M. Häberlein u.a. (Hrsg.): Luxusgegenstände und Kunstwerke

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Titel
Luxusgegenstände und Kunstwerke vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Produktion – Handel – Formen der Aneignung


Herausgeber
Häberlein, Mark; Herzog, Markwart; Jeggle, Christof; Przybilski, Martin; Tacke, Andreas
Erschienen
Konstanz 2015: UVK Verlag
Anzahl Seiten
557 S.
Preis
€ 69,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael North, Historisches Institut, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Das Thema „Luxus“ erfreut sich in den letzten 15 Jahren insbesondere unter Historikern und Kunsthistorikern großer internationaler Beachtung. Neben den Luxusdebatten wird dabei vor allem nach der Herstellung und Vermarktung von Luxusprodukten gefragt. Insofern ist es äußerst verdienstvoll, dass der vorliegende Sammelband mit der grundlegenden Einleitung von Mark Häberlein und Christof Jeggle eine Schneise in die kaum mehr zu überblickende Forschung schlägt. Um es gleich vorweg zu nehmen, sowohl die Einleitung von Häberlein und Jeggle als auch die Bilanz von Jeggle bieten die zurzeit beste und umfangreichste Übersicht über die jüngste Forschung in Europa auf diesem Gebiet.

Man müsste hierzu gar nicht mehr die einzelnen Beiträge des Bandes lesen, obwohl auch diese einige neue Ansätze bieten. Ob es hierzu einen Überblick über Luxus und Verschwendung in der Gegenwart (Michael Jäckel) gebraucht hätte, ist jedoch zu bezweifeln. Auch der Beitrag von Georg Gräser zu Luxus und Luxuskritik am Beispiel der Klerikerkleidung steht relativ vereinzelt. Ebenfalls wenig zur Luxusthematik bringt der Beitrag von Tiziana Romelli über die bereits gut erforschte Kunstsammlerin und Patronin Isabella d’Este. Dagegen wird die bisher wenig bekannte Etablierung einer Luxusproduktion durch die Bourbonen nach ihrer Herrschaftsübernahme in Neapel 1734 durch Salvatore Pisani neu beleuchtet. Besonders aufschlussreich ist in diesem Kontext die Untersuchung von 300 Brüsseler Nachlassinventaren durch Veerle De Laert, die drei unterschiedliche, sich teilweise überschneidende Konsummuster rekonstruieren kann. Diese reichten vom konservativen Geschmack über innovative Einrichtung bis hin zum demonstrativen Konsum. Dass Johann Wolfgang von Goethe, wie Franziska Schößler bemerkt, den Luxuskonsum seiner Zeit aufmerksam beobachtete, überrascht nicht. Hier hätte vielmehr interessiert, in welchem Maße er das „Journal des Luxus und Moden“ und dessen Warenangebot rezipierte.

Die weiteren Beiträge widmen sich vor allem dem Entwurf, der Herstellung und dem Vertrieb von Kunstwerken und Luxuswaren. Hierbei geht es um die Verbreitung von Raphael-Gemälden durch Kupferstiche (Anne Bloemacher), die Verwendung von gedruckten Ornamentstichen für die Herstellung von Porzellan, Silber und Möbeln (Katharina Krause) und die Kunstproduktion im zünftischen Milieu im 15. Jahrhundert. So kann Berit Wagner, deren einschlägige Dissertation unsere Kenntnisse vielfach erweiterte1, zeigen, dass die wachsende Nachfrage auf den deutschen Kunstmärkten zur Arbeitsteilung in den Werkstätten der Maler führte. Dass das Baseler Konzil die Kunstproduktion angeregt habe (Jana Lucas), verwundert nicht. Auf neue Produktionsformen, insbesondere die Studio-Kooperation südniederländischer Künstler im 17. Jahrhundert, macht außerdem Franziska Siedler aufmerksam. Neben Beiträgen zur Selbstvermarktung und Selbststilisierung von Künstlern am Beispiel Joachim von Sandrarts (Gabriele Marcussen-Gwiazda) und Francesco Solimenas (Annette Hojer) arbeitet Evelyn Korsch neue Details über die zünftische Kunstproduktion und die Modalitäten des Kunstverkaufes in Venedig im 18. Jahrhundert heraus, wobei die botteghe – die kleinen Läden der Kunsthändler – eine wichtige Rolle spielten. Weitere Beiträge in diesem Kontext behandeln die massenhafte Produktion und den Export von Retabeln in den südlichen Niederlanden (Ulrich Schäfer) und die Herstellung von Alabasterplastiken in Mechelen und Antwerpen (Aleksandra Lipińska). Insbesondere letztere erfreuten sich einer lebhaften Nachfrage im Heiligen Römischen Reich und Polen, wo sie als kostbare Kunstwerke wahrgenommen wurden.

