Titel
King Zog of Albania. Europe’s Self-Made Muslim King


Autor(en)
Tomes, Jason Hunter
Erschienen
Anzahl Seiten
312 S.
Preis
$30.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raim Beluli, Zentrum für Höhere Studien der Universität Leipzig

In dieser detaillierten Biografie über den König von Albanien moderner Zeiten trägt der amerikanische Historiker Jason Tomes zur Lösung gleich zweier herausfordernder Aufgaben der heutigen albanischen Historiografie bei. Zum einen erhellt er die vom Kommunismus politisierte und anhaltend debattierte Regierungszeit von Ahmed Zogu, König von Albanien (1928-1939). Zum anderen ist er einer der Ersten, der eine Grundlage für die Neuschreibung der albanischen Geschichte in der nachkommunistischen Zeit vorlegt. Es ist kein Wunder, dass es nach wie vor auch heutzutage eher ausländische Forscher und Kenner Albaniens sind, die sich zum Vorbild eines kritischen und wissenschaftlichen Umgangs mit dem albanischen Geschichtsbild machen. Aus ideologischen, ökonomischen und kulturellen Gründen mangelt es der albanischen Historiografie weiterhin an objektiven und rein professionellen Kriterien in der wissenschaftlichen Analyse.

Das Buch schildert wie es dem König Zog gelang, für das erste Mal seit Jahrhunderten, einen einzigen albanischen Staat mit albanischer Regierung, mit einem Parlament, Zoll-, Recht- und Schulsystem, Gendarmerie usw. zu etablieren. Es gelang ihm als Ersten – sei es mit Tapferkeit und Entschlossenheit, sei es mit Gewalt, Überredung, Tricks oder Bestechung – sich sowohl über die untreuen Feudalherren Mittel- und Südalbaniens als auch über die kriegerischen und regierungslosen Häuptlinge der nordalbanischen Stämme durchzusetzen.

Dass Albanien einen sehr schwierigen Weg vor sich hatte, das war selbstverständlich. Es fehlte eine Mitteklasse und eine Bourgeoisie, die die Führung übernehmen könnten. Im Gegensatz zu allen anderen Balkanstaaten, die in den ersten Phasen ihrer Unabhängigkeit sehr wohl finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten hatten, musste Albanien seit 1913 ohne einen einzigen Kredit auskommen.1 Daher war Zog gezwungen, sich auf die alten Großgrundbesitzer zu stützen und Kompromisse zu schließen, um die innere politische Stabilität zu bewahren. Er wusste aber zugleich dieselben Leute unter ständigem Druck und Drohung zu halten.

Der größte Verdienst dieses Werkes von Tomes besteht darin, dass es nicht nur die dunkle Seite von Zogus Regierung darstellt, wie es in vielen früheren Untersuchungen der Fall ist, sondern realistisch auch ihre Leistungen und Innovationen spiegelt. Der französische Geologe und Geograf im Dienst des A.F.O. - Armée Française d’Orient - Jacques Bourcart, schrieb im Jahre 1922 dass ein einheimischer Souverän nötig sei, um die Albaner zukünftig daran zu hindern, wiederum einen ausländischen Fürsten herbeizurufen.2 Daher bezeichnet meiner Meinung nach die Regierungszeit des zunächst Innenministers, Premierministers, Präsidents und danach Monarchs, Ahmed Zogu, eine Wende in der Geschichte des neugeborenen albanischen Nationalstaates. Das Albanien des Jahres 1913 wurde neu geschaffen, diesmal für eine relative lange Zeit unter der Führung einer eigenen Regierung.

Anders als viele der im Ausland studierenden Albaner und Verwaltungsbeamten im Dienst des Osmanischen Reiches, befand sich Zog zur Zeit der jung-türkischen Revolution von 1908 in Istanbul und zur Zeit des Zusammenbruchs der habsburgischen Monarchie von 1918 in Wien. Das bedeutete für ihn das Ende einer Art von Ancien Régime und dass Albanien nur einem Weg folgen könnte: dem des westlichen Europas. Ein bürgerliches Gesetzbuches (1929) und Strafgesetzbuches (1930) wurden nach dem französischen Modell errichtet um alle vorherigen osmanischen Verfahren zu ersetzten. Die neue Verfassung brachte den Brauch der Polygamie zu einem Ende, verbot den Schleier und die Vorurteile über westliche Kleidung. In den nördlichen Gebieten vertrat die katholische Kirche die Regierungsstellen, um die Durchführung der neuen Gesetze zu erleichtern. Alle Regierungsbeschlüsse wurden zunächst den katholischen Priestern verteilt.3 Eine antisemitische Orientierung gab es nicht, im Gegenteil. Zogus Regierung erkannte erstmals offiziell eine jüdische Gemeinde in Albanien an und gab deutschen Juden Einreisevisa nach Albanien, also zu einem Zeitpunkt, als die jüdischen Flüchtlinge den meisten europäischen Länder unwillkommen waren.

Tomes argumentiert, dass trotz Zogus Misserfolg, die Agrar-, Industrie- und Steuerfragen zu lösen, die ökonomische und kulturelle Entwicklung Albaniens mehr Zeit als eine Generation verlangte. Der Grund war die Rückständigkeit in allen Bereichen. In den 1930er-Jahren hingen die Ökonomie und das Budget des Staates total von Italien ab, das auch die Währung und die neu eröffnete ’’Tirana Bank’’ kontrollierte. Zogus Konzessionspolitik konnte nur die Dauer seiner Regierungszeit verlängern. Die Kapitulation gegenüber Mussolinis Italien war unvermeidlich. War denn nicht auch die demokratische Regierung von Fan Noli – der gebildete Intellektuelle und ewiger Rivale Zogus – der Zog im Juni 1924 ins Exil zwang, hauptsächlich wegen der mangelnden finanziellen Mittel und Kredite gescheitert?

