Er ist und bleibt das unbestrittene Wahrzeichen der Quadratestadt Mannheim: der von einer der schönsten Jugendstilanlagen Deutschlands umgebene Wasserturm. Seit 1990 ist diese Stadt um ein Wahrzeichen reicher: Der steil aufragende 135-Millionen-Bau (in DM gerechnet) des TECHNOSEUM – bis 2009 „Landesmuseum für Technik und Arbeit“ (LTA) – hat mit seinen schiefen Ebenen neben dem Gebäude des Südwestrundfunks einen eigenen Akzent gesetzt. Seit der Eröffnung haben circa sechs Millionen Menschen dieses Haus samt Museumsschiff besucht. Sein Leiter Hartwig Lüdtke zieht anlässlich des 25jährigen Jubiläums Bilanz. Entstanden ist ein ansprechend gestalteter, meist gut zu lesender Band, der sich in zentralen Kapiteln mit der Dauerausstellung und den Wechselausstellungen des Hauses beschäftigt.
Die Verantwortlichen dieses Hauses – getragen von der Stiftung TECHNOSEUM mit dem Land Baden-Württemberg (zwei Drittel) und der Stadt Mannheim (ein Drittel) –, unterstützt von Freundeskreis und zahlreichen Partnern und Ehrenamtlichen, legen regelmäßig Rechenschaft ab. Die informativen Tätigkeitsberichte erschließen dem Leser auch ein Bild des TECHNOSEUM, bieten aber wenig Raum für die Darstellung der „größeren Linien“. Der Autor – sonst meist zurückhaltend – spart im Vorwort nicht mit Formulierungen wie „neuer Stern am Himmel der deutschen Museumslandschaft“ (S. 6) oder „ein Museum neuen Typs“ (S. 6) wenn er über die Gründung des eigenen Hauses schreibt. Er benennt jedoch auch andere neue Sterne, die in den 1980er-Jahren Jahren, bspw. in Bonn, Frankfurt oder Hamburg, aufgingen.
Was macht das TECHNOSEUM mit seinem Etat von derzeit 10,9 Mio. € auf 9.000 qm Ausstellungsfläche anders als beispielsweise das Deutsche Museum in München, das Deutsche Technikmuseum in Berlin oder die inhaltlich stärker auf Themen wie Mobilität, Kommunikation oder Bergbau fokussierten Museen?
Die Dauerausstellung – von den Initiatoren bis zu den heutigen Verantwortlichen als „Zeitreise“ bezeichnet – ist keine Schau von „Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik“, wie es beispielsweise das Deutsche Museum München in seinem offiziellen Titel zum Ausdruck bringt; genauer: die „Betrachtung der Technikgeschichte, der relevanten Erfindungen und technologischen Entwicklungen“ (S. 6) ist nur ein Aspekt. Sie soll mit der „Betrachtung der sich daraus ergebenden Lebens- und Arbeitsbedingungen der handelnden Menschen“ (S. 6f.) verwoben werden. (Technik-) Geschichte wird hier als historische Sozialwissenschaft verstanden. Der Rundgang, auf der obersten Ebene „A“ beginnend, führt den Besucher auf mehr als drei Kilometern Länge bis in die Gegenwart (Ebene „F“). Dass dabei zuweilen die Orientierung verloren geht, ist ein den Verantwortlichen bekanntes, schwer zu lösendes Problem.
Im ersten Kapitel zeichnet der Autor auf 38 Seiten den Weg zum heutigen TECHNOSEUM nach. In der bis in die 1970er-Jahre reichenden Konzeptionsphase lief es auf zwei Museumsideen hinaus: „Auf der einen Seite eine sozialgeschichtliche Ausstellung des Landes und auf der anderen Seite ein Technikmuseum.“ (S. 26). Es ist rückblickend bemerkenswert, dass diese beiden Ideen – noch dazu in kurzer Zeit – kombiniert werden konnten, wie es der baden-württembergische Ministerratsbeschluss vom Juli 1979 ausdrückte: Ein „Landesmuseum für Technik und Sozialgeschichte“ (S. 26) sollte es werden. Im Jahr darauf entschied sich der Landtag für Mannheim als Standort, 1982 gab es einen Architekturwettbewerb, 1983 startete die Bauplanung, 1985 die Gründung der öffentlich-rechtlichen „Stiftung Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim“, 1987 erfolgte das Richtfest – aber schon 1986 gab es eine erste Eröffnung: Das „Museumsschiff Mannheim“ konnte der Öffentlichkeit übergeben werden. Wer sich heute an sonnigen Sonntagen am Neckarufer diesem Personenraddampfer nähert, sieht schon von weitem den Besucherandrang. Daher widmet der Autor dieser „Außenstelle“ auch ein eigenes Kapitel.