Die Vielfalt des internationalen Handels mit Rohstoffen, Farben, Brillen und Luxusgütern wie Florentiner Seide zeigen Andrea Mozzato und Heinrich Lang auf. Von hier ist es nur ein kurzer Weg zu den Luxusmärkten auf den Leipziger Messen (Maureen Cassidy-Geiger) bzw. zur fürstlichen Luxusnachfrage bei der Ausstattung von Schlössern und Residenzen (Katja Heitmann). Dass die Medien für die Verbreitung der Luxusgüter eine wichtige Rolle spielten, macht Susann Trabert am Beispiel des „Journals des Luxus und der Moden“ und Dries Lyna für Antwerpen im 18. Jahrhundert deutlich. Lyna untersucht die Zeitungsannoncen in Antwerpen und deren Werbung für Kunstauktionen. Dabei informieren die Anzeigen nicht nur über die Maler der zur Auktion kommenden Bilder, sondern auch die Provenienz der Sammlungen. Wenn die Neugier des Sammlers so geweckt war, erwarb er zumindest einen gedruckten Katalog und bot vielleicht auch auf der Auktion mit.

Die in den einzelnen Beiträgen gewonnenen Erkenntnisse zur Vielfalt von Produktion und Distribution von Kunstwerken und Luxuswaren versucht Christof Jeggle in einer abschließenden Bilanz („Luxus, Kunst und Ökonomie“) zu systematisieren. Er arbeitet dabei vier Welten der Produktion heraus: Erstens die „Welt der seriellen Produktion“ für Produkte standardisierter Qualität, zweitens die „Welt der Markt-Produktion“ ebenfalls für standardisierte Produkte, die sich aber bereits an bestimmte Zielgruppen wendet, drittens die „Welt der personenbezogenen Produktion“, die die Herstellung von Luxusprodukten im Auftrag oder für eine bestimmte Person umfasst, und schließlich viertens die „Welt der immateriellen Produktion“ für generische Produkte.

Unter letzteren versteht Jeggle spezifische Waren, die von einem Produzenten für ein größeres Publikum hergestellt werden, aber gleichzeitig als Marke mit einer Werkstatt eng verbunden sind. Seine Produktionswelten verfolgt Jeggle schließlich über die Jahrhunderte. Er konstatiert nicht überraschend, dass im Mittelalter die „Welt der personenbezogenen Produktion“ dominiert habe, die im Zuge der Marktproduktion und der seriellen Produktion in neue Produktionswelten in der Neuzeit gemündet sei. Entsprechend hing die Wahrnehmung eines Produktes als Luxusprodukt sowohl von dem Gebrauch des Objektes als auch von der gesellschaftlichen Zuschreibung ab. Obwohl diese Erkenntnis nicht neu ist, kann sie doch eine Systematik in die gegenwärtige wie in künftige Luxusdebatten bringen.

Anmerkung:
1 Berit Wagner, Bilder ohne Auftraggeber. Der deutsche Kunsthandel im 15. und frühen 16. Jahrhundert, Petersberg 2014.

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