M. Plassmann: Eine Stadt als Feldherr

Cover
Titel
Eine Stadt als Feldherr. Studien zur Kriegsführung Kölns (12.–18. Jahrhundert)


Autor(en)
Plassmann, Max
Reihe
Stadt und Gesellschaft 7
Erschienen
Anzahl Seiten
295 S.
Preis
€ 32,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexander Querengässer, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Militär und Stadt in der Frühen Neuzeit wurden von der Forschung bisher meist – wenn überhaupt – im Sinne einer Täter-Opfer-Beziehung wahrgenommen und erforscht. Dabei verwischt die vermeintliche Grenze zwischen dem Militär als sozialer Gruppe und der Stadt als rein zivilem Raum im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit sehr stark. Stadtluft machte bekanntlich zwar frei, erforderte aber immer, dass die Inhaber solcher Freiheiten diese, wenn nötig, mit Waffengewalt verteidigten, wodurch sich die Schranken zwischen Militär und Stadt nahezu vollkommen auflösten, denn bis zum Ende des Alten Reiches waren Städte und Stadtgemeinschaften stets in unterschiedlichem Grad militarisiert. Militärische Aspekte von Stadtgeschichte werden jedoch in großen Gesamtdarstellungen meist am Rand erzählt, der reinen Ereignisgeschichte unterworfen und gehen von einem Dualismus (Militär versus Stadtgemeinschaft) aus. Und auch die Militärgeschichtsschreibung selbst geht eher selten über diesen vermeintlichen Antagonismus hinaus.1

Max Plassmann hat sich diesem Desiderat am Beispiel der Reichsstadt Köln gewidmet. Als Mitarbeiter des dortigen Stadtarchivs verfügt er über eine profunde Quellenkenntnis, die dem vorliegenden Band zugutekommt. Plassmann bietet einen konzisen Überblick über die Entwicklungen vom Spätmittelalter bis zum Ende der reichsunmittelbaren Selbstständigkeit Kölns 1794. Solche Ansätze sind selten geworden in einer Wissenschaft, die sich zunehmend für thematisch und zeitlich kleinste Details, aber nur noch selten für größere und zeitübergreifende Kontexte interessiert. Dass es in solchen Arbeiten Lücken gibt, ja geben muss, um diese letztlich auf einen lesbaren Umfang von 260 Textseiten zu reduzieren, ist nachvollziehbar und wird von Plassmann einleitend auch selbst eingestanden. So geht es ihm gar nicht so sehr darum, alle Aspekte einer Kölner Militärgeschichte abzuarbeiten. Sein expliziter Fokus liegt auf dem Agieren Kölns in Kriegen und militärisch geführten Konflikten.

Das Buch teilt sich in zwei größere Abteilungen. Zunächst nimmt Plassmann die Rahmenbedingungen der Kölner Kriegsführung in den Blick. Anders als in den sich herausbildenden Fürstenstaaten war in Köln die Stadt als Kollektiv Feldherr, was einen ebenso großen Einfluss auf die Kriegführung hatte. Auch das fehlende eigene Territorium war bedeutsam: Tatsächlich hatte Köln anders als viele süddeutsche Reichsstädte kein unmittelbares Vorland, sondern bildete eine Enklave im Territorium des Erzbischofs von Köln, von dem man sich mühsam frei gemacht hatte. Der Erhalt dieser Freiheit und der Schutz des eigenen Handels als Basis des städtischen Wohlstandes bildeten die wichtigsten – und somit rein defensive – Ziele innerhalb der Kölner Kriegsführung. Zu diesen politischen und geografischen Rahmenbedingungen gesellen sich finanzielle. So stagnierten Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft Kölns in der Frühen Neuzeit, sodass das militärische Potential gegenüber den benachbarten Flächenstaaten zunehmend ins Hintertreffen geriet. Dieses Potential bestand zum einen in den starken Festungsmauern, die in der Frühen Neuzeit immer weiter modernisiert wurden, und zum anderen im stadteigenen Militär, seien es Bürgerwachen oder angeworbene Söldnerkontingente. An dieser Stelle hätte die Arbeit sicherlich ein wenig detaillierter auf die Entwicklungen militärischer Strukturen eingehen können. So legt Plassmann einen starken Fokus auf das Spätmittelalter und das 16. Jahrhundert, während das 17. und 18. Jahrhundert eher kurz abgehandelt werden.

Im zweiten Abschnitt beschäftigt sich Plassmann mit Szenarien gewaltsamer Auseinandersetzung, die von der offenen Schlacht über die Beteiligung an Heerfahrten oder Aufgeboten der Reichsarmee, dem Kleinen Krieg bis hin zur zumindest theoretischen Möglichkeit einer Belagerung reichen, die in Köln in Wirklichkeit nie stattfand. Ebenso wie in einem kleinen, nachgeschobenen Kapitel über die Grundzüge einer Strategie Kölns ist allerdings hier nicht immer klar, ob Plassmann lediglich theoretische Handlungsoptionen der Stadt ausmalt oder diese Diskurse den Quellen entnommen hat. Eine Straffung der entsprechenden Abschnitte oder eine Ausweitung der Quellenbeispiele hätten sicherlich darüber Klarheit verschaffen können. In der Gesamtschau tritt Köln als politischer Akteur in Erscheinung, dessen Ziel eher in der Konfliktvermeidung bestand. Gerade die starken Stadtmauern machten die Stadt am Rhein jedoch auch zu einem begehrten Objekt europäischer Kriegsparteien, sodass die Entscheidung über Krieg und Frieden in der Frühen Neuzeit immer seltener in der Hand des städtischen Rates lag; dessen Hauptaugenmerk richtete sich zunehmend darauf, die reichsstädtische Eigenständigkeit zu bewahren und in Zeiten militärischer Besetzung – sei es durch gegnerische oder verbündete Reichstruppen – nicht „geschluckt“ zu werden.

Dies schmälert jedoch keinesfalls das Verdienst der Arbeit, die sowohl einen wichtigen Beitrag zur Kölner Stadtgeschichte leistet als auch der modernen Militärgeschichte ein reichhaltiges Betätigungsfeld eröffnet. Die Militärgeschichte Kölns liefert definitiv mehr als nur die Roten Funken.

Anmerkung:
1 Prominent: Ralf Pröve, Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Göttingen und seine Militärbevölkerung 1713–1756 (Beiträge zur Militärgeschichte 47), München 1995. Pröve untersucht in dieser gelungenen Studie vor allem Einquartierungspraktiken, geht aber nicht auf stadteigenes Militär ein. Des Weiteren: Stefan Kroll, Stadtgesellschaft und Krieg. Sozialstruktur, Bevölkerung und Wirtschaft in Stade und Stralsund 1700 bis 1715, Göttingen 1997.

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