M. H. Bernhard: Institutions and the Fate of Democracy

Cover
Titel
Institutions and the Fate of Democracy. Germany and Poland in the Twentieth Century


Autor(en)
Bernhard, Michael H.
Reihe
Pitt Series in Russian and East European Studies
Erschienen
Anzahl Seiten
310 S.
Preis
£22.50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lars Jockheck, Seminar für Geschichtswissenschaft, Helmut-Schmidt-Universitaet Universitaet der Bundeswehr Hamburg

Die Frage nach den Gründen für Erfolg oder Scheitern politischer Systeme beschäftigt Historiker wie Politologen. Allerdings ist das Erkenntnisinteresse in den beiden Disziplinen meist ein grundsätzlich anderes: Grob gesprochen geht es Ersteren eher darum, die Vergangenheit überhaupt zu verstehen; Letztere hingegen wollen aus ihr vor allem Lehren für Gegenwart und Zukunft ziehen. Aus diesen andersartigen Ansätzen resultieren unterschiedliche Methoden, die einen fruchtbaren Austausch über die Fächergrenzen hinweg schwierig machen. Das gilt, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, auch für die vorliegende Studie des US-amerikanischen Politologen Michael Bernhard, die an Beispielen aus der deutschen und polnischen Geschichte im Zwanzigsten Jahrhundert zu klären versucht, welchen Einfluß die Entscheidung für bestimmte politische Institutionen auf die Entwicklung der Demokratie in beiden Ländern hatte.

Es geht Bernhard um einen Beitrag zur allgemeinen Theorie der Demokratisierung, weshalb für ihn generalisierende theoretische Erkenntnisse Vorrang haben vor einer differenzierenden Analyse von Besonderheiten der jeweiligen historischen Verhältnisse. Diesem Interesse kommt die Auswertung von Literatur – besonders historischen Überblicksdarstellungen – stärker entgegen, als das Vertiefen in Quellenstudien. Außer auf einige publizistische Zeugnisse aus den 1990er Jahren stützt sich Bernhard daher nahezu ausschließlich auf Literatur. In der Darstellung bewegt er sich vorzugsweise auf einer „mittleren Ebene“ der Abstraktion (S. 15), wobei allerdings die gelegentlichen Versuche, historische Verläufe in Pfeildiagrammen darzustellen, deutliche Ausschläge nach oben markieren. Hier fehlen vollends die nötige Differenzierung und Vertiefung, die bisweilen auch der Text vermissen lässt.

Vier Fallstudien hat Bernhard seiner Untersuchung zugrunde gelegt: das Scheitern der demokratischen Systeme in Deutschland bzw. Polen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen (1919-1930/33 bzw. 1919-1926) sowie den Erfolg der demokratischen Ordnungen in Westdeutschland nach 1945 bzw. in Polen nach 1988. Er begründet diese Auswahl mit den Vergleichsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, dass beide Länder in einer relativ kurzen Zeitspanne je zwei Anläufe zur Demokratie unternahmen und dies in einer Übergangszone zwischen westlicher, kapitalistisch-demokratischer Moderne und östlicher, feudalistisch-autokratischer Tradition. Damit wird deutlich, dass Bernhard für Deutschland mit Blick auf seine westlichen Nachbarn und für Polen mit Blick auf seine östlichen Nachbarn historischen Sonderwegs-Thesen („anomalies“, S. 23f.) anhängt. Das Beispiel Polen liegt dem Verfasser, der bisher vor allem mit einer Studie über die Anfänge der Demokratisierung in der Volksrepublik Polen hervorgetreten ist 1, näher. Dies zeigt sich nicht zuletzt in einer breiteren Verwendung von Literatur und – vor allem in der letzten Fallstudie – auch einzelnen publizistischen Quellen.

Die auf das einleitende Theorie- und Methoden-Kapitel folgenden vier Überblicke zur Entwicklung von Exekutive, Legislative und Wahlsystem in der Weimarer Republik, der Zweiten Rzeczpospolita, der Bundesrepublik Deutschland sowie der Dritten Rzeczpospolita enthalten für den mit der Literatur zur jüngeren deutschen und polnischen Verfassungs- und Politik-Geschichte vertrauten Leser allerdings kaum Neues. Bernhard konzentriert sich – dem Ziel seiner Arbeit gemäß – auf die Geschichte der politischen Institutionen. Um deren Ausformungen zu erklären, bezieht er zwar einige Elemente der jeweiligen sozialen, ökonomischen sowie innen- und außenpolitischen Kontexte mit ein. Entschieden zu kurz kommt jedoch die Frage nach dem Einfluß politischer Traditionen, Kulturen und Mentalitäten.

Die Ausgangsfrage, was über Scheitern oder Erfolg der demokratischen Systeme in Deutschland und Polen im Zwanzigsten Jahrhundert entschieden habe, beantwortet Bernhard schließlich so allgemein, dass diese Antwort dem Historiker allenfalls als Anregung für weitere, in Tiefe und Breite gehende Fragen dienen kann. Die Beispiele zeigten demnach, dass die genannten Institutionen die Fähigkeit zum politischen Interessenausgleich und damit zum Erfolg eines demokratischen Systems nur dann besäßen, falls sie durch Kompromisse und Kooperationen möglichst breiter und stabiler politischer Kräfte zustande gekommen seien und von diesen auch auf lange Sicht getragen würden. Dafür seien gemeinsame Werte unerlässlich. Eine schwache Exekutive und eine in viele Interessengruppen zersplitterte Legislative trügen dagegen zum Scheitern bei, falls dem System fernstehende politische Kräfte zur Machtübernahme bereitstünden. Diese Gefahr betreffe vor allem sozial inhomogene Gesellschaften im Gefolge ökonomischer Krisen. Dass diese Erkenntnisse nicht hinreichen, um Erfolg oder Scheitern demokratischer Systeme in konkreten historischen Situationen zu erklären, ist Bernhard wohl bewusst. Dies war aber, wie eingangs dargelegt, auch nicht seine Absicht. Es bleibt vielmehr Aufgabe der historischen Zunft.

Anmerkung:
1 Bernhard, Michael, The Origins of Democratization in Poland. Workers, Intellectuals, and Oppositional Politics, 1976-1980, New York 1993.

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