Unter dem Titel „Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann“ widmet sich die Museumsstadt Trier nach der großen Konstantin-Ausstellung von 2007 nun einem der wohl umstrittensten römischen Kaiser.1 Im Rahmen einer Ausstellungskooperation werden an insgesamt drei Standorten verschiedene Aspekte der Geschichte und der Person Neros näher behandelt: Während das Rheinische Landesmuseum die namensgebende Hauptausstellung ausrichtet, setzt sich das Museum am Dom mit dem Thema „Nero und die Christen“ auseinander; das Stadtmuseum Simeonstift schließlich befasst sich unter dem Titel „Lust und Verbrechen. Der Mythos Nero in der Kunst“ mit der Rezeptionsgeschichte des berühmt-berüchtigten Kaisers.
Im Folgenden sollen nun die drei Ausstellungen zunächst der Reihe nach vorgestellt werden, um hieran anschließend die Gesamtkonzeption des Projektes in den Blick zu nehmen.
Das Rheinische Landesmuseum Trier beleuchtet gemäß seiner archäologischen Ausrichtung die Person und die Herrschaft Neros anhand ausgewählter materieller Zeugnisse, die durch die wichtigsten literarischen Quellen ergänzt sind. In insgesamt 14 Räumen werden hier die einzelnen Stationen auf Neros Weg zum Kaisertum sowie seiner Herrschaft selbst chronologisch nachvollzogen, wobei die gängigen Klischees und Stereotypen an vielen Stellen aufgegriffen und kritisch hinterfragt werden. Trotz einer emotionalen Inszenierung wird auf diese Weise das häufig vermittelte Bild des verrückten Brandstifters und Muttermörders reflektiert und bisweilen auch relativiert.2
Abb. 1: Ein Blick in die Ausstellung „Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann“ im Rheinischen Landesmuseum Trier. Die oben genannte emotionale Inszenierung zeigt sich nicht zuletzt im gezielten Einsatz von Licht und Schatten. (© GDKE – Rheinisches Landesmuseum Trier, Th. Zühmer. <http://www.nero-ausstellung.de/presse/bilder>)
Gut verständliche und prägnant formulierte Einführungstexte erleichtern den Besuchern am Eingang eines jeden Raumes den Einstieg in das nachfolgende Thema. Kontroverse Episoden wie etwa der Brand Roms oder die Griechenlandreise des Kaisers werden so gemäß dem aktuellen Stand der Forschung aufbereitet und in kritischer Auseinandersetzung mit den Berichten der antiken Autoren – namentlich Tacitus, Sueton und Cassius Dio – eingeordnet. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Mehrsprachigkeit der Texte (deutsch, englisch und französisch) sowie die für das Fachpublikum relevante Angabe der jeweiligen Quellenstellen – lediglich bei Inschriften und Münzen wurde auf entsprechende Referenzangaben leider verzichtet.
Den gestalterisch wohl eindrucksvollsten Raum bildet eine Rekonstruktion des Oktogons der domus Aurea, des so genannten „goldenen Hauses“, das Nero nach dem großen Brand im Herzen Roms errichten ließ. Scheinbar durch die rotierende Decke auf den Boden hinabgerieselte Blütenblätter sowie eingeblendetes Vogelgezwitscher lassen viel Liebe zum Detail erkennen und sollen dem Besucher einen Eindruck des neronischen Glanzes vermitteln, der durch einen animierten Rundgang durch den Gebäudekomplex noch verstärkt wird.
Abb. 2: Das rekonstruierte Oktogon der domus Aurea. (© GDKE – Rheinisches Landesmuseum Trier, Th. Zühmer. <http://www.nero-ausstellung.de/presse/bilder>)
Mit Blick auf die gesamte Ausstellung lässt sich der Einsatz von Technik und Medien als dezent und dabei konstruktiv bezeichnen. So werden an geeigneter Stelle – etwa in Bezug auf den Brandverlauf des Jahres 64 n.Chr. oder die Veränderung von Münzporträts – mit Hilfe entsprechender Animationen Entwicklungslinien anschaulich nachvollzogen. Darüber hinaus können die Besucher auf einen kostenlosen Audioguide zurückgreifen, der allerdings zu Gunsten einer Führung nicht getestet wurde.
Abb. 3: Goldmünze mit Nero und seiner Mutter Agrippina. (© Rheinisches Landesmuseum Trier, Th. Zühmer. <http://www.nero-ausstellung.de/presse/bilder>)
Im Zentrum der Ausstellung stehen jedoch die zahlreichen, mitunter hochkarätigen Originalzeugnisse. Den Ausstellungsmachern ist es gelungen, ein beeindruckendes Ensemble an archäologischen Zeugnissen in Kooperation mit vielen nationalen wie internationalen Museen und Institutionen zusammenzustellen und auf diese Weise auch einige zuvor in Depots lagernde Exponate der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen.