Ich denke dass der Frage, ob es Nolis Regierung hätte besser machen können, könnte heute kaum jemand beantworten. Eines ist sicher: Noli hatte eine westliche Ausbildung und liberale Visionen und nichts mit einem kommunistischen Utopia gemeinsam. Die Neigung Tomes, Noli ’rot’ zu färben, weil er vorläufige diplomatische Beziehungen zu Russlands Bolschewiki knüpfte und die völlige Entmachtung der Feudalherren anstrebte, scheint nicht überzeugend zu sein. Dafür spricht auch die Tatsache, dass Noli, nie mehr in das kommunistische Albanien zurückkehrte. Der spätere Bischof und Gründer der albanischen autokephalen orthodoxen Kirche in Amerika fand keine Unterstützung bei den Großmächten und Nachbarländern, die Interesse an Albanien hatten. Italien und Jugoslawien vor allem sahen in Zogu bessere Chancen, ihre expansive Politik zu verwirklichen.

Aus der heutigen Perspektive zeigt es sich, dass die misstrauische Politik Zogus gegenüber allen Akteuren und die zunehmende Tendenz der Geschlossenheit und Mystifizierung keine exklusiven ’Syndrome’ der zogischen Regierungszeit waren. Ähnlich erging es auch dem kommunistischen Albanien bis zu seinem völligen Zusammenbruch. Durch die Feststellung der negativen Verfahren des Regime Zogus verweist Tomes implizit auf die heutigen politischen und ökonomischen Entwicklungen Albaniens. Seit 1990 strebt das Land danach, eine Demokratie und freie Marktwirtschaft zu errichten, kämpft gegen politische Intoleranz, Korruption, Nepotismus, Monopolisierung des Kapitals und der Medien usw. Die Stabilität des Landes hängt von der finanziellen Unterstützung und politischen Assistenz der EU-Einrichtungen ab. Für die heutige albanische Regierung bedeutet es noch eine Herausforderung, eine rechtstaatliche Autorität einzuführen.

Diese historischen Parallelen dürften uns dazu führen, mehr Verständnis für die Leistungen und Begrenzungen der Regierungszeit Zogus zu haben. Der Weg zu einem modernen demokratischen Albanien muss damals viel schwieriger gewesen sein als es heutzutage ist. Nach ungefähr einem Jahrhundert scheint die Durchführung der sozialen, ökonomischen und politischen Reformen kaum realisierbar, insoweit enge private Interessen und kurzfristige Politik der albanischen Regierungen in den Vordergrund treten. Die Hauptgründe sind in der seit Jahrhunderten mangelnden Freiheit und mangelnden staatlichen Einrichtungen zu suchen.

Die von Jason Tomes hauptsächlich benutzten zeitgenössischen Quellen und erst nach der Wende publizierten Untersuchungen, verleihen dem Buch eine lebendige und verlässliche Narration. Dennoch fragwürdig bleibt die Zuverlässigkeit der Berichte einiger zeitgenössischer Korrespondenten in Albanien wie z.B. des englischen Journalisten J. Swire, der in Durrës für die Zeitung “The Guardian“ tätig war. Swire wurde von den Italienern bestochen und wirkte zugunsten der italienischen Propaganda in Albanien. Eine völlig überzeugende Darstellung der Tätigkeit Zogus würde meiner Meinung nach mehr Untersuchungen über die damaligen widersprüchlichen Berichte und Interessen verschiedener Akteure fordern. Zur Erhellung dieser Frage wäre es nötig noch unveröffentlichte Quellen zugänglich zu machen. Zu erwähnen sind z. B. die kürzlich in albanischen schriftlichen Medien publizierten Erinnerungen des damaligen italienischen Generals in Albanien, Alberto Pariani. In seinen Notizen wirft Pariani Licht über die geschichtliche Rolle der politisch und militärisch aktivsten Figuren Albaniens der 1930er-Jahren.

Ungeklärt ist weiterhin die Frage nach der vermutlichen Schuldigkeit Zogus an der Ermordung einer Reihe von Patrioten und seiner politischen Rivalen wie Luigj Gurakuqi, Hasan Prishtina, Avni Rustemi usw. Ebenso umstritten bleibt die Tatsache der eventuellen Entwendung des Staatsschatzes als König Zog 1939 flüchtete. Trotzdem, durch die objektive Untersuchung und vielfältige Annäherung und Beurteilung des Zogus Gesamtbild, ist dieses Buch als eine Wertarbeit einzuschätzen. Überzeugend finde ich besonders die Kernbotschaft von Tomes Werk, dass König Zog nicht der war, den uns die kommunistische Historiografie einmal in der Schule vorgestellt hatte.

Anmerkungen:
1 Gashi, Dardan; Steiner, Ingrid, Albanien. Archaisch, Orientalisch, Europäisch (Brennpunkt Osteuropa), Wien 1997, S. 152.
2 Jacques, Bourcart, L’Albanie et les Albanais, Editions Bossard, Paris 1921. Übersetzt von Asti Papa, Shqiperia dhe Shqiptaret, Shtepia Botuese Dituria, 2004, S. 183.
3 Ebenda, S. 176.

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