Die Gestaltung der Ausstellung startete mit dem Stuttgarter Atelier Lohrer; es war mehrere Jahre zuvor z. B. mit der Staufer-Ausstellung, die die Erwartungen hinsichtlich der Besucherzahlen weit übertroffen hatte, als Museumsgestalter in Erscheinung getreten. Abgelöst wurde das Team („Aus einer Reihe von Gründen“, S. 100) durch das Büro Micheel aus Köln. Heute, 30 Jahre danach, wäre es interessant und auch vertretbar, die Gründe zu erfahren – ob es dadurch zu Verschiebungen des Eröffnungstermins kam usw. Das positive Fazit des Autors kann hier nicht ganz zufriedenstellen. Überzeugen kann die Erläuterung der beiden Konzeptbestandteile „Raum-Zeit-Spirale“ und das Prinzip des „arbeitenden Museums“ (S. 35). Letzteres macht bis heute einen großen Teil der Attraktivität dieses Hauses aus: Mühle, Druckerei, Eisenbahn und andere „nicht nur als Objekte zu betrachten“, sondern sie „von ‚Vorführtechnikern‘ [heute: TECHNO-Scouts; M. B.] Tag für Tag zu festen Zeiten in Betrieb [zu nehmen].“ (S. 35) Eine weitere „spezifische Informationsebene“ (S. 35) kam hinzu: Ein sogenannter „Zeitzug“ sollte die Ausstellungseinheiten begleiten. Die dahinterstehenden Filmsequenzen mit ihrer zentralen Figur, „dem Zeitreisereporter Herr[n] Eisele“ waren sicher eine interessante Idee – der Besucherandrang an diesen Medienstationen hielt sich aber in Grenzen.
Das Presseecho auf die Eröffnung war sehr positiv: Da war von einem „Tempel für die menschliche Arbeit“ die Rede (FAZ, 28.09.1990), und über einen Ausschnitt der „Raum-Zeit-Spirale“ hieß es an gleicher Stelle: „Wer diese ausschwingende Bewegungsfolge absolviert hat, kann Richard Meiers Spielrampen im Frankfurter Kunstgewerbemuseum oder Alexander von Brancas Klosterparcours in der Münchner Pinakothek nur noch belächeln.“ Über derart euphorische Wertungen freuten sich natürlich die Museumsmacher, deren Start nach kurzer Zeit mit dem „European Museum of the Year Award“ gekrönt wurde, wie auf gleich drei Aufnahmen im Buch zu sehen ist (S. 38). Nicht ausgespart wird aber auch die „durchaus ernsthafte Krisensituation“ im zweiten Jahrzehnt dieses Hauses (S. 43). So innovativ das LTA zum Eröffnungszeitpunkt war, so wenig einzigartig waren bald schon „Mitmachmöglichkeiten“ (S. 44), denn viele andere Museen zogen nach. Wer die Mühle klappern gehört hatte, sein Blatt Papier geschöpft hatte oder auch die kurze Fahrt mit der Eisenbahn erlebt hatte, erinnerte sich nach Jahren vielleicht noch gerne an seinen Besuch im LTA – ihn zeitnah zu wiederholen fehlte jedoch der Anreiz. „In Kreisen der Landesregierung wurden schließlich sogar Modelle einer vollständigen Schließung des Museums durchgespielt.“ (S. 44) Hier würde ein Beleg interessieren.
Eine konzeptionelle Weiterentwicklung und ein harter Sparkurs sollte das Museum aus der Krise führen (S. 44). Dieser ermöglichte dem LTA eine umfangreiche Sanierung für mehr als acht Millionen Euro, zwang aber auch zur Reduzierung des Personalbestandes um fast ein Drittel – für ein „arbeitendes Museum“ mit personalintensiven Vorführstationen ein schwerer Schritt. Konzeptionell sollten vor allem „Elementa“-Bereiche – handlungsorientierte Experimentierfelder und Mitmachstationen – gegen die Konkurrenz der Science-Center helfen (S. 47). Mittlerweile gibt es drei „Elementas“ – nicht als separierte Abschnitte sondern als Teil des chronologischen Rundgangs durch 200 Jahre Industrialisierungsgeschichte.
Ins Auge sticht die durchweg üppige Illustrierung des Bandes. So bekommt der Leser auf jeweils fast ganzseitigen Aufnahmen einen guten Eindruck der sechs Ausstellungsebenen A bis F, der Elementa-Ebenen, des Museumsschiffs (an Land und zu Wasser) – bis hin zu Sonderausstellungen wie der umstrittenen „Körperwelten“-Schau, die dem Museum 1997/98 mehr als eine Dreiviertelmillion Besucher brachte – mehr als das Zehnfache der „Großen Landesausstellung“ zur Geschichte der Arbeiterbewegung im Jubiläumsjahr 2013.1 Zudem erfährt man etwas über die in diesem Haus so wichtige museumspädagogische Arbeit („integrierter Bestandteil jeglicher Museumsarbeit“, S. 150), die seit 2010 eine eigene Abteilung darstellt. „Heute stehen Kinder und Jugendliche als die Hauptzielgruppe der gesamten Museumsarbeit im Fokus aller Überlegungen.“ (S. 152) Es wäre interessant, etwas über die Reaktionen dieser Zielgruppe zu erfahren. Alles in allem ist dieser Band so lesens- und betrachtenswert, wie das TECHNOSEUM besuchenswert ist. Kleinigkeiten wie „Kultusminister Prof. Dr. Helmut Engler“ (er war Minister für Wissenschaft und Kunst) oder die eine oder andere Doppelung können diesen positiven Gesamteindruck nicht trüben.
Anmerkung:
1 Vgl. hierzu Bernd Holtwick: Rezension zu: Durch Nacht zum Licht? Geschichte der Arbeiterbewegung 1863–2013, 02.02.2013 – 25.08.2013 Mannheim, in: H-Soz-Kult, 13.07.2013, <http://www.hsozkult.de/exhibitionreview/id/rezausstellungen-176> (08.12.2015).