Zu den herausragenden Stücken gehören unter anderem die antike Kopie des augusteischen Tugendschildes aus Arles, eine Kinderstatue Neros aus dem Louvre, die den späteren Princeps noch mit bulla abbildet, sowie das sogenannte Freiheitsedikt aus Akraiphia, eine griechische Inschriftenstele, deren Text die Verleihung der (Steuer-)Freiheit an die Hellenen durch Nero am 27. November 66 oder 67 n.Chr. samt der vor diesem Hintergrund beschlossenen Ehren für den Kaiser dokumentiert.
Nahezu alle Exponate sind dabei gut inszeniert und kontextualisiert. Eine der wenigen Ausnahmen bildet die Präsentation einiger Bergkristallfragmente, die dem Deckenputz der domus Aurea entstammen und als Teil eines künstlichen Sternenhimmels interpretiert werden. Dieser bemerkenswerte Fund wird zwar durch einen Rekonstruktionsvorschlag ergänzt, kann aber aufgrund seiner sehr zurückgenommenen Position in einer kleinen Vitrine leicht übersehen werden. Insgesamt gibt es jedoch nur sehr wenige solcher kleinerer Kritikpunkte in einer ansonsten ausgesprochen starken Ausstellung.
Neben der Hauptausstellung im Landesmuseum präsentieren das Museum am Dom sowie das Stadtmuseum Simeonstift jeweils eigene Sonderausstellungen zum gemeinsamen Oberthema. Dem ersten der beiden genannten Häuser kommt dabei sinnigerweise das Sujet „Nero und die Christen“ zu, wobei hier natürlich die Schlagworte vom Brand Roms sowie der hieran anschließenden Christenverfolgung mitschwingen. Ausgehend von in diesem Zusammenhang einschlägigen Historiengemälden des 18. und 19. Jahrhunderts sowie des im Jahr 1895 von Henryk Sienkiewicz veröffentlichten Romans „Quo Vadis?“ geht man hier zunächst der Frage nach, weshalb gerade die in Rom lebende Gemeinde der Christen zum „Sündenbock“ für den Brand der Stadt gemacht werden konnten.
Zu diesem Zweck stellt man der (paganen) religio Romana die Eigenheiten und Außenwahrnehmungen der schon damals „anerkannten“ Religion der Juden und des eher skeptisch beäugten frühen Christentums gegenüber. Die hier eröffneten Einblicke sind durchaus interessant, die Präsentation selbst bleibt insgesamt gesehen jedoch recht allgemein und somit leider vergleichsweise unspezifisch. Auch die folgende – mit den beiden Aposteln Petrus und Paulus beginnende – Darstellung verschiedener Martyrien und Christenverfolgungen wirkt nicht zuletzt aufgrund der großen regionalen und zeitlichen Unterschiede der behandelten Fallbeispiele eher disparat.
Abb. 4: Terrakottafigur der Heiligen Agathe, 15. Jh. (© Museum am Dom Trier, R. Schneider. < http://www.nero-ausstellung.de/presse/bilder>)
Besonders der zuletzt unternommene Versuch einer Einordnung der neronischen Zeit in die Geschichte der römischen Christenverfolgungen wirft dementsprechend einige konzeptionelle Probleme auf. Durch die Gleichsetzung der wohl spontanen Aktionen unter Nero mit dem systematischen Vorgehen in späterer Zeit (etwa unter Decius oder Diokletian) wird eine entwicklungsgeschichtliche Kontinuität suggeriert, die es so jedoch nicht gegeben hat. Trotz einer insgesamt ansprechenden Zusammenstellung verschiedener Exponate überwiegt somit der Eindruck, dass Nero lediglich als Ausgangspunkt der Betrachtung dient, nicht aber den eigentlichen Gegenstand der Ausstellung bildet.
Das Stadtmuseum Simeonstift beschäftigt sich schließlich mit der Rezeptions- und Kulturgeschichte Neros, deren Anfänge bereits in die unmittelbare Zeit nach dem Tod des Princeps im ersten Jahrhundert n.Chr. zu verorten sind. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt dabei auf den zahlreichen Darstellungen des Kaisers in der Kunst, der Literatur, der Oper und im Film – vom Mittelalter bis heute.
