nach dem politischen Engagement dieses Künstlers stellen. Wolfgang Hütt fasst in seinem Hasenclever-Beitrag zu „Geschichte und Gegenständen eines neuen Entdeckens“ (S. 26-40) die Deutungen aus seinen älteren Arbeiten prononciert in Richtung auf einen entschieden „politischen“ Hasenclever zusammen. Weiterhin ohne Abstriche an der einseitigen Blickausrichtung der Vormärz- und Revolutionsforschung in der DDR orientiert, räumt Hütt der Darstellung demokratisch-radikaler und sozialistischer Strömungen im rheinischen Vormärz breiten Raum ein, kann aber konkrete, über Bekanntschaften hinausgehende Verbindungen Hasenclevers in dieses politische Lager nicht anschaulich machen und muss deshalb mehr über Wolfgang Müller von Königswinter schreiben, als über Hasenclever selbst. Auch die zur Einschätzung der Dimensionen ihrer gesellschaftlichen Wirkung unerlässliche Einordnung der radikaldemokratischen und sozialistisch-kommunistischen Kreise in die gesamte politische Landschaft der preußischen Rheinprovinz während der 1840er-Jahre unterbleibt. Die Darstellung der politisch-sozialen Situation gerät mit Bemerkungen über zu enge „feudale Machtstrukturen“ im Rheinland der vierziger-Jahre des 19. Jahrhunderts (S. 26) holzschnittartig. Die Gesellschaft sei „noch von der Adelsherrschaft bestimmt“ gewesen, aus diesem Zustand nach Hütt aber nahtlos in die „Auseinandersetzung zwischen Bourgeoisie und Proletariat“ eingetreten (S. 27). Bewusste Darstellung von Klassengegensätzen und dezidierte Stellungnahme Hasenclevers zugunsten des „Proletariats“ kommt deshalb für Wolfgang Hütt auch in den verschiedenen Fassungen des berühmten Bildes „Arbeiter und Stadtrath“ zum Ausdruck.

Diese Deutung relativiert Siegfried Kessemeier in seinem Aufsatz über „Hasenclever und die Revolutionsbilder von 1848“ (S. 143-146). Zwar schließt er sich der Einschätzung an, dass Hasenclevers Revolutionsgemälde Ausdruck eines politischen Engagements waren und für den Maler nicht nur ein „neues, durch das Zeitgeschehen inspiriertes Bildthema“ darstellten, „das ihm die Möglichkeit bot, seine Überfülle von Charakterköpfen in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen.“ 10 Im Blick auf die Ausrichtung dieser politischen Stellungnahme aber, bleibt Kessemeier im Anschluss an Soiné zurückhaltender und setzt stärker als Hütt auf Differenzierung. Auch der Katalogkommentar von Stefan Geppert und Simone Paulik hebt hervor, dass in Hasenclevers Darstellung Kritik an beiden dargestellten Gruppen, dem ängstlichen Magistrat wie der bald aggressiv, bald unkoordiniert erscheinenden Arbeiterdelegation fassbar ist – Kritik angesichts des Versagens beider Sozialgruppen bei der Durchsetzung erreichbarer politischer Veränderungen in den Revolutionsjahren (S. 281f.).

Knut Soiné wendet sich mit seinem Beitrag über „Hasenclevers Leser“ einem bedeutsamen Motiv der Genremalerei Hasenclevers zu, malte dieser doch in einer Zeit, in der Lesegesellschaften bedeutsame Elemente bürgerlicher Geselligkeit waren, an vielen Orten Leihbibliotheken entstanden und die Presse sich trotz aller noch bestehenden Beschränkungen schnell entwickelte. Soiné betrachtet den „Leser“ unter dem Gesichtspunkt der politischen Aussagen der Gemälde und kann anhand der Darstellung von Zeitungslektüre bei Hasenclever überzeugend darlegen, wie klar der Maler in seinen ironischen, karikierenden Bildern zur Zeitsituation Stellung bezieht. Die Palette reicht hier von der Anprangerung mangelnder Pressefreiheit und der auch daher rührenden Dürftigkeit der erlaubten Zeitungen über die Herausstellung der aufwühlenden, politisierenden Wirkung gemeinschaftlicher Lektüre bis zum Verweis auf bürgerliche Verzagtheit im Lesekabinett angesichts staatlicher Repression: Hinter einer Zeitung kann man sich, wie Hasenclevers Darstellungen augenfällig machen, auch verstecken.

Insgesamt fasst der vorliegende Band nicht nur das Spektrum der Forschungsmeinungen zu Hasenclever und seiner Kunst zusammen, vermittelt einen zusammenhängenden und gut kontextualisierten Überblick über sein Leben und bietet mit seinem mehr als 120 Bilder umfassenden Katalogteil eine umfängliche Werkschau. Er macht vor allem noch einmal eindrucksvoll deutlich, dass Johann Peter Hasenclever alles andere war, als ein biedermeierlich-harmloser Humorist und dass auf sein gesamtes Werk zutrifft, was die „Düsseldorfer Zeitung“ im März 1850 über „Arbeiter und Stadtrath“ schrieb: „Er hat Geschichte gemalt und Zustände dargestellt, wie sie waren“. 11

Anmerkungen
1 So zitiert in: Hütt, Wolfgang, Johann Peter Hasenclever, Dresden 1983, S. 29.
2 So zitiert in: Soiné, Knut, Johann Peter Hasenclever. Ein Maler im Vormärz (Bergische Forschungen; XXI), Neustadt/Aisch 1990, S. 113.
3 Ebd., S. 225.
4 Ebd., S. 11.
5 Nipperdey, Thomas, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S. 566.
6 Hütt, Wolfgang, Die Düsseldorfer Malerschule. 1819-1869, Leipzig 1964 (veränderte Neuausgaben, Leipzig 1984, 1995).
7 Bestvater-Hasenclever, Hanna, Johann Peter Hasenclever. Ein wacher Zeitgenosse des Biedermeier, Recklinghausen 1979.
8 Soiné (wie Anm. 2).
9 Ebd., S. 14.
10 von Kalnein, W. (Hg.), Die Düsseldorfer Malerschule. Ausstellungskatalog Kunstmuseum Düsseldorf und Mathildenhöhe Darmstadt 1979, Mainz 1979.
11 So zitiert in: Gall, Lothar (Hg.), 1848. Aufbruch zur Freiheit. Katalog zur Ausstellung des Deutschen Historischen Museums und der Schirn Kunsthalle Frankfurt zum 150jährigen Jubiläum der Revolution 1848/49, Frankfurt am Main 1998, S. 303.

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