Abb. 5: Ein Blick in die Ausstellung „Lust und Verbrechen. Der Mythos Nero in der Kunst“ im Stadtmuseum Simeonstift Trier. (© S. Kürten. <http://www.nero-ausstellung.de/presse/bilder>)
Auf insgesamt sieben Räume verteilt wird die Rezeption Neros und seiner Herrschaft im Spiegel der verschiedenen Medien sowie anhand unterschiedlicher Themen behandelt. So wird beispielsweise die Rolle des Kaisers in Film und Theater beleuchtet, zugleich aber auch ein Fokus auf einzelne Persönlichkeiten und Episoden gelegt, wie etwa die Ermordungen Senecas und Agrippinas. Eine umfassende Darstellung sowie eine historische Einordnung der Kulturgeschichte Neros ist dabei nicht intendiert, da dies schon aufgrund der schieren Masse der entsprechenden Werke nicht möglich erscheint. Auf diese Weise gelingt es, den Besuchern interessante, mitunter äußerst unterhaltsame Einblicke in das schillernde Nachleben des letzten iulisch-claudischen Kaisers zu eröffnen und Nero somit auch in der heutigen Zeit einen Platz einzuräumen.
Abb. 6: Wassilij Sergejewitsch Smirnow, Neros Tod, Öl auf Leinwand, 1888. (© Staatliches Russisches Museum, St. Petersburg. < http://www.nero-ausstellung.de/presse/bilder>)
Blickt man nun zum Abschluss auf die Gesamtkonzeption der drei Ausstellungen, gewinnt man den Eindruck, dass die Präsentationen in den verschiedenen Häusern zwar durch das gemeinsame Oberthema „Nero“ verbunden sind, ansonsten jedoch eher lose zusammenhängen. So verzichten die Ausstellungsmacher beispielsweise darauf, an entsprechender Stelle Verknüpfungen herzustellen und damit auf die andernorts präsentierten Themenschwerpunkte zu verweisen. Auch in Hinblick auf die Gestaltung der einzelnen Ausstellungen lassen sich Unterschiede feststellen. So ist es unter anderem den verschiedenen Perspektiven auf die unterschiedlichen Themen sowie den jeweiligen gestalterischen Möglichkeiten geschuldet, dass der Eindruck einer gewissen Heterogenität entsteht, der jedoch die Attraktivität des Ausstellungsprojektes keineswegs schmälert.
Wie gut die drei thematischen Schwerpunkte ineinandergreifen, wird nochmals anhand des dazugehörigen Sammelbandes deutlich. In insgesamt 44 Beiträgen werden hier verschiedene, schon aus den Ausstellungen bekannte Themen vorgestellt, vertieft und auf dem aktuellen Stand der Forschung diskutiert, wobei mitunter auch neue Perspektiven auf bekannte Fragen geboten werden. Lediglich die medizinisch-psychiatrische Diagnose Neros und einzelner Mitglieder der iulisch-claudischen Familie (S. 273–289) fällt dabei aufgrund ihres spekulativen Charakters methodisch etwas aus dem Rahmen, was jedoch den Gesamtwert dieses Sammelbandes, dessen Qualität weit über einen herkömmlichen Ausstellungskatalog hinausgeht, nicht beeinträchtigt.
In Kombination mit dem Begleitband ergeben die drei Einzelausstellungen ein insgesamt überzeugendes Gesamtbild. Sie leisten hiermit nicht nur einen relevanten Beitrag zur Forschungsdiskussion, sondern bieten darüber hinaus den Besuchern die Möglichkeit, sich selbst eine Meinung über Nero zu bilden. Die im Untertitel genannte Kategorisierung „Kaiser, Künstler und Tyrann“ ist vor diesem Hintergrund keineswegs als abschließendes Urteil, sondern eher als Ausgangspunkt für weitere Betrachtungen zu verstehen, die versuchen, den facettenreichen Princeps auch jenseits der bekannten Stereotype gerecht zu werden.
Anmerkungen:
1 Es sei an dieser Stelle auf die bereits 2011 in Rom gezeigte Nero-Ausstellung verwiesen, die jedoch von den Ausstellungsmachern aus Trier nicht weiter thematisiert wird. Im Begleitband des Trierer Ausstellungsprojektes ist dementsprechend die Rede davon, dass Nero „noch nie eine Sonderausstellung in Mitteleuropa gewidmet wurde“ (S. 8). Erklärt werden kann diese Diskrepanz mit der recht spezifischen Ausrichtung der römischen Ausstellung, die ihren Fokus vornehmlich auf die neronischen Bauprojekte gerichtet hat. Vgl. Ministero per i Beni e le Attività Culturali, Soprintendenza Speciale per i Beni Archeologici di Roma (Hrsg.), Nerone. Catalogo della mostra Roma, 12 aprile – 18 settembre 2011. A cura di Maria Antonietta Tomei, Mailand 2011.
2 Einen kleinen visuellen Eindruck von der Konzeption und den Exponaten der Ausstellung vermittelt beispielsweise ein kurzer Beitrag im SWR-Kulturmagazin „Kunscht!“: <https://www.youtube.com/watch?v=I8cSb4t9B18> (10.08.2016).